Autor: Holger Kähning, Kastorf
Vorbemerkung
Der menschliche Wunsch nach Orientierung ist eine der Triebfedern für den Wunsch, unsere Geschichte kennen zu wollen, im Globalen oder eben auch in unserer engeren Heimat.
Orientierungen zeigen uns im engeren wie auch im weiteren Sinne Gewissheiten auf, sie zeigen uns gewissermaßen den grenzenden Horizont für unser persönliches Umfeld und unser Schaffen auf. Grenzen geben uns Sicherheit und soziale Orientierung, sie sind damit Teil der Grundlage, die unser Zusammenleben ermöglichen.
Gleichzeitig trachten wir aber auch danach, die letztlich ausgedachten Grenzen zu verschieben. Neues zu entdecken, bedeutet Freiheit zu entdecken, den Horizont zu erweitern und damit neue Gewissheiten zu finden. In diesem Sinne möchte auch der Blick in die Geschichte unserer engeren Heimat den Blick erweitern. Was und wie wir heute sind, wo wir in der Menschheitsentwicklung stehen, beruht auf unserer Geschichte, die hier skizziert wird.
Die Rekonstruktion der Geschichte Schleswig-Holsteins wurde bis weit in die Zeit nach Christi Geburt hinein, ausschließlich aus Forschungsergebnissen, die wir der Wissenschaft der Archäologie und der von ihr angewandten Methoden der Naturwissenschaften verdanken rekonstruiert. Es gibt keine schriftlichen Überlieferungen, die diese Zeit in unseren Breitengraden erhellen könnten.
Burgen, Siedlungsplätze, Bestattungen und Zeugnisse des Handels sind die aussagekräftigen Untersuchungsfelder der Archäologie, die im Blickpunkt der hier vorgenommenen Betrachtungen stehen. Dabei steht naturgemäß die materielle Kultur im Fokus der Untersuchungen. Glaubensfragen, religiöse Auffassungen und Gefühle lassen sich auf diesem Wege nicht mehr erfahren. Dennoch ermöglichen es uns die Wissenschaften rund um die Archäologie ein immer zutreffenderes Bild der damaligen Umwelt und der Lebensverhältnisse seiner Bewohner zu zeichnen.
Erst im zweiten Jahrtausend nach Christi Geburt nimmt die Zahl der schriftlichen Überlieferungen zu, die unser heutiges Schleswig-Holstein betreffen. Sie verdichten sich mit zunehmender Gegenwart zu einem immer breiter werdenden „Strom der Information“, der zunehmend aber auch den Nachteil einer immer größer werdenden Unübersichtlichkeit besitzt.
Orientierung im engeren Sinne bekommen wir durch Kartenblätter. In früher Form gedruckt, heute meistens in digitaler Form genutzt, vermitteln sie Informationen und Orientierung zu und in unserer Gemeinde. Insofern hat auch die Kartographie ihren Ursprung im sehr menschlichen Wunsch nach Orientierung. Die Entwicklung der Kartendarstellungen spiegelt die Geschichte der Menschwerdung und die Eroberung des Planeten Erde wider. Ihre Pioniere haben Erstaunliches geleistet, viele waren ihrer Zeit voraus.
Es gibt Hinweise darauf, dass bereits die Menschen der Altsteinzeit geografische Gegebenheiten zeichnerisch wiederzugeben vermochten. In Nordeuropa datiert die Altsteinzeit oder das Paläolithikum von ca. 105.000 – 9.600 v. Chr. Durch die in der nördlichen Hemisphäre besonders ausgeprägte, dynamische Entwicklung der Eiszeiten, die unser Territorium morphologisch gleich mehrfach umgestaltete, ist die Erschließung der ältesten Menschheitsgeschichte in Schleswig-Holstein erschwert, wenn nicht sogar gänzlich unmöglich geworden.
Die ältesten Spuren menschlicher Anwesenheit auf Schleswig-Holsteinischem Territorium stammen aus dem sog. Mittelpaläolithikum (in SH 105.000 – 40.000 v. Chr.). Der verlässlichste Fundbeleg stammt aus der Nähe von Schalkholz, Kreis Dithmarschen. Hier konnten Feuersteinartefakte in einem gesicherten Fundhorizont geborgen werden.
Natürlich gab es zu dieser Zeit noch keine Karten. Die frühen Bewohner unseres Territoriums werden in erster Linie auf ihr Orientierungsvermögen angewiesen gewesen sein, dass vielleicht, ähnlich wie bei den noch lebenden Ureinwohnern Australiens, u.a. darauf beruht, magnetische Einflussfelder wahrnehmen zu können und damit Ziele punktgenau, auch über Entfernungen von bis zu 1.000km anlaufen zu können.
Im Süden Schleswig-Holsteins, in der Nähe von Hamburg, haben Archäologen bereits in den 1930er Jahren Gruppen späteiszeitlicher Jäger aufgrund ihrer materiellen Hinterlassenschaften definiert, die diese Landschaft über Jahrtausende immer wieder aufgesucht haben. Sie repräsentieren gewissermaßen die Pionierphase einer nach Norden gerichteten, späteiszeitlichen menschlichen Besiedlung.
Die der Gemarkung Berkenthin nächstgelegenen, bisher bekannt gewordenen Lagerplätze dieser Jägergruppen befinden sich im Raum Ahrensburg. Die prominentesten sind Meiendorf und Stellmoor. Die älteste Gruppe der Späteiszeit, die sog. Hamburger Kultur, datiert in die Zeit etwa 12.700 – 12.000 v. Chr.
Die Jagdmethoden und die Lebensweise dieser und nachfolgender Spezialisten anderer Kulturen, waren an die Lebensweise des Wildes angepasst. Sie folgten dem Wild, während der Kaltzeiten insbesondere den Rudeln der wandernden Rentiere, einer nordischen Hirschart und stellten dieser Art unter Einbeziehung günstiger Geländegegebenheiten nach.
Das sog. Ahrensburger Tunneltal, eine eiszeitlich geprägte Landschaft, war durch zahlreiche nasse Niederungen und Seen geprägt, die teilweise nur schwer zu durchqueren waren. Das Wild suchte günstige Durchgangsmöglichkeiten, dadurch entstanden sog. Zwangswechsel für das Wild, also Engpässe, die von den Jägern genutzt wurden. Hier stellten sie nicht nur dem Wild nach, sondern hier errichteten sie praktischerweise auch ihre saisonalen Lagerareale.
Nach einer kurzen Wärmeperiode kam es vor dem Ende der letzten Weichsel-Kaltzeit (umgangssprachlich als Weichsel-Eiszeit bezeichnet) zu einem letzten Kälteeinbruch am Ende der Altsteinzeit. Die materiellen Hinterlassenschaften der Menschen, die hier zu dieser Zeit in der Nähe von Ahrensburg durchzogen, lagerten und jagten, werden als Ahrensburger Kultur bezeichnet (10.800 – 9.600 v. Chr.). Anlässlich der hier 1935/36 durchgeführten Grabungen wurden u. a. hölzerne Pfeilschäfte entdeckt, der Nachweis für eine für diese Zeit innovative Fernwaffe, die die Jagd auf größere Distanz ermöglichte.
Bestimmte Wildarten wurden sicherlich auch auf der Pirsch erlegt. Dabei handelt es sich um eine heute noch ausgeübte Jagdart, bei der durch möglichst lautloses Durchstreifen eines Jagdreviers versucht wird, Wild zu finden und sich ihm auf Schussdistanz zu nähern.
Sicherlich hat die Suche nach Wild diese frühen Jägergruppen auch in die Nähe unserer heutigen Kulturlandschaft, rund um Berkenthin geführt. Hier fanden sich ganz ähnliche Naturgegebenheiten im Bereich eiszeitlicher Schmelzwasserflüsse und beschränkter Durchquerungsmöglichkeiten. Nachweisen lassen sich hier derartig frühe Besiedlungsspuren bisher aber nicht. In der Gemarkung rund um Berkenthin wurden mehrere unspezifische Geräte bzw. Abschläge aus Feuerstein (Silex) gefunden, die zeitlich aber nicht datierbar sind, da die Fundzusammenhänge fehlen. Sie werden als sog. Streufunde bezeichnet. Ähnliche Funde kann man auch heute noch mit ein wenig Glück und gutem Blick auf frisch gepflügten Äckern finden01. Datierbare spezialisierte Funde aus diesem haltbaren Material datieren durchweg in die Jüngere Steinzeit, die bei uns um 4.100 v. Chr. beginnt. Darunter sind Werkzeuge bzw. Waffen aus Flintstein.
Mit dem Beginn des Holozäns, einer Klimaperiode, die bis heute andauert, beginnt die Nacheiszeit vor rund 9.700 Jahren v. Chr. Der Beginn wird durch einen sprunghaften Temperaturanstieg gekennzeichnet. In der Folge kommt es zu einer Wiederbewaldung, die zunächst noch offene Tundren Landschaft mit wenig Bewuchs, bewaldete zunehmend.
Bäche wie die Stecknitz und die Göldenitz waren breite Flüsse, die von zahlreichen Zuflüssen tauender Schmelzwässer gespeist wurden, die heute im Gelände als trockene Taleinschnitte zu erkennen sind. Sie stellten in dieser Zeit ernsthafte Hindernisse dar, die seinerzeit von Mensch und Tier nur schwer zu durchqueren waren.
Aufgrund der sich hier in diesem Raum kreuzenden, historischen Wegesysteme darf man davon ausgehen, dass die damalige Stecknitz im heutigen Raum Berkenthin auf einer Furt durchquert werden konnte. Nach den Verläufen historischer Wege, die man anhand alter Karten rekonstruieren kann aber auch anhand von alten Wegespuren, die sich noch im Gelände finden, befand sich die Furt wohl in etwa dort, wo sich heute die Brücke über den Kanal erstreckt.
Nahezu unverändert geblieben ist die Oberflächenform unserer Landschaft, das Relief oder die Morphologie. Jahrtausende vor den ersten Siedlern, die sich hier im Bereich der Furt im heutigen Berkenthin niederlassen sollten, war sie durch die verschiedenen Eiszeiten und einzelne Eisvorstöße in der Vergangenheit und durch die Abflüsse ihrer Schmelzwasser geformt und geprägt worden. Dieses Relief entsprach damals schon weitgehend dem der Gegenwart. Die seinerzeit noch weit häufiger vorkommenden Seen und Moore boten Deckung und Nahrung und dürften ähnlich gute Gelegenheiten der Jagd geboten haben, wie das Ahrensburger Tunneltal – so ist es nicht ausgeschlossen, dass das „Archiv Boden“ auch in unmittelbarer Nähe von Berkenthin noch manche Überraschung aus dieser Zeit für den Archäologen bereit hält.
Mit dem Beginn des Holozäns einher geht der Beginn der Mittleren Steinzeit (Mesolithikum, bei uns ca. 9.600 – 4.100 v. Chr.), einer Zeitspanne, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu Berkenthin eindrucksvolle Spuren hinterlassen hat. Die zu dieser Zeit hier lebenden Menschen sind durch die in diesem Jahr (2022) seit 100 Jahren (!) andauernden Untersuchungen im Duvenseer Moor recht gut erforscht.
Bekannt wurde dieser Fundkomplex u.a. durch die Entdeckung eines Paddels in den 1930er Jahren, das seinerzeit Aufsehen erregte, galt es doch als ältestes Schiffahrtszeugnis Nordeuropas.
Die Menschen, die zu dieser Zeit hier lebten, waren anfangs immer noch Jäger, Fischer und Sammler wie ihre Vorfahren über Jahrhunderttausende.
Saisonal errichteten und benutzten sie Lagerplätze, die auf flachen Inseln innerhalb eines damals offenen Gewässers lagen.
Historisch bedingt werden diese Lagerplätze als Wohnplätze bezeichnet, obwohl hier mitnichten dauerhaft gewohnt wurde. Es waren vielmehr Arbeitsplätze auf Zeit, die durch Multifunktionalität gekennzeichnet sind. Auf einigen der ausgegrabenen Plätze lassen sich sog. „Rindenböden“ nachweisen, ausgelegte Matten aus Birkenrinde, die die Funktion einer Isoliermatte hatten. Die zahlreichen Ausgrabungen erbrachten den Nachweis für vielfältige Formen menschlicher Aktivitäten, darunter auch solche, die mit der Anlegung von Vorräten bereits auf eine erst sehr viel später einsetzende Sesshaftwerdung hinweisen. Gemeint ist damit vor allem die massenhafte Röstung von Haselnüssen, die der Haltbarmachung für einen Wintervorrat diente. Neben den Haselnussröstaktivitäten fanden sich auch die Nachweise einer umfangreichen Flint- und Holzbearbeitung sowie Belege für die Jagd auf Groß- und Kleinwild, die eine teilweise spezialisierte Benutzung der Plätze belegen.
Eine Entdeckung, die einer wissenschaftlichen Sensation glich, gelang 2022 am Rand des ehemaligen Duvenseer Sees. Bei einer Nachgrabung, die der Klärung offener Fragestellungen diente, wurde unter der Leitung von Harald Lübke am südlichen Ortsrand von Lüchow die bisher älteste Grabstätte Norddeutschlands entdeckt. Dabei handelte es sich eine Brandbestattung, die vor ca. 10.500 Jahren am Rande des damaligen Sees und heutigen Duvenseer Moors angelegt wurde.
Die beschriebene Lebensweise während des frühen Mesolithikums wurde durch die Jahreszeiten und die Lebensweise des Wildes bestimmt, dass wesentlicher Teil der Nahrungsgrundlage war. Die stark nomadisierenden Wildtierarten der späten Eiszeit waren weiter nach Norden, in kältere Gefilde abgewandert. Durch die wärmeren Temperaturen während des Mesolithikums begünstigt, angepasst an die mittlerweile dicht bewachsene Landschaft in diesem Raum, kam in erster Linie standorttreues Wild vor, wie Reh und Hirsch, die weite Wanderungen bei der Jagd entbehrlich machten. Dennoch sollte es noch Jahrtausende dauern, bis die Menschen hier bei uns sesshaft werden sollten.
Erst zum Ende des Mesolithikums, der Mittleren Steinzeit, werden mit der sogenannten Erteböllekultur Elemente des Übergangs zu einer sesshaft werdenden Bevölkerung sichtbar. Es spricht einiges dafür, dass erste Tongefäße (Kruken, ovale Schälchen) von jägerisch lebenden Küstengruppen des östlichen Baltikums übernommen wurden. Sie sind aber noch kein Zeichen einer Sesshaftigkeit, die erst in der folgenden Periode, der Jungsteinzeit (Neolithikum) langsam nachzuweisen ist.
Die allmähliche Sesshaftwerdung mit Beginn des Neolithikums (Jüngere Steinzeit, bei uns ca. 4.100 v. Chr. – ca. 1.700 v. Chr.) glich einer Revolution. Bisher tradierte Lebensweisen und die Überlieferungen vorhergehender Generationen verloren ihre Gültigkeit. Mit der zunehmenden Sesshaftigkeit der Bevölkerung erlangten die Naturbeobachtungen, insbesondere die Beobachtung klimatischer Gegebenheiten, eine besondere Bedeutung.
Die revolutionäre Veränderung der Lebensweise, die Hinwendung zu Ackerbau und Viehzucht in der Jüngeren Steinzeit verlangte geradezu zwingend die Weitergabe eines stark veränderten Wissens an die nachfolgenden Generationen. Für ein erfolgreiches Überleben der Sippe war die Kenntnis der Besonderheiten im Jahreswechsel (z. B. für den Zeitpunkt der Aussaat und der Ernte und für die Vorratshaltung). Auch eine Beurteilung der Böden, hinsichtlich ihrer Fruchtbarkeit war unerlässlich. Zum Beginn des Neolithikums erfolgte der Anbau von Feldfrüchten auf nur sehr kleinen „Feldern“, Lichtungen, die teils mühsam mit dafür unzureichendem Werkzeug gerodet werden mussten. Deshalb hatte auch die Ernte von Wildfrüchten und die Gewinnung von Rohwerkstoffen auch in dieser Zeit noch immer eine große Bedeutung.
Imposante Hinterlassenschaft dieser Menschen sind sog. Megalithbauten (Megalith, aus dem altgriechischen „groß“ und Lithos „Stein“ – Bezeichnung für einen meist unbehauenen Steinblock in der Archäologie). Während des Neolithikums errichtete man aus ihnen die sog. Hünengräber oder Großsteingräber, wie z. B. in Lübeck-Blankensee (Foto 2).
In seiner Form wird es von Fachleuten als Dolmen bezeichnet, zeitlich datiert es in die Zeit der sog. Trichterbecherkultur (TBK) die ca. zwischen 3500 – 2800 v. Chr. datiert. Es wurde bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts ausgegraben und war ursprünglich von einem Erdhügel bedeckt. Heute liegt es direkt an der Bahnlinie, nahe der B 207 und A 20.
Die großen Findlinge oder Blöcke aus denen es gebaut wurde zählen zu den Hinterlassenschaften der letzten Eiszeit, sie stammen aus Skandinavien und wurden durch die Eismassen fortbewegt. Nach dem Abschmelzen fanden sie sich in den sog. Grund- und Endmoränen der ehemaligen Gletscherzungen. Heute sind derartige Blöcke seltener geworden. Im Bereich der Ackerflächen wurden sie beiseite geräumt, während des 19. Jahrhunderts wurden sie vielfach gesprengt und für den Chaussee- und Hausbau verwandt.
Flintstein (Silex) blieb auch in der Jüngeren Steinzeit (Neolithikum, 4.100 – 1.700 v. Chr.) der allgegenwärtige Werkstoff, wie schon bereits während der Altsteinzeit und der vorhergehenden Mittleren Steinzeit. Das Rohmaterial, also die Flintknollen, wurden nachweislich bereits früh gehandelt. Werkzeuge, die im Laufe der Zeit immer spezialisierter und technisch aufwendiger herzustellen waren, ließen sich nur aus sog. „bergfrischem“ Flint herzstellen, nur so war eine kontrollierte Schlagtechnik anzuwenden. Die überall auch auf den umliegenden Feldern von Berkenthin zu findenden Flintknollen sind dafür ungeeignet (Foto 3).
Sie waren schon damals zu lange den umgebenden Witterungseinflüssen ausgesetzt gewesen und brechen bei der Bearbeitung in unkontrollierbarer Weise.
Im etwa um 2.400 v. Chr. beginnenden Spätneolithikum ist der Höhepunkt in der Kunst der Flintbearbeitung erreicht. Die in dieser Zeit gefertigten Beile in Überlänge, die Flintdolche und Getreidesicheln setzen ein Höchstkönnen der Handwerker voraus. Derartige Funde wurden in der gesamten Gemarkung Berkenthin und in unmittelbarer Umgebung, wie in Bliestorf, Göldenitz, Kastorf und Niendorf an der Stecknitz gemacht02. Starke Veränderungen in der Zusammensetzung von Pollenanalysen und ein verändertes Werkzeugspektrum, wie z. B. aufkommende Sicheln aus Flintstein, sind Indizien für eine massive Öffnung der Landschaft. Die zu Beginn des Neolithikums neue Wirtschaftsform des Ackerbaus und der Viehwirtschaft, verbunden mit kleinflächigen Rodungen, werden jetzt stark erweitert und deuten auf eine intensive Form der Subsistenzwirtschaft, mit Vorratshaltung für den Winter hin.
Etwa in der Zeit 1.800 v. Chr. beginnt sich die Metallurgie, von Südeuropa her kommend, bei uns im Norden durchzusetzen. Mit einer wachsenden Bevölkerungszahl wird die Abhängigkeit von guten Ernten größer und führt zu einer noch genaueren Beobachtung der Naturgegebenheiten.
Deutlich wird dies an einem besonderen Artefakt aus dieser Zeitperiode. Die sog. Himmelsscheibe von Nebra wurde 1999 in Mitteldeutschland gefunden. Sie gilt als ältestes Zeugnis einer konkreten Himmelsdarstellung und wird der sog. Aunjetitzer Kultur zugerechnet, ihr Alter wird auf ca. 3.800 Jahre geschätzt. Geografisch weiter im Norden werden erste Hinweise auf eine Kosmologie in der Älteren Bronzezeit mit den Sonnenradsymbolen erkennbar. Sie finden sich auf Prunkfunden, wie dem Sonnenwagen von Trundholm in Dänemark, aber auch auf Goldgefäßen, die u. a. im Schleswiger Landesmuseum ausgestellt sind.
In Schleswig-Holstein wird die Bronzezeit nach dem Periodensystem von O. Montelius traditionell in zwei Abschnitte gegliedert: die Ältere Bronzezeit (Periode Ib – III) und die Jüngere Bronzezeit (Periode IV – VI). Während die Siedlungsplätze der Bronzezeit nur selten entdeckt werden, prägen die noch heute überall bei uns sichtbaren Hügelgräber, mit den geborgenen reichen Beigaben und die gemachten Hortfunde aus Metall das Bild der Bronzezeit03.
Man schätzt, dass mehr als 90% der einstmals oberirdisch angelegten Hügelgräber aus wirtschaftlichen Gründen zerstört wurden, weil sie die Landwirtschaft oder den Straßenbau behinderten. Da, wo sie erhalten sind, sind sie oft noch von eindrucksvoller Größe. Dazu gehören die Gräber im Behlendorfer, Schönberger und im Ritzerauer Forst. Hier sind insgesamt noch mehr als 90 Gräber recht gut erhalten. Sie haben eine Höhe von bis zu 12 m, bei einem Hügeldurchmesser von bis zu 25m im Fußbereich.
Etwa um 600 v. Chr. beginnt wiederum ein neuer Zeitabschnitt in Schleswig-Holstein, die sog. Vorrömische Eisenzeit, die mit dem Zeitpunkt der Geburt Christi endete. Klimageschichtlich wird diese Periode als Subatlantikum bezeichnet, eine bis heute andauernde Zeitspanne, in der es zu einer Klimaabkühlung kam. Schleswig-Holstein gehörte zum Kerngebiet der sog. „Jastorfkultur“, eine archäologische bestimmte Kulturgruppe, die aufgrund ähnlich geformter Keramik und Metallgegenstände sowie der gemeinsamen Sitte der Brandbestattung bestimmt wurde. Diese Art der Bestattung stellte einen tiefgreifenden Umbruch der religiösen Vorstellungen dar. Statt die Toten unter einem Grabhügel zu beerdigen, wurden die Toten auf einem Scheiterhaufen verbrannt und die Asche in einer Urne auf z. T. großen Urnenfriedhöfen beigesetzt. Zurückzuführen ist dies auf den Einfluss südosteuropäischer Länder, mit denen zunehmend intensive Handels- und Kulturbeziehungen bestanden. Derartige Urnenfriedhöfe wurden in ganz Schleswig-Holstein, auch im Lauenburgischen gefunden. Die größten bisher entdeckten Gräberfelder dieser Zeit lagen aber in Schwissel, Krs. Segeberg (2.800 Bestattungen) und in Groß Timmendorf, Ostholstein (1.000 Bestattungen).
Spuren des Ackerbaus aus dieser Zeit sind die in vielen Altwäldern erhaltenen sog. „celtic fields“, wabenartige Strukturen, mit Wällen in einer Länge von 10 – 50m. Grundsätzlich waren sie schon länger bekannt, systematisch lassen sie sich erst seit der Jahrtausendwende erfassen. Grund dafür waren die mit einem neuartigem Verfahren (LIDAR) erfassten Laserscandaten, aus denen sich Höhenmodelle errechnen lassen.
Die Auswertung noch nicht vorgenommener Daten für den Raum Berkenthin / Lauenburg lassen auch hier noch Überraschungen vermuten.
Der Beginn einer eigenen Eisenverhüttung, aus dem auch im Kreis Lauenburg anstehenden Raseneisenerz, ist für diesen Zeitabschnitt strittig und lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht eindeutig belegen. Der sog. Raseneisenstein oder das Raseneisenerz ist eine Verfestigung (Konkretion genannter) Bodenhorizont, der durch besonders hohe Eisengehalte gekennzeichnet ist, und durch Auswaschung entsteht.
Erste schriftliche Überlieferungen aus römischer Zeit prägten den Begriff Nordelbien (auch Nordalbingien), was so viel wie das „Gebiet nördlich der Elbe“ bedeutet. Auch im 1. Jahrtausend nach Christi Geburt sind Siedlungsvorgänge in diesem Gebiet nicht durchgängig und erst Recht nicht ortsspezifisch für die heutige Gemarkung Berkenthin zu belegen. Das entspricht dem Stand heutiger Forschung (2022).
Weder gibt es historische Überlieferungen noch gesicherte archäologische Nachweise, die eine durchgängige Rekonstruktion der Geschichte in dieser Region und Zeit erlauben würden. Allenfalls punktuell lassen sich bestimmte Ereignisse bzw. Zeitabschnitte rekonstruieren. Das gilt bis in die Zeit der in diesem Gebiet endenden slawischen Besiedlung, Anfang des 12. Jahrhunderts.
Im Hinblick auf die Geschehnisse der späteren Dorfentwicklung Berkenthins steht somit die Umgebung dieser Ortschaft, bzw. der engere lauenburgische Raum im Mittelpunkt dieses Kapitels.
Unabdingbar für das Verständnis der Ereignisse und der daraus folgenden Entwicklungen ist allerdings eine Darstellung der politischen Gesamtzusammenhänge, die aus verschiedenen Schriftquellen überliefert sind. Dies gilt insbesondere für die Zeit seit dem 7. Jahrhundert, in der die politischen und militärischen Geschehnisse in den westlich angrenzenden Landesteilen, dem sächsisch / fränkischen Herrschaftsbereich, von wachsender Bedeutung für die östlichen Landesteile Holsteins sind.
Schriftliche Zeugnisse bzw. historische Überlieferungen, die Geschehnisse im Bereich nördlich der Elbe während des 1. Jahrtausends nach Christi Geburt thematisieren, sind rar. Politische und gesellschaftliche Bedingungen geben den Rahmen vor, unter denen Geschichte geschrieben wird. So ist es wenig erstaunlich, dass die wenigen urkundlichen Überlieferungen ausschließlich Grenzziehungen, Konflikte und Dynastisches sowie kirchliche Nachrichten thematisieren. Das Alltagsleben der Bevölkerung, sozioökonomische Ereignisse oder eine Beschreibung der Umweltbedingungen fanden keine oder selten Erwähnung, bei denjenigen, die die Geschichte schrieben oder fiskalische Aufzeichnungen machten.
Für die zweite Hälfte des ersten Jahrtausends kann die Ortsnamenforschung Hinweise für eine Rekonstruktion der geschichtlichen Entwicklung liefern und so finden auch Ergebnisse dieser Wissenschaft Erwähnung im Rahmen dieser Bestandsaufnahme, sie stellt gewissermaßen eine zweite Quellengruppe dar.
Wie schon für den Zeitbereich vor Christi Geburt angeführt, eröffnet die Wissenschaft der Archäologie und die von ihr angewandten Methoden der Naturwissenschaften eine dritte Gruppe der geschichtlichen Quellen. Auch die Rekonstruktion der Geschichte Schleswig-Holsteins beruht bis zum Beginn des Frühmittelalters (ab ca. 700 n. Chr.) zu einem guten Teil auf der archäologischen, bzw. der naturwissenschaftlichen Forschung, auf der Untersuchung und Auswertung von Quellen, die sich innerhalb des Erdbodens befinden.
Römische Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit (1.-6. Jh.)
Der Beginn des neuen Jahrtausends wird bei uns archäologisch-historisch als „Römische Kaiserzeit“ (1. – 3. Jh. n. Chr.) bezeichnet. Das nordelbische Territorium, das die Gebiete des heutigen Schleswig-Holsteins umfasst, findet zu dieser Zeit bei sehr wenigen, ausschließlich mediterranen Autoren eher marginale Erwähnung, die sich zumeist auf die Nennung der hier ansässigen Stämme beschränkt. Nur in wenigen Fällen erlauben diese überlieferten Namen Rückschlüsse auf den historischen Siedlungsraum oder auf Besonderheiten dieser Ethnien.
Die wohl bekannteste Schriftquelle dieser Zeit, sind Aufzeichnungen zu einer Flottenexpedition aus der Zeit des römischen Kaisers Augustus. Diese führte die Römer mutmaßlich um 5. n. Chr. bis zur Elbmündung und von dort aus bis in den Skagerrak04.
In diese Zeit fällt der 1939 in Göldenitz gefundene römische Bronzeeimer, der als Urne für eine germanische Brandbestattung genutz wurde. Dieser zeigt, dass hier im 3. Jahrhundert noch Germanen siedelten und hier offfenbar eine bedeutendere Persönlichkeit begraben wurde.
G. Weinberger
Danach lassen sich die hier erwähnten Sachsen in einem Siedlungsraum nordwestlich der Elbe verorten. Gleiches gilt auch für die Gruppe der Angeln (gen. „Anglii / Angeiloi“), die aufgrund der gleichen Überlieferung im Raum Schleswig ansässig waren.
Eher vage beschreibt der römische Historiker Tacitus in seiner Germania die verschiedenen Gruppen von Bewohnern, die nördlich der Elbe ansässig waren und die, wie er schrieb: „… durch Wälder und Flüsse…“ voneinander getrennt und geschützt seien05.
Schleswig-Holstein war zu Beginn der jüngeren Eisen- und Völkerwanderungszeit eine von Mooren, Seen und Wäldern geprägte, von Menschenhand weitgehend unberührte Naturlandschaft.
Siedlungsarchäologisch lassen sich unterschiedliche Kulturgruppen dieser Zeit in Schleswig-Holstein insbesondere durch einen differenzierten Hausbau und auch durch die eigenständige Formensprache bei der Keramik unterscheiden. Verschiedene Merkmale bzw. die Typisierung erlauben die Unterscheidung kulturell unterschiedlicher Gruppen innerhalb abgegrenzter Territorien, die damit auch die eben zitierte Aussage von Tacitus stützen.
Durch weitere archäologische Untersuchungen bis in die Gegenwart hinein hat sich diese Erkenntnis bis heute weiter verfestigt. Holsteinische Gruppierungen werden aktuell in Ost-, West- und Südholsteinische Gruppen unterschieden. Ihre materielle Kultur hebt sich einerseits deutlich von derjenigen der Anglischen Gruppen ab, die nördlich der Eider ansässig waren, und auch zu der in der Marsch ansässigen Bevölkerung, die diesen Raum seit der Römischen Kaiserzeit besiedelt hatte, werden große kulturelle Unterschiede erkennbar05.
Zugleich beeinflussten die unterschiedlichen Lebensbedingungen innerhalb des Landes aber auch die gemeinsame Wirtschaftsgrundlage, die aus Handel, Ackerbau, Viehzucht und Fischfang bestand. Die geografische Lage am Schnittpunkt von Handelswegen war einer der entscheidenden Faktoren für die Anlage von Handelsorten. Klimatische Besonderheiten und die unterschiedliche Güte der Böden beeinflussten dagegen die Wirtschaftsweise. Die schweren Böden der Marsch begünstigten eher Viehhaltung, die östlich gelegenen Landschaften fruchtbarer Jungmoränenböden waren seit der Verfügbarkeit eiserner Gerätschaften eher für die Landwirtschaft prädestiniert. Tradiert wurde eine Ergänzung der Ernährung durch Jagd und Fischfang, wenn auch in geringerem Umfang im Vergleich zu früheren Zeiten. Gleichwohl wurden auch diese durch die naturräumlichen Gegebenheiten differenziert. Das betraf sowohl die Art des Wildes, wie auch die Methoden der Jagd.
Die revolutionäre Entdeckung dieser Zeit, die Gewinnung des Rohstoffs Eisen aus heimischen Lagerstätten und seine Verarbeitung hat besondere Spuren im ganzen Land hinterlassen. Die umfangreichen Untersuchungen der Schlackenhalden bei Joldelund (Krs. Schleswig) belegen die Eisenverhüttung aus Raseneisenerz in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten.
Von überregionalen Austauschaktivitäten bzw. Handel zeugen römische und fränkische Importfunde aus kaiser- und völkerwanderungszeitlichen Siedlungen und Gräbern. Importware wie auch wertvolle Grabfunde weisen gleichzeitig auf eine gewisse Hierarchisierung innerhalb der Gesellschaften hin11.
So gut wie keine schriftliche Erwähnung mehr findet Nordelbien (Schleswig-Holstein) in der Folgezeit des 3. – 6. Jhts. n. Chr.06 also zum Ende der Römischen Kaiserzeit und in der darauf folgenden Epoche der Völkerwanderungszeit.
Nur mit Hilfe naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden, so z. B. der Pollenanalyse07 wissen wir, dass es zum Ende der Römischen Kaiserzeit vermehrt zu Wüstungsprozessen bestehender Siedlungen und zur anschließenden Waldregeneration auf Wirtschaftsflächen in Schleswig-Holstein kam.
Insbesondere die Pollendiagramme aus dem Bereich des Großen Eutiner See sind die Grundlage der Erkenntnis einer sich stark ausweitenden Waldregeneration während des 4. – 7. Jahrhunderts08. Auf die Primärwaldphase, mit einem hohen Anteil an Birke und Hasel, folgte später die Rotbuche als dominante Art09. Das bedeutet nichts anderes, als das in dieser Zeit der menschliche Einfluss auf die Entwicklung der Landschaft zurückging, dass aus der in Anfängen entstandenen Kulturlandschaft wieder eine Naturlandschaft wurde.
Die geringe Anzahl, über Zeitabschnitte auch das völlige Fehlen schriftlicher Quellen, die Waldregenration in dieser Zeit, die zeitgleich mit dem weitgehenden Fehlen archäologischer Zeugnisse im nordelbischen Raum einhergeht, sind Indizien, die auf einen starken Rückgang der menschlichen Population seit dem 4. Jh. n. Chr. hinweisen.
Der Höhepunkt dieser Entvölkerung wird im östlichen Schleswig-Holstein bis zur Mitte des 5. Jhts, im nördlichen und während des 6. Jahrhunderts im westlichen Landesteil erreicht10. Das deckt sich mit der sehr geringen Anzahl archäologischer Funde aus dieser Zeit.
Wanderungsbewegungen können Teil eines Erklärungsmusters sein, sie müssen und können aber durch weitere, denk- und teilweise nachweisbare Faktoren (innere und äußere) ergänzt werden.
Denkbar sind klimatische Veränderungen11, die mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden nachweisbar sind und die zu den inneren Faktoren gezählt werden. Kühlere, niederschlagsreiche Dekaden zu Beginn des Jahrtausends lassen sich bis in die Völkerwanderungszeit nachweisen, sie hatten auch einen direkten Einfluss auf die Bearbeitungsmöglichkeiten schwerer Böden, beispielsweise im östlichen Holstein. Nach diesem Zeitabschnitt stiegen die Temperaturen kontinuierlich an und erreichten um 1000 ihr Maximum12.
Geringere Ernten und damit Versorgungsmöglichkeiten, sind auch in Verbindung mit der Auslaugung der Böden durch eine Übernutzung denkbar, die mit naturwissenschaftlichen Methoden nachweisbar sind. Die Podsolierung13 der Ackerflächen führten letzten Endes zur nachweisbaren Verheidung weiter Landstriche.
Als äußeren Faktor kann dagegen der in dieser Zeit stattfindende Zusammenbruch des Römischen Reiches angesehen werden. Die daraus resultierenden Fernwirkungen, beispielsweise der Abbruch von Handelsbeziehungen und der damit zusammenhängende Zusammenbruch von Fernwegenetzen, die sich bis weit nach Süden in Bereiche des Orients erstreckten, hatte weitgehende Folgen für die hier lebenden Menschen durch die fehlende Zufuhr von Rohstoffen und das Fehlen bestimmter Handelswaren.
Sicherlich sind zahlreiche Faktoren für den Bevölkerungsrückgang, vor allem in der Kombination verschiedener Ursachen denkbar und damit verantwortlich. Diese sind bis heute (2022) nicht abschließend erforscht. In Summe führten sie aber zur Bevölkerungsarmut weiter Landstriche, partiell auch zur Entvölkerung des nordelbischen Siedlungsraums, der daher für Neueinwanderer offen stand26.
1. Schrifttum – urkundliche Überlieferungen
Auch zu Beginn des Frühmittelalters gibt es zu Ereignissen in und für Schleswig-Holstein nur sehr vereinzelte, schriftliche Überlieferungen. Die ältesten finden sich in Form wikingerzeitlicher Runensteine, vor allem aus dem Schleswiger Raum. Sie bilden gewissermaßen die Frühphase der geschichtlichen Überlieferung für unser Land, geben aber keine Hinweise auf Ereignisse im holsteinisch-lauenburgischen Raum.
Durch schriftliche Überlieferungen, Ortsnamengrenzen und auch durch archäologische Nachweise sind im Bereich des heutigen Schleswig-Holsteins, spätestens seit dem 8. Jahrhundert vier Ethnien belegbar, die sich kulturell stark unterschieden.
Für Sachsen, Friesen, Skandinavier und Slawen war der nordelbische Raum die gemeinsame Kontaktzone, der zugleich auch die Funktion eines Transitraumes zwischen Skandinavien und Kontinentaleuropa innehatte. Dies war insbesondere durch die verkehrsgeografisch günstige Lage im Schnittpunkt zwischen Nord- und Ostsee bedingt.
Das westliche Holstein war im Frühmittelalter Teil des sächsischen Siedlungsgebietes, das sich bis in das heutige Nordrhein-Westfalen und nach Sachsen-Anhalt erstreckte. Die Sachsenkriege Karls des Großen (772-804) erzwangen die Integration der Sachsen in das Frankenreich. Nach der Teilung des Reiches (843) wurde Westholstein Teil des ostfränkischen Reiches. Die Ostgrenze bildete der sog. Limes Saxoniae, die Elbe die Südgrenze.
Die Besiedlung des östlichen Nordelbiens im Frühmittelalter erfolgte durch die Zuwanderung slawisch / wendischer Gruppen im 8. Jahrhundert.
Die Ethnogenese des slawischen „Volkes“ ist ein historischer Prozess, der bis heute nicht abschließend erforscht ist. Konsens besteht darüber, dass die in verschiedenen Quellen als Slawen bezeichnete Gruppen, seit dem 6. Jahrhundert vor allem das östliche Mittel-, Ost- und Südosteuropa bewohnten.
Im östlichen Holstein, dem nördlichsten Territorium der slawischen Landnahme, sind die Teilstämme der Wagrier, Abodriten (i. e. Sinn) und der Polaben belegt. Sie alle gehörten zum Verband der Abodriten (gen. auch Obotriten) und sind über verschiedene Quellen seit dem 8. Jahrhundert nachweisbar. Die nordelbisch slawische Bevölkerung vereinte zwei Sprachgruppen. Die Abodriten sprachen Altpolabisch, die weiter östlich ansässigen „Liutizen“, Altsorbisch.
Früh überliefert ist die ostholsteinisch / lauenburgische Anwesenheit der Slawen durch die Reichsannalen von 789, die den Stamm der Abotriti erstmalig erwähnen15.
Die im 9. Jahrhundert vom fränkischen Gelehrten Einhard verfasste Vita Karoli Magni nennt die hier ansässige Völkerschaft Abodriti. Im 11. / 12. Jh. setzte sich der Begriff Obodriten durch, den der Historiograph Adam von Bremen (*vor 1050-1081 o. 1085†) und der Chronist Helmold von Bosau (* um 1120 – † nach 1177) durchgängig gebrauchten (Obotriti). Eine Eigenbenennung der Slawen ist nicht überliefert.
Von Helmold von Bosau werden die Obotriten im östlichen Holstein explizit im Jahr 798, im Zusammenhang mit der Schlacht bei Bornhöved (b. Bad Segeberg) erwähnt, die zwischen Obotriten (unter Führung fränkischer Legaten) gegen die nordelbingischen Sachsen (Nordliudi) stattfand.
Derselbe Chronist berichtete auch über weitere, zumeist kriegerische Aktivitäten, der hier ansässigen Slawen. So über die Überfälle des 9. und 10. Jahrhunderts auf Hamburg, 1066 von der Plünderung Haithabus und im 11. Jh. von der Zerstörung der slawischen Handelsstadt Vineta.
Hinweise auf die Existenz einer Grenze, die allerdings nicht näher beschrieben wird, finden sich in einer Urkunde König Heinrichs IV., die 1062 ausgestellt wurde und die eine Grenze namentlich erwähnte (Saxoniae Limites)16.. Auch die fränkischen Reichsannalen von 819 erwähnen sog. prefecti an den Grenzen Sachsens, ohne weiter auf die Grenzziehung einzugehen17.
Mehr als zweieinhalb Jahrhunderte später (!) zeichnete der Historiograph Adam von Bremen den genauen Grenzverlauf auf. Ihm verdanken wir die Kenntnis über die nach gängiger Sicht bereits im frühen 9. Jh. vorgenommene Grenzziehung des Limes Saxoniae durch Kaiser Karl den Großen en Detail.
Danach ließe sich die Grenzlinie bzw. ein Grenzkorridor relativ genau nachzeichnen, folgte sie doch weitgehend den Grenzen natürlicher Gegebenheiten, wie Flussläufen oder sumpfigen Niederungen. Beginnend im Süden, bei Boizenburg an der Elbe, folgt der Grenzverlauf dem Flüsschen Delvenau und damit hier zugleich auch der Ost- und Nordgrenze der mittelalterlichen Landschaft Sadelbande. Der weitere Verlauf wurde durch die Trave und schließlich durch die Schwentine bestimmt, die schließlich in die Kieler Förde mündet18.
In der heute verbreiteten Sichtweise wird der Quellenwert dieser exakten Beschreibung des Grenzverlaufs, die teilweise sogar Landmarken bezeichnet, bezweifelt. Die zeitlich sehr viel später vorgenommene, genaue Beschreibung der Grenze durch Adam von Bremen, wird als der Versuch gesehen, Diözesangrenzen zu etablieren. Dafür spricht dessen Engagement für Erzbischof Adalbert und dem sich am salischen Kaiserhaus orientierenden Erzbistum Hamburg-Bremen19.
Der Limes Saxoniae gilt vielen heute als „Interaktionskorridor“ bzw. als Übergangszone und Kontaktraum mit vielfältigen Funktionen, während die bisherige Sichtweise den Limes als linearen Schutzwall mit Verteidigungsfunktion ansprach20.
2. Burgwälle und Herrschaftszentren
Burgwälle aus dieser Zeit gehören zu den auffälligsten Bodendenkmälern im Lande. Sie sind sowohl im sächsischen wie auch im slawischen Gebiet in großer Zahl erhalten. Oft von imposanter Größe und guter Erhaltung, wurden sie vordergründig als militärische Bauwerke errichtet, zugleich waren sie aber auch Herrschaftssitze sowie administrative Zentren.
Nach der Teilung des Frankenreiches 843 verblieb das sächsische Stammesgebiet als Teil des Ostfrankenreichs unter die Herrschaft der Karolinger, bis zum Aussterben dieser Seitenlinie 911. Mit dem Liudolfinger Heinrich von Sachsen wurde erstmals ein Sachse Regent: König Heinrich I. Unter seiner Regentschaft entstanden zahlreiche Ringwälle auf den Anhöhen südlich der Elbe, einige sächsische Burgen nördlich der Elbe blieben in Benutzung oder wurden ausgebaut. Sein Sohn, Otto I. der Große (912-973) war ab 951 König von Italien und ab 962 römisch-deutscher Kaiser.
Die Erbauung sächsischer Burgen, westlich des Limes, lässt sich in geringer Zahl seit dem frühen 9. Jh. (ab 810) nachweisen. In der Mehrzahl wurden sie aber erst in der Zeit deutlich danach erbaut, also erst mit der fränkischen Inbesitznahme des sächsischen Raumes21.
Der Erbauungszeitraum datiert damit deutlich später als der Bau slawischer Burgen im Bereich der Obodriten, die in das frühe 8. Jh. datieren.
Die erste Phase des sächsisch / slawischen Burgenbaus (8., bzw. frühes 9. Jh.), lässt eine Konzentration beiderseits der gedachten Grenzlinie des Limes Saxoniae erkennen. Die für den Burgenbau gewählten Orte geben einen Hinweis darauf, dass es anhaltende Spannung zwischen Sachsen und Slawen gab, auf die frühe Chroniken bereits hingewiesen haben.
In diese Frühphase gehören auch die in der Nähe von Berkenthin gelegenen Anlagen von Nütschau (Stormarn), Klempau und Sirksfelde im Kreis Lauenburg.
Ausgrabungen in den genannten Anlagen erfolgten zumeist nur kleinflächig, die Ergebnisse, in der Verbindung mit Oberflächenfunden ergeben jedoch ausreichende Anhaltspunkte für die vorgenommene Zeiteinstufung.
Die archäologischen Datierungen sprechen für eine Aufgabe der bestehenden Burgen, auf beiden Seiten der Grenzlinie in der zweiten Hälfte des 9. Jhts. Während des späten 10. Jhts. beträgt der Rückgang der Burgen auf slawischer Seite ca. 90%. In Lauenburg kommt es abseits alter Siedlungen im Bereich der Altburgen zur Gründung neuer, offener Siedlungen, zur Aufsiedlung des Territoriums22.
Dieser Zeitpunkt ist gleichzeitig der Beginn einer zweiten Phase des Burgenneubaus, bzw. des –Ausbaues weniger, bereits bestehender Anlagen. Das gilt gleichermaßen für östliche wie auch für westliche Landesteile. Die örtliche Verlagerung der Wehranlagen und die starke Verringerung der Anzahl, zugunsten weniger, zentraler Orte werden heute als Ausdruck einer Verlegung bzw. Veränderung der Machtverhältnisse interpretiert.
Aufgrund der nun besseren Quellenlage der schriftlichen Überlieferungen, lassen sich diesen Herrschaftszentren und auch Namen, wie z. B. die der Billunger, zuordnen23.
Herrschaftszentren im östlichen Holstein
Auch auf der östlichen Seite des Limes, auf der slawischen Seite, kommt es zu einer mehrstufigen Entwicklungsphase, die heute ebenfalls als ein Hinweis auf die Veränderung der Machtverhältnisse, im Sinne einer Konzentration der Macht, gedeutet wird. Ältere Anlagen werden zugunsten weniger Zentren aufgegeben.
Unter der Regentschaft von Otto I. (der Große) erfolgte eine Erweiterung des Reichsgebietes Richtung Osten. Die Ernennung von Aldadag zum Erzbischof von Hamburg-Bremen (937) führte zeitnah zur Bildung des neuen Missionsbezirks wendisch Oldenburg. Es ist der Beginn einer parallelen, machtpolitischen und klerikalen Entwicklung, die sich auf die Missionsgebiete Oldenburg, Ratzeburg und Mecklenburg bezog. Die erweiterten Grenzbezirke des Reiches wurden in Marken (Grafschaften) aufgeteilt, deren Schutz Markgrafen übertragen wurden.
Vor dem Hintergrund dieser politischen Abläufe entwickelten sich drei dieser Burgen im östlichen Holstein in den folgenden Jahrhunderten zu Zentralorten: die „Aldinburg“ (Oldenburg / Starigard), die spätere, slawische Königsresidenz Liubice an der Trave / Schwartaumündung und die „Racesburg“ (Ratzeburg) im Siedlungsbereich der Polaben, im Bereich des heutigen Ortes im Kreis Lauenburg.
„Aldinburg“ ist der überlieferte Name des nord-westlichsten Fürstensitzes der Slawen (a. d. slaw. Starigard = Alte Burg). Der Burgplatz, auch heute noch von eindrucksvoller Größe, liegt im östlichen Wagrien, am Rand des heutigen Ortes Oldenburg in Holstein. In seiner Funktion als Regierungsort und bedeutender Handelsplatz für den Ostseehandel übte er eine zentrale Funktion im 11./12. Jahrhundert aus, die durch die Ergebnisse jahrzehntelanger Ausgrabungen bestätigt wurden.
Nichts lässt heute mehr die herausragende, frühere Bedeutung eines anderen Burgwalls erkennen. Der heute flache, stark abgetragene Burgwall von Alt Lübeck (Liubice / Alt-Lübeck) liegt an der Einmündung der Schwartau in die Trave. Der Baubeginn der ursprünglichen Anlage im Jahr 730, gilt archäologisch als gesichert. In der Folgezeit des späten 8. – 10. Jhts. entwickelte sich Alt Lübeck zu einem sog. Zentralort mit angeschlossener Handwerker- und Kaufmannssiedlung, die durch Ausgrabungskampagnen belegt werden konnten. Der Ausbau des Ringwalles erfolgte spätesten seit Mitte des 11. Jahrhunderts und wurde bis zum Beginn des 12. Jahrhunderts fortgeführt.
Weiter südlich, im heutigen Lauenburg, nordöstlich des Ortes Hammer / Panten, lag die Hauptburg der zu den Abodriten gehörenden Polaben24. Die naturräumliche Lage begünstigte die Lage einer Burg. Die Einmündung der Steinau in die Stecknitz bildete für sich schon einen Schutz. Zugleich ist an dieser Stelle die Bildung einer Furt zu vermuten, hat sich doch der Steinaubach tief durch das umgebende Moränen-Lockermaterial gegraben. Zudem war das umgebende Gelände sumpfig und damit nur schwer gangbar.
Die Überreste diese Burgwalls finden sich heute unmittelbar am Elbe-Lübeck-Kanal, heute „Hammerburg“ oder „Steinburg“ genannt. Auch die Reste slawischer Siedlungen finden sich in unmittelbarer Umgebung der Burg.
Seiner Ausdehnung nach ist dieser Siedlungs- und Burgplatz durchaus mit den Handelszentren Ralswiek und Menzlin (Mecklenburg) zu vergleichen25.
Archäologische Funde aus der Burg und von nahe gelegenen slawischen Siedlungsplätzen belegen eine frühslawische Besiedlung vom 8. bis ins 10. Jh. Dabei finden sich deutliche Hinweise auf einen intensiven Fernhandel mit westlicher Importware. Hier sind insbesondere Scherben von typischen Kugeltöpfen, Muschelgruskeramik aus dem friesischen Küstenraum und Mahlsteine aus Basaltlava aus dem Eifelraum zu nennen26.
Im Zuge der spätestens im 10. Jahrhundert auch hier stattfindenden Machtkonzentration im slawischen Machtbereich, wurde diese Burg gemeinsam mit anderen Befestigungen (Oldenburg (Lbg.), Farchau, Klempau u. a.) zu Gunsten der neuen Hauptburg, beim heutigen Ort Ratzeburg aufgegeben.
Ausweislich weniger Keramikfunde befand sich hier zum Zeitpunkt der Verlegung des Machtzentrums eine slawische Burg, von der sich heute keinerlei Reste mehr erhalten haben. Strategisch günstig auf einer Insel im Ratzeburger See gelegen, die unmittelbar vor der heutigen Stadtinsel liegt, bildete sie fortan den zentralen Ort des slawischen Polabiens, war jedoch ausweislich schriftlicher Überlieferungen im späten 11. Jahrhundert bereits Herrschaftssitz der (deutschen) Billunger. Im Spät- und Hochmittelalter zu einer herzoglichen Schlossanlage an gleicher Stelle ausgebaut, erfolgten der Abriss und die Einebnung im Jahre 1690.
Ringwall und die spätere Schlossanlage gelten heute als die Keimzelle der Stadt Ratzeburg.
Der Name Ratzeburg wird gemeinhin auf den slawischen Fürsten Ratibor († spätestens 1043) zurückgeführt. In der im 14. Jh. erschienenen Chronica Poloniae maioris wird Ratzeburg (Rathibor castrum) als eines der Zentren des nordwestlichen Slawenlandes bezeichnet27. Laut Adam von Bremen soll Fürst Ratibor Christ gewesen sein28.
Die früheste Erwähnung findet das „castellum Racesburg“ 1062, in der bereits erwähnten, von König Heinrich IV. in Worms ausgestellten Schenkungsurkunde. Die Existenz und der Inhalt der Urkunde bestätigen mehrere Sachverhalte. Zum einen das Bestehen einer Burganlage am Ort der (Ratze)burg, in der Markgrafschaft des Herzogs Otto. Des Weiteren wird der Herrschaftsanspruch auf die umliegenden Ländereien der Burg beschrieben, die explizit Polabien genannt werden. Damit ist Polabien verwaltungstechnisch der Ratzeburg zugeordnet und wird explizit als Mittelpunkt eines geschlossenen Herrschaftsbereichs genannt29. Drittens war ausweislich der genannten Urkunde der sächsische Billunger Herzog Ordulf (Otto) der erste Herrscher christlichen Glaubens, der von König Heinrich IV. (Salier) mit der von Slawen erbauten Ratze(burg) belehnt wurde30.
Unter der Regentschaft Herzog Ordulfs erfolgte der Ausbau der Burg zum Verwaltungszentrum der hier lebenden, wohl zum Teil schon christianisierten Polaben.
Die Rahmenbedingungen für diese Entwicklung waren günstig. Sie fanden unter der Ägide des slawisch-christlichen Fürsten Gottschalk statt, der 1043 nach dem Tode Ratibors, die Samtherrschaft über den Verband der Abodriten eroberte und dabei die Kirche bei dem Versuch unterstützte, die Slawen zu christianisieren.
Adalbert von Bremen (um 1000-1072) wurde 1044 von Kaiser Heinrich III. zum Erzbischof von Bremen ernannt. Dieser ernannte Aristo in Ratzeburg zum ersten Bischof des slawischen Polabenlandes (das in etwa dem heutigen Kreis Lauenburg entspricht). Ansverus wurde der erste Abt des Benediktinerklosters, das wahrscheinlich auf dem Ratzeburger St. Georgsberg lag.
Das ab April / Mai 1062 errichtete Bistum Ratzeburg fand sein Ende mit dem gentilreligiösen Aufstand der slawischer Abodriten und Wilzen, die sich unter der Führung der Liutizen gegen die deutsche Herrschaft erhoben. Eine weitere Erwähnung findet das zu der Zeit slawische Ratzeburg bei Adam von Bremen, der den Tod von Ansverus am 15. Juli 1066 auf dem Rinsberg bei Einhaus über dem Ratzeburger See erwähnt.
Mit der Ermordung Gottschalks (1066) in Alt-Lübeck und dem Märtyrertod des Ansverus bei Ratzeburg im gleichen Jahr, brach das Missionswerk im östlichen Holstein zusammen.
Hervorgerufen wurden diese Ereignisse durch die innere Schwächeperiode des Reiches zu dieser Zeit, in der die Salier gegen die Sachsen kämpften. In der Folge wurden auch Teile der Bevölkerung im Siedlungsbereich der Polaben, nicht aber die Bewohner der Ratzeburg selber, wieder heidnisch.
Der geografische Machtbereich rund um die Ratzeburg ist durch Siedlungen geprägt, die eine sehr unterschiedliche Entstehungsgeschichte haben.
Südlich von Ratzeburg liegt die sog. Sadelbande31, die heute als deutsch-slawischer Kontaktraum angesehen wird32. Ausweislich der Keramikfunde waren die hier gelegenen Siedlungen zwar slawische Gründungen, es finden sich aber auch (archäologische) Belege für eine zeitgleiche oder spätere deutschrechtliche Besiedlung.
Im Unterschied dazu sind zahlreiche Dorfgründungen in der Umgebung von Ratzeburg eher rein deutschrechtlich einzuordnen. Dazu gehören z. B. das westlich gelegene Harmsdorf („Dorf des Hermann“), Giesensdorf und Albsfelde. Lediglich auf der Ratzeburger Stadtinsel selbst wurde spätslawische Keramik in nennenswerter Anzahl gefunden33. Damit unterschied sich der Siedlungsraum rund um die Ratzeburg fundamental von der Vorgängerburg, der Hammerburg an der Steinau bei Panten, die das Zentrum eines rein slawisch geprägten Siedlungs- bzw. Kulturraumes war.
Die deutschrechtlichen Dorfgründungen vor 1143 sind zugleich ein weiterer Anhaltspunkt für eine frühere Christianisierung dieses Raumes, was den Angaben Helmolds von Bosau widerspricht, der das Datum 1143 für den Beginn der Christianisierung angibt.
Die frühe Herrschaft der Billunger in der Ratzeburg (Mitte des 11. Jahrhunderts), die 1062 gefertigte Urkunde Heinrich IV., der Polabien damit den Billungern überließ und die überlieferten, frühen Missionsbemühungen sind Indizien für eine bis zu 100 Jahre frühere Christianisierung Polabiens, zumindest von Teilen der Bevölkerung.
Die Rückschläge bei der christlichen Glaubensmissionierung heidnischer Bewohner durch die Slawenaufstände während des späten 11. Jahrhunderts, bilden für diese Annahme keinen Widerspruch.
Der anschließende Kampf heidnischer Slawen gegen die erneut angestrebte Samtherrschaft der christlichen Nakoniden, die von vielen adligen Abodriten und paganischen Priestern wegen der damit einhergehenden Tribut- und Glaubensverpflichtungen abgelehnt wurde, kulminierte in der Schlacht bei Schmilau (1093). Die aufständischen Slawen, darunter auch die Polaben, unterlagen dem christlichen Slawenfürsten Heinrich, Sohn des 1066 bei einem Aufstand seiner heidnischen Untertanen getöteten christlichen Abodritenherzogs Gottschalk.
Die Chronica Slavorum des Helmold von Bosau entstand erst um 117034. Ihr verdanken wir eine Fülle von Informationen zu den Ereignissen dieser Zeit im östlichen Holstein.Selbstverständlich vertrat auch Helmold von Bosau als Kirchenmann nicht nur eine kirchliche Sicht seiner Texte, sondern auch kirchliche Interessen, die stets eine Nähe zu der herrschenden kirchlich, politischen Führung erkennen lassen. Der schon beschriebene, anhaltende Historikerstreit über den Verlauf des Limes Saxoniae, und die damit verbundene unterschiedliche Interessenlage ist dafür nur ein Beispiel.
3. Die Ortsnamen
Die sprachlich unterschiedlichen Siedlungsgebiete der vier nordelbisch ansässigen Bevölkerungsgruppen, der Friesen, Skandinavier, Sachsen/Franken und der Slawen lassen sich auch heute noch anhand frühmittelalterlicher, bis in die Gegenwart überlieferter Ortsnamen erkennen.
Die Ortsnamenforschung gibt Hinweise auf die historische Besiedlung bzw. auf die sprachliche und kulturelle Entwicklung der jeweiligen Landschaft.
Viele Siedlungsnamen im westlichen Holstein, weisen auf einen sächsisch/fränkischen Ursprung hin, Siedlungsnamen im östlichen Holstein lassen einen eher slawischen, bzw. deutschrechtlichen Ursprung vermuten.
Beispielhaft soll die Namensgebung lauenburgischer Orte, rund um das „castellum Racesburg“ (Ratzeburg), an dieser Stelle näher betrachtet werden.
Die Orte slawischer Besiedlung sind im Kreis Lauenburg nach Trautmann, entlang der Flüsse Lin-Au, der Steinau, bzw. entlang ihrer Nebenläufe, gut zu erkennen35. Das gleiche gilt für die Flüsse Stecknitz und Delvenau, wo der Beginn der slawischen Besiedlung in Lauenburg vermutet wird36.
Die Häufung früh- bis spätslawischer Ortsnamen entlang der Flussläufe ist auffallend. Beispielsweise gehören die Namen rund um den Ort Berkenthin, wie Göldenitz, Anker und Panten zu den älteren slawischen Ortsnamen. Jüngere sind Groß Berkenthin, Kulpin und Lankau. Dazu kommen eine Reihe weiterer Ortsnamen, deren Alter nicht bestimmt werden kann, Kühsen und Mölln gehören dazu.
Gleiches gilt auch für die Besiedlung des Raumes rund um die slawischen Burgen. Auffallend ist beispielsweise die Zahl slawischer Siedlungen rund um den slawischen Burgwall Farchau. Farchau, Schmilau und Dermin gehören in die Reihe jüngerer slawischer Ortsnamen. Sie stehen im Kontrast zur Namensgebung rund um (die) Ratzeburg, die einen eher deutschrechtlichen Hintergrund haben.
Auch überlieferte Gemarkungsnamen geben Hinweise auf frühe Siedler. Das „Wendefeld“, gelegen im Südostzipfel der heutigen Berkenthiner Gemarkung, an der Kulpiner Grenze, kann ein Hinweis auf frühe slawische Siedeltätigkeit evtl. sogar ein Hinweis auf eine wüst gefallene slawische Siedlung sein37. Archäologisch lässt sich dies allerdings nicht belegen, aussagekräftige Streufunde in ausreichender Zahl liegen bisher nicht vor.
Der Beginn des 13. Jahrhunderts brachte eine sprachliche Zäsur. Sie wurde durch den massiven Zuzug neuer, deutschstämmiger Bevölkerungsgruppen hervorgerufen. Sie trafen auf eine, nach Slawenaufstand und Wendenkreuzzug nur noch in geringer Zahl vorhandene slawische Restbevölkerung. Beide Gruppen gingen in den Deutschen auf (Ostsiedlung in der Germania Slavica).
Es gibt Hinweise darauf, dass spätere deutsche Einwanderer die alten slawischen Siedlungsnamen übernahmen und diese „eindeutschten“. Typisches Beispiel dafür sind Ortsnamen auf „-itz“ aus slawischen Namen, die das Suffix „…ica“ trugen38. Weitere typische Endungen slawischer Ortsnamen lauten auf –in und -ow.
Deutsche Ortsnamen aus der Zeit der Ostkolonisation des 13. Jhts. rund um Berkenthin sind Rondeshagen, Hakenbek und Niendorf und Hollenbek. Auffallend ist die Häufung Deutscher Ortsnamen um Ratzeburg, ausgehend von der Linie über Buchholz, Einhaus, Harmsdorf, Albsfelde – sie sind ein Hinweis auf die frühe Kolonisation durch deutsche Zuwanderer.
4. Archäologisch-naturwissenschaftliche Forschung zur Besiedlungsgeschichte
Der archäologische Nachweis der slawischen Besiedelung im östlichen Nordelbien, also Ostholsteins und Lauenburgs, gelingt ab der Mitte des 8. Jahrhunderts39.
Die Etablierung und Konsolidierung der slawischen Einwanderung hier im Lande erfolgte über verschiedene Phasen, die sich archäologisch / naturwissenschaftlich belegen lassen. Zum Ende der Zeit unter slawischer Regierungsherrschaft wird die Entwicklung hin zu reichsähnlichen Strukturen, mit dynastischer Grablege erkennbar, sicher nachgewiesen in Alt-Lübeck40.
Nach der schon beschriebenen Waldregeneration während des 4.-6. Jhts., zeigen die Pollendiagramme für die nachfolgenden Jahrhunderte deutliche Veränderungen, die auf eine Neubesiedlung des Schleswig-Holsteiner Raumes hinweisen41. Auffällig ist die sich verändernde, relative Häufigkeit der verschiedenen Pollenkörner, die auf eine veränderte Vegetation hinweisen. Sie spiegeln die zunehmenden Waldrodungen wider, die durch die zugewanderten Ethnien vorgenommen wurden, um neue Wirtschaftsflächen anzulegen. Sie bleiben aber insgesamt, das sei hier zeitlich vorweggenommen, gering, gegenüber denjenigen Eingriffen, die während der nachfolgenden sog. „Deutschen Ostkolonisation“, während des 12./13. Jhts. vorgenommen wurden.
Auch dendrochronologisch42 und mit Hilfe von gleichlautenden C14 – Daten43 lässt sich der Zeitpunkt der slawischen Zuwanderung in Holstein gut belegen. Entsprechende Daten wurden aus den hölzernen Wallkonstruktionen von Alt-Lübeck an der Trave (730 n. Chr.) sowie aus dem Bohlenweg im Klempauer Moor (760/61) bestimmt. Weitere derartige Datierungen stammen aus Siedlungsfunden, so aus der Untersuchung eines slawischen Dorfes bei Bosau (um 726).
Das sächsisch / fränkische Gebiet ist gegenüber dem slawisch besiedelten in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends wie auch in der Jahrtausendwende deutlich abzugrenzen. Das gilt sowohl hinsichtlich der geografischen Lage der Siedlungsplätze, wie auch in der materiellen Kultur, die bei Ausgrabungen sichtbar wird.
Slawische Siedlungsplätze lagen durchweg in unmittelbarer Nähe von Seen, Flüssen oder Bachläufen. Auch hier werden die leichteren Böden, oftmals auf vorspringenden Landzungen oder Inseln, die einen natürlichen Schutz boten, bevorzugt44.
Im Raum der nordwestslawischen Besiedlung (Ostholstein / Lauenburg) wurden Siedlungsplätze hauptsächlich meist nur ausschnitthaft, zumeist im Umkreis der Burgen ergraben. Die Ergebnisse deuten auf die seinerzeit vorherrschende Bauweise von Blockbauten hin, die nur geringe oder gar keine archäologisch erkennbaren Spuren hinterlassen. Auch die Reste hier vorkommender, sog. Grubenhäuser hinterließen nur geringe Spuren.
Derartige, pfostenlose Konstruktionen aus dieser Zeit wurde in neuerer Zeit bei einer Grabung in Lübeck-Kücknitz entdeckt45. Es handelt sich um dunkle Verfärbungen, die sich in den eiszeitlichen Sanden gut abheben.
Eine Ausnahme in der Erhaltung bildete die Entdeckung eines Handwerkerhauses durch W. Neugebauer, das er während einer Grabungskampagne zwischen 1951-53 dank günstiger Erhaltungsbedingungen (Feuchtbodenerhaltung) freilegen konnte46.
Es handelte sich um die Überreste eines slawischen Handwerkerhauses in Alt-Lübeck. Sie ermöglichen einen genaueren Einblick in die Bautechnik slawischer Häuser jener Zeit. Das Haus eines Drechslers, gelegen im Vorfeld der Burg, hatte eine Größe von etwa 4×4 Metern. Es war aus Eichenstämmen errichtet, welche auf einem Fundament aus Rundhölzern ruhten.
Nach Kersten begann die slawische Besiedlung Lauenburgs von Norden her über die Stecknitz hin zur Delvenau47. Die Anlage von drei Burgen in unmittelbarer Nähe dieser Siedlungskammer, die Oldenburg bei Alt-Horst, die Hammerburg und die Ratzeburg, wertete er als Indiz für diese Annahme.
Das Gros der bekannten Siedlungen im Lauenburgischen liegt bis in die spätslawische Zeit hinein, östlich der von den beiden Flüssen gebildeten Linie, südlich von Berkenthin. Siedlungskonzentrationen finden sich um den Schaalsee, um die slawischen Burgen Ratzeburg, Farchau und die Hammerburg (Panten).
Die Ortsnamenforschung unterstützt diese Beobachtung ebenso wie die Konzentrationen slawischer Funde an bestimmten Plätzen, die zumeist als Streufunde über einen längeren Zeitraum gesammelt wurden.
Über eine grob mögliche Aussage zur Ausdehnung der Siedlungsplätze und zur Datierung in früh-, mittel- und spätslawische Keramik hinaus, sind die Aussagemöglichkeiten begrenzt. Ausgrabungen im Siedlungsbereich fanden bisher nur im Kontext von Burgenuntersuchungen, als Notgrabungen oder als sehr kleinflächige Sondierungen statt.
Die dabei gefundene slawische Keramik ist handgeformt und unverziert, die spätere erkennbar mit der Töpferscheibe hergestellt und häufig verziert.
Im Lauenburgischen datierte Kersten mindestens 20 slawische Siedlungsplätze, ausweislich der hier gefundenen Keramik, als ältere Gruppe, also als frühslawisch48. Daneben sind zahlreiche weitere, jüngere Siedlungen durch Keramik belegt.
Andere Funde aus Duvensee, Güster, Klempau, Mölln, Mustin, Müssen, Niendorf, Ratzeburg und Salem zeigen typische Wellenmuster, Gurtfurchen und Riefenverzierungen. Dazu kommen einige Scherben mit schmaler Randlippe und Fingernagelverzierungen. Sie werden zumeist in die spätslawische Zeit des 10./11. Jhts. datiert.
Die 1949 innerhalb des Burgwalles Sirksfelder Wallberg von K. Langenheim67 ausgegrabene Keramik datiert in zwei unterschiedlichen Altersstufen. Die ältere, eisenzeitliche Keramik unterscheidet sich deutlich von einer zweiten Gruppe, die Langenheim als sächsisch ansah49. Sowohl die Keramik, wie auch die Bauweise des Ringwalles werden heute jedoch als slawisch eingestuft.
5. Handel – Netzwerke – Wege
Seit dem frühen 7. Jh. war der nordelbische Raum durch eine hohe Wirtschaftsdynamik geprägt, die sich mit geografischen Verlagerungen im 10. Jh., bis in das 12. Jahrhundert durchgängig verfolgen lässt.
Schleswig-Holstein ist, bedingt durch seine geografische Lage zwischen zwei Meeren, von alters her sowohl Verbindungsbrücke nach Nordeuropa wie auch für das mitteleuropäische Festland gewesen. Das im Süden gelegene Land Lauenburg als Teil der Kimbrischen Halbinsel besitzt darüber hinaus eine naturräumlich bedingte Scharnierfunktion. Anders als heute waren Händler und Fuhrleute in der Vergangenheit gezwungen, sich an der örtlichen Geografie bzw. am Relief des Bodens zu orientieren. Anhöhen wurden, wo möglich, umfahren, feuchte Niederungen gemieden, für eine Flussquerung war eine Furt vonnöten.
Verkehrstechnisch ist das Land Lauenburg insbesondere durch zwei natürliche, geografische Faktoren begünstigt. Zum einen verlaufen hier inmitten einer von zahlreichen Moränen geprägten Landschaft, von Norden aus Richtung Lübeck kommend, zwei Rinnen Richtung Süden, die kleinen Flüssen und Wegen Platz boten. Die Rinnen sind Relikte der letzten Eiszeit, Abflussrinnen für Schmelzwässer in Richtung Elbe. Zum zweiten boten die in Richtung West-Ost verlaufenden, flachen Sander Lauenburgs gute Möglichkeiten der Befahrbarkeit für den Handel in gleicher Richtung. Die naturräumlichen Voraussetzungen waren der Grund, dass mehrere Fernwege durch das lauenburgische Land verliefen, Flüsse und natürliche Wegegegebenheiten nutzten und dabei mehrere Schnittpunkte für den Handel über Land bildeten.
Dazu wurden auch mehrere Flüsse seit alters her als Handelswege genutzt. Für Lauenburg hatten die Stecknitz, die Delvenau und die Elbe eine große Bedeutung für den Handel und die Besiedlung, weil diese sehr oft zuerst entlang der Flüsse erfolgte. Insbesondere die Elbe verband als überregionaler Wasserweg Lauenburg in westlicher und östlicher Richtung.
Bis auf den heutigen Tag prägt diese Geografie Handel und Warenverkehr in Norddeutschland, auch wenn frühere, natürliche Flüsse zu Verkehrswegen ausgebaut wurden und Landhindernisse heute technisch überwunden werden können.
Die Rekonstruktion alter Wegtrassen und ihre Altersdatierung sind nicht einfach. Aus dem Blickwinkel moderner Fahrzeugtechnik und der in der Neuzeit entstandenen Infrastruktur ist Lauenburg, als Teil der norddeutschen Tiefebene einfach zu queren. Nur an Stellen, an denen später keine Bewirtschaftung oder Bebauung stattfand, meistens in Waldgebieten, haben sich Relikte alter Wege, beispielsweise Hohlwege und tief eingefahrene Wegspuren erhalten. In vielen Fällen folgen heutige Straßen historischen Trassen, die historischen Vorläufer wurden bis zur Unkenntlichkeit überbaut bzw. zerstört.
Der Autofahrer, der heute von Berkenthin kommend Richtung Ratzeburg auf der Landstraße Richtung SO fährt, bemerkt kaum noch, das hier das Gelände stark ansteigt, weil der in der Nachkriegszeit angelegte Straßendamm die Höhenunterschiede ausgleicht. In einem Waldstück rechts der Straße finden sich noch die Reste alter Wegespuren, die tief eingeschnitten sind.
Weitere Hinweise auf den Verlauf alter Wege lassen sich aus der Fundverteilung archäologischer Funde und Befunde erahnen, die in der Landesaufnahme verzeichnet sind. Gleiches gilt auch für die Relikte ehemaliger Burganlagen. Ihre Lage wird meistens unter Gesichtspunkten der Verteidigung bestimmt aber eben auch durch wirtschaftliche Aspekte. Die Lage an einer Furt, einem Grenzübergang oder an der Kreuzung bedeutender Wege mit der Möglichkeit Wegezölle zu erheben, waren maßgebliche Gesichtspunkte bei ihrer Errichtung.
Noch schwieriger als den Verlauf alter Wegespuren zu rekonstruieren ist es, dieselben zu datieren, fehlt es hier doch meist an Funden und Befunden aus ihrem unmittelbaren Bereich. Kersten war der Auffassung, dass: „… die meisten der aus dem Mittelalter urkundlich überlieferten Hauptverbindungsstraßen bis weit in die Vorzeit zurückreichen…“50.
Für die Slawenzeit, von ca. 700 bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts hat u. a. Herrmann wichtige Fernwege in Ansätzen rekonstruiert. Der Bereich Lauenburg / Ratzeburg, Mölln wird zum einen durch den Nord-Süd- Fernweg tangiert, der von Norden kommend, am Hochufer des Ratzeburger Sees bis nach Fredeburg und von hier aus in südwestlicher Richtung durch das Voßberggebiet Richtung Hammer / Steinburg verlief. Die hier einstmals vorhandene Furt durch die Stecknitz war ein zentraler Anlaufpunkt für mehrere Wege. Weiter in Richtung Süden verlief der Weg westlich der Delvenau und führte Richtung Artlenburg. Die an dieser Stelle einstmals vorhandene Furt war ein wichtiger, gesicherter Elbübergang um nach Bardowick / Lüneburg zu gelangen.
Von gleicher Bedeutung war der in Richtung West-Ost Fernweg, aus Richtung Hamburg kommend. Er führte entlang der Bille in Richtung Panten / (Hammerburg) über Albsfelde nach Ratzeburg, weiter in Richtung Wismar51.
Auffallend ist der Kreuzungspunkt der beschriebenen wichtigsten Fernhandelsrouten am slawischen Burg- und Siedlungsplatz Hammer, nördlich von Mölln, der die schon hervorgehobene Bedeutung dieses Platzes unterstreicht. Die auch heute noch erkennbaren Niederungswiesen, ehemals Feuchtwiesen, nördlich von Mölln, die die Stecknitz zur Bildung zahlreicher Mäander veranlasste, war ein großes Hindernis für den damaligen Handelsverkehr. Die beste Möglichkeit einer Querung gab es bei Hammer (!), weil sich das Flusstal hier auf einer Strecke von 200 m verengte und der nördlich einmündende Steinaubach die Voraussetzung zur Bildung einer Furt geschaffen hatte, wie das tief eingeschnittene Erosionstal des Bachbettes erkennen lässt. Beranek verortete die Lage der Furt 50 m flussabwärts der Einmündung der Steinau, am östlichen Stecknitz-Uferrand52. Hier befindet sich noch heute ein deutlicher, hohlwegartiger Geländeeinschnitt, der keine Verbindungen zu heutigen Wegführungen aufweist und daher das Relikt einer frühgeschichtlichen Trasse sein könnte.
Die Stecknitz selbst könnte ab Panten / Hammer Teil eines Wegesystems für kleinere Schiffe gewesen sein, so sie denn genug Wasser führte. Zu Zeiten des sog. hochmittelalterlichen Klimaoptimums, also einer warmen Phase, die durch geringe Niederschläge geprägt war, hat die Stecknitz einen nur geringen Wasserstand gehabt53.
6. Bestattungen – Wege ins Jenseits
Bestattungsplätze aus slawischer Zeit sind im Lauenburgischen kaum bekannt. Ursächlich dafür ist, dass sie außerhalb von Siedlungen kaum einmal entdeckt werden. In Analogie zu weiter östlich gelegenen slawischen Siedlungsgebieten wird auch für diesen Raum von einer Beigabenarmut der Gräber ausgegangen. Bei der Bestattungsform in der Zeit vom 8. – 10. Jh. handelt es sich um Brandschüttungs- bzw. Brandgrubengräber54 die nur von flachen Hügeln bedeckt waren55. Der darauf folgende Übergang zur Körpergrabsitte des späten 10. und des 11. Jhts. steht offenbar im Zusammenhang mit der Christianisierung in dieser Zeit. Dynastische Grablegen wie in Alt-Lübeck, sind aus dem Lauenburgischen aus dieser Zeit nicht bekannt.
Neben Dänen, Friesen und Sachsen hatten auch die Slawen eine polytheistische Glaubensvorstellung, die sich im holsteinischen Raum bis in das 12. Jahrhundert belegen lässt und die auch der Chronist Helmold v. Bosau beschreibt.
Unter Kaiser Otto I. begann die Christianisierung der Nordwestslawen über die Erzbistümer Magdeburg und Hamburg. Eine punktuelle Missionstätigkeit wird im östlichen Holstein, im slawischen Siedlungsbereich, frühestens im 10. Jh. erkennbar. Wie bereits erwähnt geben bestimmte Ausgrabungsfunde in Starigard / Oldenburg Hinweise auf diese Entwicklung.
Ein weiteres Missionszentrum hat sich in Alt-Lübeck befunden. Archäologisch konnten die Reste zweier christlicher Kirchen des späten 11. / frühen 12. Jahrhunderts mit dynastischen Bestattungen nachgewiesen werden.
In Lauenburg entstehen um 1060 mit Ratzeburg und Mecklenburg weitere Bistümer. Auch sie waren eher Ausdruck punktueller Missionsbemühungen, weil breitere Bevölkerungsschichten zunächst nicht erfasst wurden und diese im paganen Glauben verharrten. Die Kämpfe bei Schmilau (1093) symbolisieren ein letztes Aufbäumen des Paganismus aber auch der politischen Herrschaft der Slawen (Abodriten / Polaben). Sie unterlagen den Sachsen und ihren Verbündeten, die unter dem Befehl der christlichen Befehlshaber Heinrich von Alt-Lübeck und Herzog Magnus von Sachsen standen.
Der Ausgang der Schlacht war somit auch der Ausgangspunkt der flächendeckenden Übernahme der christlichen Religion in Lauenburg, im 12. Jahrhundert durch die Breite der Bevölkerung.
7. Deutsche Ostkolonisation – Ostholstein / Lauenburg im 12./13 Jh.
Das 11. und 12. Jahrhundert war durch ein starkes Bevölkerungswachstum gekennzeichnet, das ursächlich für die Erschließung neuer Siedelgebiete und damit für die deutsche Ostsiedlung war. Technische Innovationen wie die Dreifelderwirtschaft, die zu verbesserten Getreideerträgen führten, bei einem insgesamt wärmeren Klima (sog. mittelalterliche Warmzeit) waren die Grundlagen dieser Entwicklung.
Für Schleswig-Holstein stehen schriftlich überlieferte Nachrichten spätestens seit der Mitte des 12. Jh. in ununterbrochener Überlieferung zur Verfügung. Erst hier beginnt der eigentliche „Eintritt“ Schleswig-Holsteins in die geschichtliche Zeit.
Das Ende der slawischen Herrschaft im Bereich Ostholstein / Lauenburg stellt eine scharfe Zäsur dar, die alle Lebensbereiche erfasste. In der neueren Geschichtsschreibung wird sie mit dem Begriff der „Deutschen Ostkolonisation“56 verbunden. Sie geht mit einem tiefgreifenden sozioökonomischen Wandel einher. Ausdruck diesen Wandels ist die Urbanisierung, das Aufkommen eines neuen Burgentyps (Turmhügelburgen) sowie einer völlig neuen Sachkultur, die sich vom Hausbau über Gebrauchsgegenstände, bis hin zur Form der Bestattung erstreckt. Es ist der Beginn des christlichen Mittelalters!
Der radikale Wandel, der alle Lebensbereiche umfasste, spiegelt sich auch in den schriftlich-historischen Überlieferungen wider.
Eine derartige Zäsur stellt auch das in lateinischer Sprache und nach Kirchspielen geordnete Ratzeburger Zehntregister von 1230 dar. Erstmalig wurden die annähernd 400 Dörfer der Landkreise Herzogtum Lauenburg sowie Ludwigslust-Parchim und Nordwestmecklenburg, erfasst. Namentlich aufgeführt wurden die umfangreichen Lehen des Bistums Ratzeburg, die in den Dörfern verlehnten Zehnten und die Namen der Lehnsmänner. Damit ist es die wohl wichtigste historische Quelle Raum Ratzeburg / Lauenburg, die den Stand des Landausbaus in dieser Zeit wiedergibt.
Die Pollendiagramme holsteinischer Seen belegen einen radikalen Wandel im ausgehenden 13. Jh., der durch eine radikale Landschaftsumgestaltung verursacht wurde.
Deutlich erkennbar ist die starke Zurückdrängung des Waldes, zugunsten der Intensivierung der Landwirtschaft. Der radikale Umbau der Landschaft ging einher mit Veränderungen in den Besitzverhältnissen, dem Bau von Klöstern und Rittersitzen und der Umgestaltung der dazugehörigen Gewässer.
Der Wegebau, die Anlage von Fischteichen und Stauwehren, die Umleitung von Flüssen bzw. die Entwässerungen feuchter Gebiete veränderten das Landschaftsbild nachhaltig. Sie sind bis auf den heutigen Tag prägend und waren der eigentliche Entstehungszeitpunkt unserer modernen Kulturlandschaft.
Ein außergewöhnlicher archäologischer Nachweis der sog. Ostkolonisation ist die in Teilen 2009 bei Malente (Ostholstein) ausgegrabene Siedlung Grellenkamp (Malente LA 40)57. So wurden u. a. neun Hausgrundrisse festgestellt, dabei waren drei Grundrisse mit schiffsförmigen Bauten. Sie finden ihre Analogie in Bauten ähnlichen Typs in den östlichen Niederlanden (Typ Gasselte).
Der Chronist Helmold von Bosau berichtete über die Ansiedlung von Holländern im Raum Eutin. Vieles spricht dafür, dass die Ortschaft Grellenkamp dazu gehörte. Die Untersuchungsergebnisse korrelieren insoweit mit den schriftlichen Überlieferungen.
01: Kersten, K. Vorgesch. d. Krs. Lauenburg. Veröff. Landesamt f. Vor- u. Frühgesch. in Schleswig. Hrsg. G. Schwantes u. K. Kersten. Wachholtz, Neumünster, 1951, 149.
02: — Kersten, K., 1951, Tafel 8-18, Tafel 35.
03: — Kersten, K., 1951, Tafel 38 – 43.
04: Abegg-Wigg, A. / Andreas Rau. 2020- Die Römische Kaiserzeit und die Völkerwanderungszeit in Schleswig-Holstein. Arch. Nachr. SH, Horizonte, 44-49. Kiel / Hamburg, Wachholz, 2020.
05: Tacitus (um 58 – 120 n. Chr.), der bedeutendste römische Historiker der Kaiserzeit des 1. bis 3. Jahrhunderts n. Chr. Die „Germania“, erschienen 98 n. Chr., gilt neben den ‚Annalen‘ und den ‚Historien‘ als seine wichtigste Schrift. Aufgeteilt in 46 kurzen Sektionen, beschreibt sie im ersten Teil die Herkunft, Land und Lebensformen der Germanen. In einem zweiten Teil werden die verschiedenen Stämme charakterisiert (Tacitus, Germania, Kap. 40,1).
06: — Abegg-Wigg, A. / A. Rau 2020, 44.
07: Anm.: Pollenanalyse – (etymologisch: „Lehre vom ausgestreuten Staub“, hier dem Blütenstaub). Fossile Palynomorphe (Pollen, Sporen u. weitere Mikrofossilien) ermöglichen d. Rekonstruktion der früheren Umweltbedingungen anhand unterschiedlicher Wachstumsbedingungen versch. Pflanzen und Bäume.
08: Wieckowska, M., W. Dörfler u. W. Kirleis. 2021. Vegetation and settlement history of the past 9000 years as recorded by lake deposits from Großer Eutiner See. Review of Palaeobotany and Palynology 174. 2012, 79-90.
09: Dörfler, W. Umweltentwicklung. 2020. Von der Natur- zur Kulturlandschaft. Arch. Nachr. SH, Horizonte, 63. Kiel / Hamburg, Wachholz, 2020.
10: Jankuhn, H., 1956. Völker und Stämme in Schleswig-Holstein in frühgeschichtlicher Zeit. Wachholtz. Neumünster, 1956, 12
11: Anm.: Klima / Wetter. Die statistische Beschreibung d. relevanten Klimaelemente wie Wind, Sonnenschein, Temperatur und Niederschlag f. e. längere Dekade. Im Gegensatz zum Wetter, das eine kürzere Periode von bis zu 30 Jahren beschreibt und von eher regionaler Bedeutung ist.
12: Rösener, W. Landwirtschaft u. Klimawandel in historischer Perspektive. Aus Politik u. Zeitgesch. Beil. z. Wochenzeitung „Das Parlament“, 5-6/2010. 1. Februar 2010, 31-38.
13: Anm.: Podsolierung (a. Sauerbleichung). Ein bodenkundlicher Prozess, ausgelöst d. sickerndes Wasser. In d. Folge werden die metallorganischen Verbindungen im Boden in tiefere Schichten verlagert, die oberen Bodenschichten „verarmen“.
14: Pohl, W. Die Völkerwanderung. 2. Auflage. Stuttgart u. a. 2005, S. 206–212.
15: Hoffmann, H. 1958. Unters. z. karolingischen Annalistik (= Bonner hist. Forsch., 10). Röhrscheid, Bonn 1958, S. 138 ff.: Aufzng. ab den neunziger Jahren d. 8. Jhts.
16: Trillmich (Hrsg.). Adam von Bremen, II. 18, S. 246–249. / Otto May / Otto Heinrich (Hrsg.): Regesten der Erzbischöfe von Bremen, Bd. 1, Hannover 1937 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Schaumburg-Lippe und Bremen, Bd.11), Nr. 266.
17: Rau, R. (Hrsg.): Quellen zur karolingischen Reichsgesch. Erster Teil. Die Reichsannalen, Einhard: Leben Karls des Großen, Zwei „Leben“ Ludwigs, Nithard Geschichten. Darmstadt 1968 (FSGA, 5), S. 116–117.
18: Lorenzen-Schmidt, K.J. u. O. Pelc (Hrsg.). Schleswig-Holstein Lexikon, 2., erw. u. verb. Aufl. Neumünster, 2006.
19: Bock, G. Ratzeburg und die Billunger – Polabien als slawisch-sächsische Kontaktregion des 11. und 12. Jahrhunderts. In: Natur- und Landeskunde. Zeitschr. f. Schleswig-Holstein, Hamburg u. Mecklenburg. 2015. Hrsg. Verein DIE HEIMAT. S. 213 ff.
20: Kempke, T.: Bemerkungen zur Delvenau-Stecknitz-Route im frühen Mittelalter. In: Hammaburg NF 9 (1989), S. 175–184. / Anne Klammt: Soziale Gruppen und Gesellschaftsstrukturen im westslawischen Raum. In: Felix Biermann / Thomas Kersting / Anne Klammt (Hrsg.): Soziale Gruppen und Gesellschaftsstrukturen im westslawischen Raum. Beiträge der Sektion zur slawischen Frühgeschichte der 20. Jahrestagung des Mittel- u. Ostdeutschen Verbandes für Altertumsforschung in Brandenburg (Havel), 16. bis 18. April 2012, Langenweißbach 2013, S. 7–31.
21: Lemm, T., V. Hilberg, A. Tummuscheit, U. Müller. 2020. Sachsen, Slawen, Friesen und Dänen. Das Frühmittelalter in Schleswig-Holstein. Arch. Nachr. SH, Horizonte, 52. Kiel / Hamburg, Wachholz, 2020.
22: Schmid-Hecklau, A. Slawenzeitliche Funde im Kreis Herzogtum Lauenburg. Stud. z. Siedlungsgesch. d. Arch. d. Ostseegebiete, 3. Wachholtz, Nms., 2002.
23: — Lemm, T., Hilberg 2020, 52.
24: Ruchhöft, F. Vom slawischen Stammesgebiet zur deutschen Vogtei. Die Entwicklung der Territorien in Ostholstein, Lauenburg, Mecklenburg und Vorpommern im Mittelalter (= Arch. u. Gesch. im Ostseeraum, 4). Leidorf, Rahden, 2008, 69.
25: Kemke, T. 1989, 180. Bemerkungen zur Delvenau-Stecknitz-Route im frühen Mittelalter. In: Hammaburg, N. F. 9, 175-184. Neumünster.
27: Brygida Kürbis (Hrsg.): Kronika wielkopolska = Chronica Poloniae maioris, Warszawa, 1970 – (Pomniki dziejowe Polski, hrsg. v. August Bielowski, Ser. 2, T. 8), S. 14–15.
28: Trillmich (Hrsg.): Adam von Bremen, II, 71, 79, S. 314–315, 320–321. 224
29: Hamb. UB 1, 90 = Hasse, P. (Hrsg.): Schleswig-Holstein (Lauenburg)ische Regesten und Urkunden, 1. Hamburg 1886 (SHRU), Nr. 45 = MAY (Bearb.): Regesten, 266.
30: Anm.: Als Stammvater der Billunger gilt der Markgraf Hermann Billung (900/912-973). Seit 953 mit herzoglichen Rechten ausgestattet (Stellvertreter Otto I. – procurator regis), hatte er für den Schutz des Unterelberaumes zu sorgen. Das Gebiet umfasste die Stammesgebiete der Wagrier, Abodriten, Polaben, Warnower u. Liutizen (also östl. Holstein u. Westmecklenburg). Er war damit nicht nur für die Sicherung des Grenzbereichs zu den noch heidnischen Slawen verantwortlich sondern zugleich auch für den Erhalt eines Teils der Machtbasis des deutschen Königtums.
31: Anm.: Die Sadelbande ist eine historische Landschaft, die sich über das heutige Gebiet des südlichen Kreises Herzogtum Lauenburg erstreckte. Nordöstlich wurde sie durch den Hornbeker Mühlenbach begrenzt, östlich durch die Delvenau, südlich durch die Elbe und im Westen durch die Bille. Der Name dürfte slawischer Herkunft sein und wird als Bezeichnung für die jenseits der Delvenau siedelnden Abodriten gedeutet.
32: — Bock, G., 2015:Ratzeburg und die Billunger – S. 213 ff.
33: Schmid-Hecklau, A. Slawenzeitliche Funde im Kreis Hrzgt. Lauenburg. Stud. z. Siedlungsgesch. d. Arch. d. Ostseegebiete, 3. Wachholtz, Neumünster, 2002.
34: Stoob, H. (Hrsg.): Helmold von Bosau. Slawenchronik. Darmstadt, 1990 (FSGA, 19). / Helmold von Bosau: Slawenchronik (orig. um 1170). Ausgew. Quellen z. deutschen Geschichte d. Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe. Band XIX. 4. Auflage. Darmstadt 1983.
35: Trautmann, R. Die wendischen Ortsnamen Ostholsteins, Lübecks, Lauenburgs u. Mecklenburgs. Quellen u. Forsch. z. Gesch. Schleswig-Holsteins. Neumünster, 1950, 55.
36: — Kersten, K., 1951, 114.
37: Anm.: Wenden ist historische Bezeichnung für die Slawen im deutschsprachigen Raum (Germania Slavica), das seit dem 12. Jahrhundert gebräuchlich ist. Das Ethnonym diente den Verwendern als Fremdbezeichnung zur Abgrenzung von „den Anderen“.
38: D. Berger. Geographische Namen in Deutschland. 2., überarb. Aufl., Mannheim, 1999.
39: Mueller, U., Donat Wehner: Wagrien im Brennpunkt der Slawenforschung. In: Kathrin Marterior, Norbert Nübler (Hrsg.): Mehrsprachige Sprachlandschaften? Leipzig, 2016, S. 209-260, 220.
40: — Lemm, T., Hilberg et al., 2020, 50.
41: — Dörfler, W., 2020, 63.
42: Anm.: Die Dendrochronologie (auch Jahrringchronologie) erlaubt anhand der Auszählung der vom Baum gebildeten Jahresringe eine auf das Jahr genaue Altersbestimmung. Sie ist bei allen Holzpflanzen der Außertropen möglich.
43: Anm.: C-14 Datierung (Radiokarbondatierung) ist ein Verfahren zur radiometrischen Datierung kohlenstoffhaltiger, insbesondere organischer Materialien. In bestimmten Zeitbereichen kann sie von der Genauigkeit her fast als „absolute Datierung“ gelten, die auf das Jahr genau ist. Der zeitliche Anwendungsbereich liegt etwa zwischen vor 300 und etwa 60.000 Jahren
44: — Kersten, K., 1951, 114
45: — Lemm, T. / Hilberg 2020, 54
46: Neugebauer, W. 1968. Der Burgwall Alt-Lübeck. In: Führer z. vor- u. frühgesch. Denkmälern – Hansestadt Lübeck – Ostholstein – Kiel. Mainz, 1968, 104-120.
47: — Kersten, K. 1951, 114
48: –Kersten, K., 1951, 111 / — Schmidt-Hecklau, 2002, 167f.
49: — Kersten 1951, 112.
50: Kersten, K. 1951. Zum Problem der ur- und frühgeschichtlichen Wege in Norddeutschland. In: Festschrift für G. Schwantes, 136-141, 136. Neumünster.
51: Herrmann, J. (Hrsg.). Die Slawen in Deutschland. Berlin. 1985, 146 f., Abb. 53. / — Bock, G., 216
52: Beranek, R. 2002. Die frühgeschichtlichen Fernwege im Land Lauenburg. In: Verbinden. Verkehrswege in Vergangenheit und Zukunft (Beitr. f. Wiss. u. Kultur, 5). Wentorf, 2002, 24. / ders.: Die slawische Kleinburg Kittlitz am Schaalsee u. Fragen z. frühmittelalterl. Besiedlung. In: Lauenburger Heimat, 1994. Folge 137, 13.
53: Eckholdt, M. 1980. Schiffahrt auf kleinen Flüssen Mitteleuropas in Römerzeit und Mittelalter. Oldenburg et al., 1980, 67.
54. Anm.: Ein Brandgrubengrab ist eine Grablege, in der verbrannte menschliche Knochen und Grabbeigaben aus der Asche herausgelesen wurden und ohne ein Behältnis (Urne) in einer flachen Grube beigesetzt wurden. Wurden alle Verbrennungsreste unsortiert beigesetzt, spricht man von Brandschüttungsgräbern.
55: — Lemm, T. / Hilberg 2020, 56.
56. Anm.: Deutsche Ostkolonisation. Der Begriff bezieht sich zum einen auf die Neuansiedlung deutscher Bauern im 1.2/13. Jh. in den vormals slawisch besiedelten Gebieten östlich von Elbe und Saale. Die gewaltsame Vertreibung bzw. Unterdrückung der hier ansässigen Bevölkerung (eiectio Slavorum) wird diskutiert. In jedem Fall wurde bäuerliche Landgewinnung auch durch massive Rodung des bisher unbebauten Landes betrieben. Des Weiteren wird der Begriff für die Ausdehnung der kirchlichen wie weltlichen Macht angewandt, die Förderung von Baukunst und Handwerken, die Einrichtung von Kaufmannsniederlassungen, die Gründung von Städten.
57: Rösch, F., 2020. Immigranten auf der Spur. Die Wüstung Bad Malente-Grellenkamp in Ostholstein. Arch. Nachr. SH, Horizonte, 126-127. Kiel / Hamburg, Wachholz, 2020.
Fundstelle 1. Einige Flintabschläge mit Bearbeitungsspuren. K.S. Gefunden 1936 bei der Flurbegehung. Fundstelle 6. Hier fand Bauer Dohrendorf ein Flintbeil, das er Lehrer Brandt gab. Es ist offenbar eines der Feuersteinbeile, die aus dem Nachlaß Lehrer Brandts stammen.
Fundstelle 7. Kleines flaches graues Flintstück mit unregelmäßiger Oberflächenbearbeitung, wahrscheinlich Bruchstuck eines Dolches. K.S. 17 289. Gefunden bei der Feldbegehung 1936.
Fundstelle 8. Einige Feuersteinabschläge mit Bearbeitungsspuren. K.S. 17 221. Gefunden 1936 bei der Feldbegehung. Fundstelle 9. Dicker grauer Feuersteinabschlag mit Gebrauchsretusche. K.S. 17 222. Gefunden 1936 bei der Flurbegehung.
Fundstelle 10. Etliche Feuersteinabschläge, darunter ein kleines Flintgerät mit unregelmäßiger Oberfläche, vielleicht Vorarbeit einer Flügelpfeilspitze, in der Mitte kurzer Dorn, Spitze fehlt. Lge 3; gr Br 2,1 cm. K.S. 17 223. Gefunden 1936 bei der Flurbegehung.
Fundstelle 13. Graubraunes Feuersteinllachbe6, nach dem Nacken zu gleichmäßig abschmalend, Breitseiten besonders an der Schneide geschliffen, Schmalseiten ohne Schliff, Schneide leicht geschwungen. Lge 14,2; Nacken etwa 1,8; Schneide 5,1 cm. Gefunden auf der Ackeroberfläche. Priv.-Bes. Taf. 22, 2.
Fundstelle 14. Auf dieser Koppel fand Bauer Soltau ein Flintbeil, das er Lehrer Brandt gab. Offenbar ist dies eins der aus dem Nachlaß des Herrn Brandt stammenden Beile.
Fundstelle 17. Plumper unregelmäßig gearbeiteter dicknackiger Schmalmeißel aus kalkigem geblichgrauen Flint allseitig unregelmäßig geschliffen, Schneide ausgebrochen. Lge 13; Nacken 2,9; Schneide ursp glich etwa 1,8 cm. Verschollen im Priv.Bes. Wie Taf. 29, 12. Gefunden in einer Sandgrube.
Fundstelle 22. Kleines dicknackig s etwas schiefes Feuersteinbeil aus weißlichgrauem Flint, Breitseiten an der leicht gewölbten Schneide geschliffen, Schmalseiten ohne Schliff, Nacken gerade und etwas
Urnenfriedhof 11. Bei der Anlage einer Kalkgrube auf dem Grundstück vor dem Sägewerk wurden nach Angabe des Straßenwärters Koop 2 Urnen gefunden und zerstört, die von faustgroßen Feldsteinen umgeben und von einem flachen deckstein bedeckt waren. Sie enthielten verbrannte Knochen.
Urnenfund 15. Auf dem „kleinen Wohldberg“ wurde beim Pflügen nahe dem Km-Stein 7,3 eine Urne angeschnitten, deren oberen Rand Straßenwärter Koop in Kl.-Berkenthin gesehen hat. Die Urne soll in der Erde stehen.
Funde aus unbestimmter oder geschichtlicher Zeit
(Vorgeschichte des Kreises Herzogtum Lauenburg von Karl Kersten, 1951)