Gutsbesitzerin von Schrader stiftet das „Siechenheim“
Das heutige DRK-Seniorenwohnheim Louise von Schrader in Berkenthin wurde maßgeblich durch Stiftung von Geldern und des Grundstücks durch die damalige Rondeshagener Gutsherrin Louise von Schrader (*1835, † 1913) im Jahre 1911 möglich.
Bereits früher hatte es in Berkenthin ein Siechenhaus gegeben. In Berkenthin war dieses bis Ende des 19. Jahrhunderts immer noch bestehende Siechen- bzw. Armenhaus abgerissen worden, weil die Eisenbahnlinie Ratzeburg – Bad Oldesloe den Grund- und Boden benötigte. Die Gärten, die zu dem Siechenhaus gehörten, waren vor einigen Jahrzehnten noch als solche auf beiden Seiten des Dammes zu erkennen. Inzwischen sind die Spuren dieser Gärten weitgehend verwischt. Als Ersatz für das abgebrochene Siechenhaus baute die Eisenbahnverwaltung damals ein kleines einfaches Pappdachhaus, das gleich nördlich der ehemaligen Meierei errichtet wurde und das ebenfalls heute nicht mehr existiert. Da dieses Haus sehr klein und primitiv war und im Laufe der Jahre den Anforderungen nicht mehr genügte, entschloss sich die Kirchengemeinde Berkenthin für einen Neubau. Als der engagierte Pastor Lüders am 17. Januar 1911 sein 25-jähriges Dienstjubiläum feiern konnte, wurde ihm aus der Hand der Rondeshagener Gutsbesitzerin Lousie von Schrader eine Gutschrift von 4.590 Mark als Grundstein für den Bau eines „Siechenhauses“ überreicht. 4.OOO Mark dieser Summe hatte die Gutsbesitzerin selbst gestiftet mit der Bemerkung, dass dies nur eine Anfangsgabe sei. Dabei sprach sie die Bitte aus, dass ihr zukünftiger Grabstein auf dem Friedhof in Berkenthin für alle Zeit erhalten bliebe.
Durch ein Versehen ist dieser Bitte nicht entsprochen worden. Dafür ließ Jahre später Pastor Wallroth an der nördlichen Außenmauer der Kirche eine Marmortafel anbringen mit der Inschrift:
Zur Erinnerung an Louise von Schrader, gestorben 1913 , ihrer Schwester
und ihrer hier ruhenden Eltern
Ernst Barthold von Schrader, gestorben 1872,
Landrat, Erb- und Gerichtsherr auf Culpin
Besitzer von Culpin und Rondeshagen
Louise Ernestine Henriette Charlotte von Schrader,
geborene von Willich, gestorben 1869
Die Familie schenkte 1911 der Kirchgemeinde
das Geld für die Gründung des späteren
Kreispflegeheims Eben Ezer
Die Kirchgemeinde Berkenthin
Der Kreis Herzogtum Lauenburg
Das Original an der Nordseite der Kirche
Grundsteinlegung bereits im Sommer 1911
Das Kapital von 4.590,- Mark wurde bei der Spar- und Darlehenskasse der Stadt Ratzeburg eingezahlt, doch lange blieb es dort nicht, denn rascher als gedacht, kam es zum Bau des Siechenhauses. Die Hauptspenderin, geboren am 11. Dezember 1835, wollte selbst so gerne das Entstehen und die Einrichtung desselben erleben und ermunterte mit Nachdruck dazu, den Bau einzuleiten und in Angriff zu nehmen. Und bereits am 30. Juni 1911 wurde auf einem von der Dorfschaft Klein Berkenthin für 1.000 Mark gekauften, 33 ar umfassenden Grundstück zu Klein Berkenthin feierlich der Grundstein gelegt. Gebaut wurde das Gebäude von dem Maurermeister Heinrich Hagen, der zu der Zeit zugleich Gemeindevorsteher des Ortes war. Die Planzeichnungen hatte zuvor der Zimmermeister Friedrich Koop, ebenfalls aus Klein Berkenthin, geliefert und auch die Genehmigung durch den Amtsvorsteher Friedrich Sedemund aus Kählstorf war unter diesen Umständen zügig erteilt worden.
Nach alter Gewohnheit wurde in den Bau eine Urkunde eingefügt, die mit den Worten beginnt:
„Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Heute am Freitag, den 30. Juni 1911, unter der Regierung Sr. Majestät des deutschen Kaisers Wilhelm II., wird zu einem für die Evangelisch- Lutherische Kirchengemeinde Berkenthin bestimmten Siechenhause, welches „Stift Ebenezer“ genannt werden soll. Der Grundstein ist gelegt und in demselben diese Urkunde eingeschlossen. Der allmächtige und gnadenreiche Gott vergönne es, dass das Stift Ebenezer alle, die darin Aufnahme finden, für Zeit und Ewigkeit zu großem Segen werden möge.“
Am 10. August 1911 war die Richtfeier und am 26. November konnte die Einweihung des Siechenhauses gefeiert werden, zu großer Freude vieler, nicht am wenigsten der anwesenden Louise von Schrader. Pastor Lüders hielt die Weihrede. Er erläuterte den Namen Eben Ezer (auch Ebenezer; Wortbedeutung: Ebenezer ist ein biblischer Vorname hebräischen Ursprungs. Im Alten Testament ist Ebenezer der Name eines von Samuel errichteten Anbetungs-Denkmals zu Ehren Gottes) und hob hervor, dass der Gedenk oder der Dankstein zugleich ein Denkstein für die Hilfe des Herrn sei. Die Dankbarkeit des Herzens habe zum Bau dieses Hauses getrieben. Auch in dieses Haus als Insassen einziehende Alten sollten bekennen: „Bis hierher, zu dieser letzten Station meiner Erdenpilgerfahrt hat der Herr geholfen, von hier werde ich einst den letzten Umzug halten und der Herr wird mit hineinhelfen in die himmlische Heimat.“
Pastor Andreas Lüders hatte außerdem bereits zur Grundsteinlegung ein Gedicht verfasst, in dem er auf seine 25-jährige Dienstzeit in der Gemeinde Bezug nahm:
Sind wir einen weiten Weg gegangen,
Treffen wir wohl einen Markstein an.
Stehen still, schaun um uns – voll Verlangen
Richtet sich der Blick neu auf die neue Bahn!
War der Weg, den wir durchwandert, licht,
Fürchten wir den kommenden auch nicht.
So geliebter Hirte, stehn wir heute
Mit dir still an Deinem Ehrentag!
Fünfundzwanzig Jahre Seit`an Seite
Galt uns Deines Herzens warmer Schlag !
Geh uns weiter fest und treu voran.
Und folgen wir freudig Deiner Bahn.
Einen Denkstein wirst dem Herrn Du bauen,
Denn von ihm kam dir zum Amt die Kraft,
Und mit Glaubensaugen darfst du schauen,
Nicht umsonst hab ich gewirkt, geschafft.
„Ebenezer“, hilf, Herr Fernerweit,
Gib` mir eine neue Gnadenzeit!
Diesen Grundstein legt in Deine Hände
Dir die dankbare Gemeinde heut`!
Mit dem Wunsche, daß aus dieser Spende
Glück und Heil erblühe allezeit.
Möge Dir zur Freude, schlicht und schön,
Das Berkenthiner Siechenhaus erstehn!
Zur Aufnahme von Siechen und Hilfsbedürftigen
Laut Stiftungsurkunde war das Eben-Ezer-Stift „zur Aufnahme von Siechen und Hilfsbedürftigen beiderlei Geschlechts bestimmt, in erster Linie für Glieder der Kirchengemeinde Berkenthin, in zweiter Linie für solche, die früher in dieser Gemeinde wohnhaft waren, in dritter Linie für Glieder anderer lutherischer Gemeinden im Herzogtum Lauenburg.“ Der Vorstand der Stiftung sollte aus sechs Mitgliedern bestehen, nämlich aus dem jeweiligen Pastor zu Groß Berkenthin, dem in Groß Berkenthin wohnhaften dienstältesten Kirchenvorsteher, dem dienstältesten Gemeindevertreter Groß Berkenthins, dem Gemeindevorsteher zu Klein Berkenthin, der jeweiligen Vorsitzenden des Berkenthiner Frauenvereins und einem weiteren vom Frauenverein gewählten Vorstandsmitglied des Frauenvereins. Außerdem wurde verbrieft, dass die vom Frauenverein angestellte Gemeindeschwester, der die Krankenpflege in der Gemeinde oblag, freie Wohnung, Feuerung und Wäsche gewährt wurde; umgekehrt war die Gemeindeschwester zusammen mit den Heimeltern zur Pflege der „Siechen“ im Heim verpflichtet.
Der Kreis übernimmt das Heim
Die erste Insassin des Heims war die Witwe Stadtländer aus Klein Berkenthin, als erste Hauseltern wurde das Ehepaar Fröhlich aus Hamburg eingestellt. Durch die Verhältnisse im Ersten Weltkrieg 1914-18 geriet das Stift „Eben-Ezer“ dann aber finanziell in eine missliche Lage. Es fanden deshalb Verhandlungen mit dem Kreisausschuss wegen Übernahme durch den Kreis statt. Dr. Weltner, Ratzeburg, wurde als Bevollmächtigter des Kreises mit Sitz und Stimme im Vorstand des Siechenhauses bestimmt. In einer Sitzung vom 18. November 1919 im Pastorat in Berkenthin wurde der Antrag des Doktor Weltner mit Einwilligung von Pastor Lüders beschlossen, zum Andenken an die inzwischen verstorbene Stifterin, das bisher „Eben Ezer“ genannte Siechenhaus fortan „Louise von Schrader-Stift“ zu nennen. Der Vorsitzende befürwortete, dass aber die über der Siechenhaustür angebrachte Inschrift „Eben Ezer“ nicht entfernt würde.
Das Heim war 1911 für die Aufnahme von 20 Personen vorgesehen. Am 11. Dezember 1919 übernahm der Kreis Herzogtum Lauenburg das Louise von Schrader-Stift in eigener Regie und kaufte einige anliegende Grundstücke dazu. Die Einrichtung wurde zum Kreispflegeheim. Um Kosten in der finanziell angespannten Lage zu sparen, sollte auf dem großen Grundstück zumindest ein Teil der benötigten Lebensmittel selbst erzeugt werden. „Der Kreisauschuß ist der Ansicht, daß die nunmehr anzustrebende Selbsterhaltung des Stiftes neben entsprechender Erhöhung des Kostgeldes durch Mitwirkung der körperlich noch tüchtigen Insassen bei der Bewirtschaftung durchaus möglich ist, wenn dem Stift als zukünftiger Kreisanstalt genügend Land zur Verfügung gestellt wird. Mit Rücksicht darauf hält der Kreisausschuß es für notwendig, daß zur Vergrößerung des Grundstücks einige unmittelbar angrenzende Grundflächen erworben werden, um dort in guter Lage hinreichend Land für Gärten und für den Obst- Gemüse- , Kartoffel- und Getreidebau des Stiftes sowie für etwaige Erweiterungen des Stiftes sowie weiterer ähnlicher Kreisanstalten zur Verfügung haben.“ Die Zustimmung des Kreisausschusses wurde einstimmig erteilt.
Erweiterungen
In den folgenden Jahren wurde das Heim systematisch weiter ausgebaut. So entstand 1948 ein Flachbau für 21 Personen. 1950 kam ein 2 ½ -geschossiges Bettenhaus für 68 Personen dazu. Der Ausbau ging dauernd mit vielen Verbesserungen weiter, so dass 1966 schon 112 Personen aufgenommen werden konnten. Der Hausmeister erhielt ein eigenes Wohnhaus und im Obergeschoss wurden 4 Räume für das Heimpersonal geschaffen.
Im Jahr 1965 war der Verbleib dieses Kreispflegeheims in Berkenthin trotz der verschiedenen Modernisierungen ein erstes Mal nach dem Krieg ernstlich gefährdet. Im Zug der Zeit, da alles in die Städte drängte, erhoben sich Stimmen, die für eine Aufgabe der Einrichtung in Berkenthin und für eine Verlegung nach Ratzeburg waren. Durch einen Brief von Pastor Wallroth an den Landrat Wandschneider in Ratzeburg und folgende intensive Verhandlungen wurde die Gefahr abgewandt. Die Aufgabe dieses nun über 50 Jahre bestehenden Heimes war verhindert worden. Am 9. April 1970 konnte wieder ein Erweiterungsbau feierlich durch den Kreispräsidenten Drevs und Landrat Dr. Prößdorf eingeweiht werden.
Neue Trägerschaft und Umstrukturierungen
1995 übernahm dann das DRK die Einrichtung, da der Kreis sein Kreispflegeheim veräußern wollte. Neue Eigentümer wurden der DRK Kreisverband und der DRK Landesverband Schleswig-Holstein. Im Jahre 2015 drohte dann ein weiteres Mal eine Schließung des Heims. Damals verwies der Vorstand des Landesverbandes Schleswig Holstein auf eine wirtschaftlich angespannte Situation vor dem Hintergrund einer derzeit geplanten Pflegereform. Würde die Novelle voll durchschlagen, so hieß es, sei ein Einbruch der Erträge zu erwarten. Es stünden in dem Zusammenhang notwendige Modernisierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen an, etwa die Einrichtung von mehr Einzelzimmern u.a. Somit stellte sich die Frage der Weiterentwicklung des Heimes, um den neueren Marktanalysen gerecht zu werden und schließlich den Standort Berkenthin zu sichern. Unter aktiver Beteiligung der Gemeinde unter dem damaligen Bürgermeister Grönheim wurde daraufhin ein ganzes Paket von Maßnahmen in Angriff genommen, die schließlich zum Erhalt der Einrichtung führten. So wurden Mittel der Aktiv-Region eingeworben, um das Erdgeschoss in eine Tagespflege umzuwandeln. Im ersten OG auf der Ostseite wurden Einzelappartements für betreutes Wohnen geschaffen und im alten Trakt auf der Westseite wurde eine Arztpraxis eingerichtet; allerdings wurde diese dann von dem in Frage kommenden Arzt doch nicht bezogen. Und schließlich wurde ein Ärztehaus auf dem Grundstück geplant, während ein weiterer Geländeanteil an den Kindergartenzweckverband veräußert wurde. Somit konnte der Kinderspielplatz für den KiGa Moorhof erweitert werden.
Das Seniorenhaus heute
Unter der Leitung von Mareike Buhr hat das Haus heute an die 65 MitarbeiterInnen in den unterschiedlichsten Beschäftigungsverhältnissen. Derzeit umfasst der stationäre Pflegebereich 70 Betten, daneben bietet die Einrichtung 6 seniorengerechte Zimmer für betreutes Wohnen an. Die Tagespflegestation umfasst 12 Plätze. Zu den großen Vorteilen des Seniorenhauses Berkenthin gehört, dass es nach wie vor eine eigene Küche zur Versorgung der Bewohner vorhält.
Verwendete Quellen:
Bericht von Ulrich Volquart Meyer aus Rondeshagen
Berkenthiner Kirchenchronik
Bilder mit freundlicher Genehmigung Joachim Lindenheims
Protokoll der Gemeindevertretung Berkenthin