Die ersten Jahrhunderte

Ratzeburger Dom mit Löwen (Sammlung G. Weinberger)
Buchenwald ( © G. Weinberger)

Um die Entstehungsgeschichte unseres Ortes einordnen zu können, ist es wichtig, sie in den Gesamtzusammenhang der deutschen und vor der allem der lauenburgischen Geschichte einzuordnen.  Als unser Ort im Mittelalter aus dem Dunkel der Geschichte auftauchte und erstmalig  im Jahre 1230 urkundlich Erwähnung fand,  war unsere Gegend ein noch weitgehend unerschlossener Landstrich. Denn noch im Frühmittelalter bedeckten große, undurchdringliche Waldgebiete, unzugängliche Sumpfregionen oder Einöden das Land. Nur wenige Wege durchzogen die weitgehende Wildnis und nur selten stieß man in Lichtungen oder an Flussläufen auf kleine menschliche  Siedlungen, zumeist nur eine Ansammlung von wenigen hüttenähnlichen Behausungen. Unsere Gegend war wie das gesamte Mitteleuropa zur Zeit des Mittelalters nur sehr dünn besiedelt. Das südliche heutige Kreisgebiet,  die sogenannte  Sadelbande,  galt in der Zeit nach der Völkerwanderung lange Zeit als vollkommen menschenleer. Für die Bevölkerungszahlen des Gebietes des heutigen Deutschlands schätzt man die Einwohnerzahl auf 2 Millionen um das Jahr 650, 4 Millionen um 1000, 8 Millionen um 1200, 14 Millionen um 1340 und 10 Millionen um 1470, wobei der Rückgang durch die Pest und andere Epidemien zu erklären ist.  Zum Vergleich: Heute leben in Deutschland ca. 85 Millionen Menschen. 

Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung im Mittelalter lebte auf dem Land. Allein der Anteil der Bauern betrug mit leichten Schwankungen über die Jahrhunderte um die 90 Prozent. Die wenigen noch von den Römern errichteten Städte im Süden Deutschlands blieben im Frühmittelalter singuläre Erscheinungen; im Norden Deutschlands gab es sie gar nicht. Erst ab dem 12. Jahrhundert kam es zu Neugründungen von Städten, wie etwa die Gründung der Stadt Lübeck im Jahre 1143 bzw. 1158. Das Leben der Menschen war  hart und entbehrungsreich. Mangelernährung, harte Arbeit, Krankheiten hatten zur Folge, dass die  Lebenserwartung zwischen 20 und 40 Jahren lag, wobei eine hohe Kindersterblichkeit zu berücksichtigen ist. Bedingt durch die hohe Zahl der Geburten und  den entbehrungsreichen Arbeitsalltag lag  die Lebenserwartung der Frauen dabei deutlich unter der der Männer: 15 bis 20 Geburten waren durchaus keine Seltenheit. 

Staatliche Gebilde, wie wir sie heute kennen und wohlgeordnete Lebensverhältnisse garantieren, waren bis zum Ende des Mittelalters weitgehend unbekannt. Stattdessen war  die mittelalterliche Gesellschaft politisch, wirtschaftlich und sozial gekennzeichnet durch den Feudalismus und seine Erscheinungsformen der Grundherrschaft, des Lehnswesens und des Vasallentums. Die mittelalterliche  Gesellschaft lässt sich anschaulich in Form der obigen Pyramide darstellen. Vereinfacht dargestellt, war ab dem 10. Jahrhundert der König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation der oberste und alleinige Grundbesitzer, der Teile seines Reiches als Lehen an seine Vasallen, Herzöge, Grafen zur Bewirtschaftung und Verwaltung verlieh.  Auch diese Vasallen verliehen ihrerseits wiederum Boden an  Untervasallen, Ritter, Gutsherren etc..  Lehnsverträge zwischen Herr und  Vasall waren dabei grundsätzlich Verträge auf Gegenseitigkeit: Während der Vasall zu Diensten und Abgaben verpflichtet war, u.a. auch zu Heerdiensten,  gelobte der Herr seinem Untertanen Schutz und Treue. In unruhigen unsicheren Zeiten,  in denen keiner vor Überfällen durch Räuberbanden oder fremde Kriegsvölker sicher sein konnte, ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Ganz unten in dieser Gesellschaftsordnung des Mittelalters standen schließlich feie,  minderfreie und unfreie Bauern oder Bürger, deren wirtschaftliche Situation dergestalt war, dass sie oft nicht über die nötigen Mittel verfügten, um ihre Existenz zu sichern. Dagegen befanden sich höhere Kirchenvertreter  und der Adel  meist  in einer vorteilhaften Lebenslage. 

Seit der Völkerwanderung, als der hier lange ansässige germanische Stamm der Kimbern  weggezogen war, besiedelten im 7./8. Jahrhundert  der Teilstamm der Polaben des slawischen Großstammes der Abodriten, aus Osteuropa oder vom Balkan kommend, den Nordteil des heutigen Kreises Herzogtum Lauenburg. Viel Ortsnamen deuten noch heute auf einen slawischen Ursprung hin. Der Südteil des Kreises, die sogenannte „Sadelbande“, gehörte dagegen zum sächsischen Einflussbereich und war zu dieser Zeit, wie erwähnt,  weitgehend unbewohnt. (https://de.wikipedia.org/wiki/Limes_Saxoniae )

Im Jahr 810 verleibte  Karl der Große das Gebiet zwischen Elbe und Eider seinem  Fränkischen Reich ein. Die Abodriten mussten sich auf ihr angestammtes Siedlungsgebiet zurückziehen. An der Grenze zwischen sächsischem und slawischem Siedlungsgebiet richtete Karl den sogenannten Limes Saxoniae ein, der vom heutigen Lauenburg bis zur Kieler Förde reichte und mitten durch das heutige Kreisgebiet verlief. Er folgte den natürlichen Gegebenheiten wie Flußläufen und sumpfigen Niederungen und war zum Teil durch Burgen gesichert. Nach einer Chronik , die um 1070 von dem Geschichtsschreiber Adam von Bremen verfasst wurde, lässt sich der Verlauf vermuten. Die Grenzlinie nahm danach bei Boizenburg an der Elbe im Süden ihren Ausgang, folgte der Delvenau, dann der Trave und schließlich der Schwentine, die in die Kieler Förde mündet. 

In den folgenden  Jahren setzte die erste sächsische Kolonisationswelle des ganzen Kreisgebietes ein, an der auch Slawen beteiligt wurden. Im Jahr 1062 wurde dann Ratzeburg als „Racesburg“ erstmals erwähnt. Die eigentliche Ratzeburg wurde zu Beginn des 11. Jahrhunderts vom Polabenfürsten Ratibor (Kurzname „Ratse“) begründet. Der mächtige Sachsenherzog  Heinrich der Löwe, ein direkter Vasall des Kaisers,  richtete im Jahr 1142 auf dem Siedlungsgebiet der Polaben die Grafschaft Ratzeburg ein, die den Nordteil des heutigen Kreises Herzogtum Lauenburg und Teile des westlichen Mecklenburgs umfasste. Damit wurde das spätere Herzogtum zu einem Teil Sachsens. Er belehnte Heinrich von Badewide (* unbekannt; † 1164) mit der Grafschaft, nachdem er zuvor als Graf von Holstein und Stormarn vertrieben worden war. Bis 1154 wird Heinrich von Badewide als Graf der Polaben (Comes Polaborum) bezeichnet, und erst danach als Graf von Ratzeburg. Er galt bis zu seinem Tod als ein treuer Gefolgsmann des Sachsenherzogs. An ihn erinnert ein Gedenkstein, der sogenannte Heinrichstein an der Ecke Domhof/Kleine Kreuzstraße in Ratzeburg. Er markiert noch heute die ehemalige Grenze zwischen geistlicher und weltlicher Herrschaft. Die Inschrift lautet: 

„Temporibus Conradi regis et Heinrici ducis Saxoni(a)e venit Heinricus comes Raceburch et ibi Xrianitatem prim(us) fundavit anima ei(us) requiescat i(n) pace Am(en)“ Überstzung: ‘Zu Zeiten König Konrads und Herzog Heinrichs von Sachsen kam Graf Heinrich nach Ratzeburg und gab dort als erster dem Christentum eine feste Grundlage. Seine Seele ruhe in Frieden. Amen.’  

Dieser Graf Heinrich von Badewide trieb die Besiedlung des Ratzeburger Landes energisch voran, indem er Kolonisten vor allem aus dem damals schon dicht besiedelten Westfalen ins Land holte und sie mit Grund und Boden ausstattete.  Für die Zeit um 1160 berichtet der Chronist Helmold von Bosau: „Auch Graf Heinrich von Ratzeburg, das im  Polabenland liegt, führte Scharen Volkes aus Westfalen herbei, damit sie das Land der Polaben bewohnen sollten, und wies ihnen Land zur Vermessung und Aufteilung an. Sie bauten  Kirchen und leisteten den Zehnt von ihren Erzeugnissen zum Dienst am Hause des Herren (..)“

1180 wurde Heinrich der Löwe auf dem Reichstag zu Gelnhausen durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa aller seiner Lehen verlustig erklärt und er wurde als Herzog von Sachsen abgesetzt. Sachsen ging an das Haus der Askanier, einem deutschen Uradelsgeschlecht. Durch eine wiederholte Teilung des Landes entstand schließlich das Herzogtum Sachsen-Lauenburg, das bereits im 14. Jahrhundert seine ungefähre heutige geographische Gestalt erhielt. Die Askanier herrschten in  dem kleinen reichsunmittelbaren Herzogtum, das direkt dem Kaiser unterstand, bis 1689.  In steter Geldnot verpfändeten oder verkauften die Lauenburger Herzöge in der Folgezeit immer wieder Gebiete ihres Besitzes, so dass es vor allem Hamburg und Lübeck gelang, Teile des Herzogtums an sich zu bringen. Diese Tatsache erklärt die oft komplizierten Eigentumsverhältnisse und Zuständigkeiten, die auch in der gesamten Berkenthiner Geschichte immer wieder eine große Rolle spielten.

Ratzeburger Dom um 1865 (Sammlung G. Weinberger)

Auf dem Reichstag zu Goslar 1154  hatte Heinrich der Löwe von Kaiser Friedrich I. das Recht der Bischofsinvestitur erhalten, das heißt, er durfte nun auch Bischöfe einsetzen. Für mittelalterliche Herrscher war dieser Zugriff auf die nächtige Kirche lange Zeit ein wichtiger Pfeiler ihrer Macht.  Er gründete das Bistum Ratzeburg und wurde zum Stifter des Ratzeburger Doms; erster Ratzeburger Bischof war Evermod ( * um 1100 in Belgien; † 17. Februar 1178 in Ratzeburg). Wegen seiner Tätigkeit in der Ostkolonisation, die er von Ratzeburg aus betrieb,  wurde er auch Apostel der Wenden genannt. Die Landnahme und der Landausbau  unter Heinrich dem Löwen im 12. Jahrhundert  ging somit mit der Christianisierung und der Entwicklung der kirchlichen Gemeindestruktur einher.

Laut einer aus dem Jahr 1158 datierten Urkunde übertrug Heinrich der Löwe Bischof Evermod die Aufsicht über die Pfarren, die damals schon vorhanden waren, nämlich St. Georgsberg und Nusse, und über die noch zur gründenden Kirchen.  Das ganze Ratzeburger Land und auch die Sadelbande,  in etwa der heutige Südkreis wurden nun planmäßig mit einem ganzen Netz von Kirchspielen überzogen und zehntpflichtig gemacht. Das Kirchspiel Berkenthin gehört demnach noch nicht zu den lauenburgischen Urkirchen, wird aber in den erwähnten Zehntregister von 1230 erstmals urkundlich erwähnt. Der Herzog war es auch, der das Domkapitel und die  Kirchengemeinden in den Dörfern mit Landbesitz ausstattete. Dieses Kirchenland diente  der  materiellen Absicherung  des Pfarrers, zum anderen wurden aus seinen Erträgen auch die laufenden Bedürfnisse der Gemeinde, vor allem dem Unterhalt der Kirchengebäude  bestritten. Dafür lag das Patronatsrecht auch für die Berkenthiner Kirche , also u.a. das Recht auf Einsetzung der Pfarrer beim Landesherren, nämlich den Ratzeburger Grafen bzw. später den sächsisch-lauenburgischen Herzögen. Gleichzeitig wurden aber auch adelige Kolonisatoren, gewissermaßen kolonisatorische Siedlungsunternehmer, vom Landeshern mit Ländereien belehnt, um in ihrem Bereich den Landausbau voranzutreiben. Auf ihrem Gebiet worden so auch diese Grundherren zu Kirchenpatronen, indem sie das Geld für den Bau ihrer Kirchen zur Verfügung stellten und für die entsprechende Ausstattung zu sorgen hatten. Dafür erhielten sie dann die grundherrlichen Rechte über ihre Hintersassen und waren am Zehnt beteiligt. Wie im Ratzeburger Zehntregister festgehalten, erhielten sie ein Drittel vom Zehnten eines Dorfes.Die geistliche Aufsicht unterlag hingegen in allen Kirchspielen den Ratzeburger Bischöfen.  

Während noch Heinrich der Löwen sich als Lehnsgeber der Ratzeburger Bischöfe gesehen hatte, erlangten aber nach der Absetzung des mächtigen Herzogs – und einem dänischen Zwischenspiel – die Ratzeburger Bischöfe die Reichsunmittelbarkeit. Das Bistum war nunmehr nicht mehr dem Herzog unterstellt, sondern unmittelbar dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Als erster Bischof empfing Bischof Peter 1236 die Investitur durch Kaiser Friedrich II. Das damit verbundene selbstbewusste Auftreten der nun mehr reichsunmittelbaren Ratzeburger Bischöfe sollte in den folgenden Jahrhunderten zu einem ständigen Konflikt mit den machtbewussten Herzögen von Sachsen-Lauenburg führen, auf deren Gebiet das Bistum lag.

Der Hunger, ein steter Begleiter

Will man im Rahmen einer solchen Chronik über die reine Ereignisgeschichte hinaus etwas von dem Leben unserer Vorfahren verstehen, macht es Sinn, in ihren Lebensalltag hineinzudenken. Das Leben der Bauern im Mittelalter bis hinein in die frühe Neuzeit war hart. Romantisch ist daran kaum etwas. Schwere Arbeit, Hunger, der Kampf ums Überleben prägen den Alltag. Kärgliche Ernten, die Abgaben an die Herrschaft und die Kirche lassen kaum genug für die eigene Familie. 

Wenn eine Ernte ausfällt, steht unmittelbar die Existenz aller Bewohner auf dem Spiel. Vorräte für schlechte Zeiten gab es im Dorf kaum, denn die Ernteerträge aller Getreidearten waren bis zum 15. Jahrhundert sehr niedrig: Ein gesätes Korn brachte durchschnittlich nur 3,2 Körner hervor. Heute wird in Europa das 20- bis 25-fache der Saatmenge erreicht. Die nackte Angst um diese kärgliche Ernte lenkte den Blick der Bauern oft genug zum Himmel: Ein Unwetter, Hagelschlag, Sturm konnten alles zunichtemachen. Dann drohte Hunger. 

Quälende Hungergefühle kannten die Menschen nur allzu gut. Wenn es schlimm kam, führte der Hunger zu einem großen Sterben. Besonders Kinder, alte und Schwache waren die ersten Opfer. Jede Generation, jedes Kind und alle Erwachsenen hatten im Prinzip in diesen ersten Jahrhunderten nach der Gründung unseres Dorfes eine Hungersnot erlebt. Denn nicht nur Missernten bedrohen das Leben der Bauern, hinzu kamen Mäuse und andere Schädlinge, die die mühsam eingebrachte Ernte bedrohten. Gegen diese Plagegeister gab es kein probates Mittel,  auch nicht  ein hart gestampfter Lehmboden,  auf dem das Korn gelagert wurde. So gehörte die Jagd nach Mäusen zum Alltag der Bauern, denn Mäuse konkurrierten mit den Menschen um ihr wichtigstes Grundnahrungsmittel: Getreide, woraus vor allem Brei gemacht wurde. 

Angebaut wurden vor allem Buchweizen, Hafer, Dinkel und Roggen. Die allermeisten Menschen löffelten bis in die frühe Neuzeit hinein tagein, tagaus den gleichen Brei. Dazu wurde grobes Mehl zu einer fleischlosen Masse gekocht. Das wichtigste Breigetreide war Hafer. Haferbrei war das Grundnahrungsmittel schlechthin.  Zumeist gab es zwei Hauptmahlzeiten am Tag: die Morgenmahlzeit in der Mitte des Vormittags und eine zweite Mahlzeit, die am frühen Abend eingenommen wird. Da es noch keine Uhren für den Privatgebrauch gab, richteten sich die Mahlzeiten nach den jeweiligen Lebensbedingungen. So erschien es im  Winter ratsam zu sein, das letzte Tagelicht noch zu nutzen, und damit die Abendmahlzeit eher eingenommen wurde als im Sommer. 

Neben dem täglichen Brei spielte das Brot, vor allem Roggenbrot, eine entscheidende Rolle. Meist war es trocken, hart oder kleiig und das Kauen ist ein hartes Geschäft, dabei ist die Qualität abhängig von der Qualität des Mahlens. Verunreinigtes Korn konnte zudem ursächlich für das sogenannte „Antoniusfeuer“, einer gefürchteten Vergiftungskrankheit, sein. Verantwortlich war das Mutterkorn, von dem vor allem der Roggen befallen sein konnte.  Die Folge dieser Vergiftung waren äußerst schmerzhafte DarmkrämpfeHalluzinationen sowie das Absterben von Fingern und Zehen aufgrund von Durchblutungsstörungen; im schlimmsten Fall kam es zu  tödlichen Atemlähmungen und Kreislaufversagen

Vor allem im Sommer stand das jeweils verfügbare Gemüse aus dem Kohlhof auf dem Speiseplan; Erbsen, Linsen, Bohnen, Rüben, Wurzeln, Zwiebeln oder Kohl. Aber da Gemüse genauso wie Obst, vor allem Äpfel, Birnen, Nüsse und Pflaumen, nicht lange lagern konnten, wurde es möglichst umgehend verzehrt, in gekochter Form war es meist eine Beigabe zum Brot.  Die natürliche Fruchtsüße war zudem neben Bienenhonig das einzige Süßmittel,  der Gebrauch von Zucker blieb in Nordeuropa noch über Jahrhunderte unbekannt.

Der Verzehr von Fleisch war Luxus, die meiste Zeit des Jahres ernährten sich die Menschen fleischlos. Das seltene Fleisch stammte meist von Schweinen, die sich auch ärmere Leute halten können. Rindfleisch war kostbarer und entsprechend teurer. Geschlachtet wurden die Tiere in der Regel im November und Dezember, da man so nicht alle Tiere über den Winter bringen musste und entsprechend Futter sparte. Nach den herbstlichen Schlachtfesten gab es dann tatsächlich auch zunächst reichlich Fleisch und Wurst. Doch die große Menge an Fleisch musste haltbar gemacht werden und sollte die Hausbewohner auch im langen Winter ernähren. 

Dazu hing man das Fleich in „den Rauch“ also in den Rauchabzug der offenen Feuerstelle, denn Räucher- und Dörrfleisch war lange genießbar. Außerdem wurden große Mengen eingepökelt, das war das probateste Mittel der Konservierung. Dennoch wurde das Fleisch nach wenigen Monaten immer knapper. Zum Frühjahr hin blieb noch gepökelter Speck, der gelegentlich zu Brei und Brot gereicht werden konnte, so dass ausgerechnet dann, wenn die schwere Arbeit auf den Feldern anstand, die Mahlzeiten noch kärglicher ausfiehlen. 

Wer den Speiseplan seiner Familie durch erlegtes Wild zu ergänzen suchte, musste aufpassen, dass er nicht erwischt wurde und wegen Wilderei bestraft wurde, denn die Jagd gehörte der Herrschaft. Bauern war die Jagd nicht erlaubt. Ähnliches galt für den Fischfang. So konnte man nicht einfach seine Angelschnur in die Stecknitz halten und auf den großen Fang hoffen, denn diese gehörte der Stadt Lübeck und fischen durften hier nur ein von der Stadt aus priviligierter Fischer.

Das Hauptgetränk war Trinkwasser aus Bächen oder ersten einfachen Brunnen. Getrunken wurde aber auch Milch, und wer es sich leisten konnte, auch Bier. Zum Brauen des Bieres wurden alle vorhandenen Getreidearten verwandt. Es war trüb, süßlich, kohlensäurearm, nicht lange haltbar und wies einen deutlich niedrigeren Alkoholgehalt als das heutige Bier auf. Die Zugabe von Hopfen, wodurch das Bier haltbarer wurde, setzte sich erst im Laufe des Spätmittellalters durch.

Die Tische der Landbevölkerung wurden bei den Mahlzeiten nur spärlich mit Geschirr bedeckt. Der Brei wurd in einer gemeinsamen Schüssel auf den Tisch gestellt, aus dem alle mit einem hölzernen Löffel aßen. Außer diesem Löffel war kein weiteres Besteck vonnöten. Alles außer dem Brei wurde mit den Fingern gegessen, und wer ein Messer brauchte, brachte es mit. Die Gabel war zunächst völlig unbekannt, eine welsche (italienische) Mode, die erst ihren Anfang im 16. Jahrhundert nahm. Zudem war diese als Massenware nur schwierig zu schmieden oder zu schnitzen. 

Karg waren auch die Küchen ausgestattet. Lange brannte noch in den Bauernhäusern ein offenes Feuer, über dem ein oder mehrere Kessel und Töpfe standen oder hingen bis der Herd mit Zwiebogen diese ablöste. Alles Gerät war voller Ruß, Fett, Rost und Grünspan.   


Krankheiten

Die harte körperliche Arbeit, katastrophale hygienische Bedingungen, andauernde Mangelernährung, Nässe und Kälte machten die Dorfbewohner des Mittelalters leichter anfällig für Krankheiten. Schnupfen oder Husten wurden überhaupt nicht gerechnet, Kopfschmerzen waren damals allseits bekannt, einige Menschen litten so massiv darunter, dass sie fast wahnsinnig vor Schmerz wurden. Weit verbreitet waren Augenleiden aufgrund von Rauch und Qualm, Feuchtigkeit und Schmutz in den Häusern, angefangen von chronischen Reizungen der Bindehaut bis hin zu völliger Blindheit. 

Viel häufiger waren aber Zahnschmerzen, Zahnpflege war noch ein Fremdwort. Da halfen schließlich auch keine Heilkräuter mehr,  so dass schließlich die einzige Abhilfe darin bestand, dass ein mehr oder weniger kenntnisreicher Zeitgenosse den Zahn mit einer einfachen Zange zog. Blieb die Wurzel im Kiefer stecken, war der Schmerz größer denn je; und es gab keine Abhilfe. 

Aber auch schwere Erkrankungen gehörten zum Alltag. Besonders gefürchtet waren Gliederlähmungen, die dazu führten, dass sich der Betroffene nur noch mit Krücken oder fremder Hilfe fortbewegen konnte,  die „Fallsucht“, mit der vermutlich die Epilepsie bezeichnet wurde, Schwerhörigkeit und Taubheit. 

Hinzu kamen Geschwüre und nicht heilen wollende Hauterkrankungen, Krebsgeschwüre und Geschlechtskrankheiten. Schwer getroffen waren Menschen, die vom sogenannten Aussatz, später als  Lepra  bezeichnet, befallenen waren. Lepra war im Mittelalter in Europa sehr weit verbreitet. Sie galt als „Strafe Gottes“: Der ursprüngliche Name „Aussatz“ stammt vermutlich daher, dass infizierte Personen außerhalb menschlicher Siedlungen (ausgesetzt) leben mussten. Sie wurden zu Aussetzigen erklärt. In Berkenthin wurde für diese ein Leprosorium, auch Siechenhaus genannt, unterhalten. 1420 wurde es erstmalig erwähnt. Es lag nördlich des Ortes, etwa im Bereich des heutigen Tunnels unter dem Bahndamm Richtung Klempau. Dieses St-Jürgen-Hospital wurde über Jahrhunderte hinweg von einer Gruppe der Barmherzigen Brüder betrieben.

Hilflos war  man auch den großen Epidemien, insbesondere der Pest, dem Schwarzen Tod, ausgesetzt.  Nach 1350, als die Pest zum ersten Mal im heutigen Schleswig Holstein nachweisbar ist, bis zur letzten Epidemie im Land im Jahre 1713 lässt sich durchschnittlich etwa alle 15 Jahre eine Seuche belegen, die mit der Pest in Verbindung gebracht wird. Die Sterblichkeit für einen befallenen Ort lässt sich historisch exakt nur schwer errechnen, wird aber von vielen Historikern bis zu  30 Prozent der jeweiligen Gesamtbevölkerung angenommen. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass auch Berkenthin wiederholt von der Pest befallen wurde, auch wenn es hierzu keine Quellen gibt. 

Neben den Krankheiten waren Verletzungen keine Seltenheit, gerade bei der Arbeit auf dem Feld oder beim Handwerk. Dazu gehörten auch Knochenbrüche, die mangelhaft behandelt wurden und dann schlecht oder gar nicht heilten und zu dauerhaften Behinderungen führten. 

Über die Ursachen von Krankheiten war wenig oder gar nichts bekannt, in den allermeisten Fällen wurde eine Störung des Gleichgewichts der Körpersäfte vermutet, da man sich an der Lehre von den Körpersäften orientierte, die auf den antiken Arzt Hippokrates zurückgeht. 

Viele Arzneien zur Linderung fand man in der umgebenden Natur, auf Wiesen, am Waldrand. Das Wissen um die Wirkung bestimmter Heilkräuter, aber auch von Mineralien war weit verbreitet und wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Wenn alles nichts half,  gab es noch Männer und Frauen, die für die kranken seltsame Getränke zubereiteten und dabei beschwörende Sprüche vor sich hin murmelten, die Krankheit „besprachen“  oder durch das bloße Handauflegen heilen konnten, die sogenannten „Wiggerschen“ (s.a. OT Kählstorf – von Hexen und Seuchen). (s. ndt. zaubern = wicken)


Der Weg in den Himmel

Der christliche Glaube bestimmte das Leben unserer Vorfahren im Mittelalter von der Geburt bis ins Grab.

Auch wenn das Leben unserer Vorfahren sicherlich auch seine heiteren Seiten hatte und wie zu allen Zeiten oft genug von unbändiger Lebensfreude geprägt war, wie wir aus vielen mittelalterlichen Quellen wissen, waren doch Krankheit, Sterben und Tod den Menschen jener Zeit mehr noch als heute  allgegenwärtig. Arbeit, Schmerzen, Hunger und Not führten dazu, dass das Leben oft genug als Jammertal empfunden wurde. Was blieb, war die Hoffnung auf besseres Leben im Paradies. Der Weg dahin führte nur über ein gottesfürchtiges Leben. Schwere Sünder landeten nach kirchlicher Lehrmeinung dagegen unvermeidlich in der ewigen Verdammnis, der Hölle. Ein dritter Weg drohte demjenigen, der sich nur leichter Vergehen schuldig gemacht hatte. Ihm drohte nach dem Tod das reinigende Fegefeuer, bevor sich ihm schließlich das Paradies öffnete.

Gott war den Menschen in dieser Welt nie fern, er war stets präsent und gab den Menschen Zeichen, ob sie ein Leben in seinem Sinn führten. Ob unerklärliche Wetterphänomene oder persönliche Schicksalsschläge, sie konnten immer eine Botschaft des Herrn sein. Auch der Teufel war nie weit weg, überall erschien er in Gestalt böser Tiere oder übler Versuchungen.  Auch Engel und Dämonen waren unterwegs, die den Menschen das Leben schwer machten. 

Der christliche Glaube war keine Sache für den Sonntag, sondern für jeden Tag. Nur der fromme Christenmensch konnte ein gutes Leben erwarten und darauf vertrauen, dass er in den Himmel kam. Entsprechend begleitete die  Kirche den Gläubigen in allen Lebensstationen. Es begann mit der Taufe, wenige Tage nach der Geburt,  die Heirat war ebenso eine rein kirchliche Angelegenheit und konnte nur von einem Pfarrer besiegelt werden. Ebenso war auch in der Todesstunde die Anwesenheit des Geistlichen unverzichtbar, um die Sterbesakramente zu empfangen. Und es galt, jederzeit die Gebote der Kirche streng zu befolgen, dazu gehörte auch die Achtung der Feiertage, insbesondere des Sonntags, an dem selbstverständlich nicht gearbeitet wurde. Über die Einhaltung der Gebote und des kirchlichen Regelwerkes wachte der Pfarrer: Er riet, was die Menschen zu tun und zu lassen hatten. Dass es vor allem im späten Mittelalter viele mit der Einhaltung der christlichen Regeln nicht mehr so genau nahmen, weder Gläubige noch Pfarrer, stand auf einem anderen Blatt. Aber noch waren Kirche und Pfarrer unabdingbar, das absolute Seelenheil zu erlangen.

Aber der Weg zu einem erfüllten Leben und mehr noch, der Weg in den Himmel war beschwerlich. Zum Glück gab es da noch die Heiligen, die man bis zur Reformation anrufen konnte, wenn man Schutz suchte oder ein besonderes Anliegen hatte. Zu ihnen betete man in der Kirche oder an den Wallfahrtsstätten und sie ehrte man durch die Aufbewahrung von Reliquien. So hofften die beiden Rondeshagener Brüder Delmenhorst 1434 mit einer Wallfahrt nach Wilsnack ihren Mord an den Berkenthiner Bauern Jawolde zu sühnen. Wilsnack galt als Santiago Nordeuropas und somit als einer der wichtigsten Wallfahrtsorte in Europa.

Die Heiligen sind es auch, die Wunder vollbringen konnten, wobei insbesondere die Berichte von Wunderheilungen von leidenden Menschen bereitwillig für bare Münze genommen wurden. Dabei bat man häufig genug nicht nur für sich und seine eigenen Errettung. Häufig genug wurden Heilige angerufen, um das Dorf vor Missernten, Krankheiten oder Krieg zu verschonen. Überhaupt wurde vieles über die Heiligen erzählt und auch so manches, was sich mit der kirchlichen Lehrmeinung nicht immer ganz deckte.

Grundsätzlich waren dabei die Grenzen zwischen christlichem Wunderglauben und heidnischem Aberglauben oder gar Hexenglauben  fließend. Aber selbst wenn der schreibkundige Pfarrer mahnend sein Wort erhob, blieb er doch meist unerhört. Die Menschen bedurten der Wunder und Erzählungen. Sie waren oft genug aufregend und gaben manchem Halt und Hoffnung.


Verwendete Quellen

Über den Alltag, das Lebensgefühl und Frömmigkeit der Menschen gibt es unzähligen Darstellungen. Der folgende Exkurs bezieht sich auf die umfassende Beschreibung bei  Tillmann Bendidowski:  Ein Jahr im Mittelalter, Essen und Feiern, Reisen und Kämpfen, Herrschen und Strafen, Glauben und Lieben, München 2019.

[1] Daten der Gesellschaft für Leprakunde, archivierte Kopie vom 20. November 2014 im Internet Archiv.  Vgl.  hierzu auch ….

Über die weitere Entwicklung der beiden Orte, nämlich  der „deutschen“ Siedlung Parketin und der als Flüchtlingssiedlung beschriebenen Siedlung  „Sclavicum Parkethin“  liegen uns für die folgenden Jahrhunderte zunächst nur bruchstückhaft Meldungen vor. Dabei tauchen die ersten Berkenthiner namentlich erst langsam aus dem Dunkel der Geschichte auf. Naturgemäß  erfahren wir aus den wenigen Quellen nur wenig über ihr Leben.  Will man einen Eindruck von der Lebenswirklichkeit der mittelalterlichen Dorfbewohner gewinnen, sind wir auf unsere Phantasie und allgemeine Darstellungen dieser Epoche angewiesen. Lesen Sie dazu das Kapitel „Leben und Lebensgefühl im Mittelalter“ dieser Chronik! Sicher ist aber, das der Alltag zunächst geprägt war von dem täglichen Kampf ums Überleben, von harter Arbeit, Entbehrung, Krankheit und Hunger, aber auch wie zu allen Zeiten von unbändiger Lebensfreude.

Auch wenn sich der Alltag der Menschen östlich und westlich der Stecknitz nicht wesentlich unterschieden haben dürfte, nahmen doch die Ortsteile eine unterschiedliche Entwicklung. Die eigene Geschichte des Lübschen Klein Berkenthins und des Adeligen Klein Berkenthin sowie Kählstorfs werden dabei in eigenen Kapiteln dieser Chronik gesondert dargestellt. Hier möchten wir, soweit es die Quellenalge erlaubt, den Werdegang Groß Berkenthins über die ersten Jahrhunderte weiterverfolgen. Wir werden sehen, dass auch dieser Ort wie die anderen Ortsteile zunächst „Pfandobjekt“ der Herzöge und der großen adligen Familien bleibt. Entsprechend wechselte wiederholt die „Herrschaft“, bevor es dann mit Beginn des 17. Jahrhunderts endgültig im Besitz des Sachsen-Lauenburger Fürstenhauses blieb. Die Eingesessenen hatten derweil passiv zu erdulden, wenn sie gerade einmal wieder verpfändet oder gar verkauft wurden.  

Als Kirchdorf war Berkenthin bereits 1230 vorhanden, wie wir dem Zehntregister entnehmen können. Der Ort war namengebend für das sich 1237 erstmals „von Parkentin“ nennende Adelsgeschlecht, das hier vermutlich schon als Lokator aufgetreten war, wenn man so will als „Siedlungsunternehmer“, der im Auftrag des Landesherren aber zum eigenen Vorteil Kolonisten ins Land geholt hatte. 

Am Anfang des 13. Jahrhunderts wurde Berkenthin Kirchort und damit war naturgemäß auch der Bau einer Kirche verbunden. Da die Ritter von Parkentin hier nicht das Kirchenpatronat inne hatten, wird der Kirchenbau vor ihrer Besitzergreifung gelegen haben. Tatsächlich lag das Patronat der Berkenthiner Kirche beim Landesherren und liegt heute entsprechend beim Kreis Herzogtum Lauenburg.  Ab wann genau die Ritter von Parkentin mit Berkenthin belehnt wurden, ist nicht klar. Sie treten erst ab 1240 urkundlich als solche auf, nennen sich aber schon 1237 von Parkentin.

1240 gestatten die Ritter von Parkentin den Lübeckern Kaufleuten u.a. die freie Benutzung der Handelsstraße nach Hamburg, soweit sie über Parkentinsches Gebiet verlief und damit das Übersetzen ihrer Waren über die Stecknitz. Wie schon an anderer Stelle dargestellt, verlief dieser wichtige Handelsweg von Lübeck kommend über Krummesse nach Groß Berkenthin, durchquerte dort vermutlich bei der heutigen Fußgängerbrücke die Stecknitz, wandte sich in Klein Berkenthin nach Süden und nahm dann über Göldenitz, Niendorf, Kühsen und  Nusse ihren Weg nach Hamburg. Zudem durften die Kaufleute hier an der Stecknitz eine Hude, also eine Art Warenumschlagsplatz, einrichten. Diese Hude befand sich direkt südlich an der Einmündung des Göldenitzer Mühlenbaches (s. Flur Große und Kleine Hude, auch Berkenthiner Wiese genannt). Also genau zwischen der Göldenitzer Burg und der Stecknitz.

Das ist insofern von Bedeutung, da hier in Berkenthin vermutlich die natürliche Schiffbarkeit der Stecknitz endete und eine Verschiffung bis hier natürlich nur dann sinnvoll war, wenn man hier auch die Waren umladen durfte. Der Bau des Stecknitzkanals, der die Schifffahrt von Lübeck nach Lauenburg ermöglichte, erfolgte erst später.

Der sogenannte „Hamburger Weg“ über Berkenthin war für die Kaufleute zwar ca. 10 – 15 km länger im Vergleich zur Strecke über Oldesloe (65 km), aber so konnte man holsteinisch/dänisches Territorium vermeiden. 1506 befestigten die Hansestädte Lübeck und Hamburg sogar diesen Weg über Krummesse und Schönberg, um dem Zoll des Dänischen Königs Johann I. zu entgehen. 

Ab 1675 wurde diese Strecke allerdings um 5 km verkürzt, indem man nun den Weg über Krummesse, Bliestorf und Kastorf mit Einverständnis der dortigen Gutsbesitzer führte und Berkenthin damit ins Abseits geriet.

 

Knapp 200 Jahre später, nämlich 1434,  erfahren wir dann von einem Streit zwischen dem Ritter Hartwig (IV) von Krummesse, der neben den Parkenthins ebenfalls in Göldenitz und Berkenthin Besitzungen hatte, mit einem gewissen Otto Stake. Beide machten Ansprüche auf das Dorf Göldenitz geltend. Offensichtlich fiel die Entscheidung des Herzogs zu Gunsten Hartwigs aus und Berkenthin und Göldenitz gerieten zwischen die Mühlsteine der beiden mächtigen Familien.

So brandschatzten 1433 Johann Stake und ein Schele Grönau in Berkentin und Göldenitz. „Dort nahmen sie den Bauern Pferde, Kühe und Schafe im Wert von 100 Mark und brannten die Höfe der armen Leute Blome, Winterfeld, Steffen und Jawolde nieder und verursachten einen Schaden von über 1.000 Mark.“

„dar nemen se an perden koijen, zwynen vnde schapen beter wan achte hundert mark vnde branden vnse armen lüde Blomen, Winteruelde, Steffen vnde Jawolde vnde deden en bouen dusent mark schaden“

Und so heißt es dann in der Klageschrift des Lauenburgischen Herzogs Erich V. am 9. Oktober 1434:  1. Antwort auf die Klage des Trittauer Burgvogtes, Albert Wulf: Darna achte dage quemen Vyuians Stake unde Guentyn, syn broder, Sleregen, Johan van der Gest, Wille, Gudekow unde Wenke myd anderen medehelperen, Albert Wulves knechten, unde nemen to Parkentyn, vnuorwart unde unentsecht, dem kerkheren, Bloemen unde anderen armen luden perde unde koye, beter wan soshundert mark, ..(später, nach acht Tagen kamen Vivian Stake und Guentin sein bruder, Sleregen, Johan von der Gest, Wille, Gudekow und Wenke mit weiteren Gehilfen, Albert Wulfs Knechten, und nahmen zu Berkenthin, ungefragt dem Kirchherren, Blome und anderen armen Leuten Pferde und Kühe, im Wert von über 600 Mark) ; Klageschrift gegen den Ritter Johan Stake:  „… Dar nemen se an perden, koijen, zwynen und schapen beter van achte hundert mark unde branden unse armen lude Blomen, Winteruelde, Steffen unde Jawolde unde deden en bouen dusent mark schaden (da nahmen sie an Pferden, Kühen, Schweinen und Schafen im Wert von achthundert Mark und branntschatzten unsere armen Leute Blome, Winterfeld, Steffen und Jawolde und machten einen Schaden von über tausend Mark (s. Urkunden-Buch der Stadt Lübeck – Band 7 – Seite 571).

Um die Hintergründe dieser Privatfehde zu verstehen, lohnt ein kleiner Abstecher in die Landesgeschichte. Man muss nämlich wissen, dass das Verhältnis der Familie Stake zu den Lauenburgischen Herzögen aus gutem Grund nicht das beste war. In dem lange tobenden Streit zwischen dem dänischen König und dem Holsteinischen Grafen um das Herzogtum Schleswig, hatte der Lauenburgische Herzog Erich V. für den Dänenkönig Partei ergriffen und war in diesem Zuge 1415 in Holstein eingefallen und hatte Oldesloe eingeäschert, das im Pfandbesitz von Herding Stake (auf Tralau) war und worin die Stakes auch 7 Häuser besaßen. Das war zwar schon 18 Jahre her, aber die Friedensverhandlungen dazu fanden erst 1434 in Vordingborg in Dänemark statt und somit war der alte Konflikt immer noch akut. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Brandschatzung Berkenthins gut und gerne als Rachfeldzug des Herren von Tralau deuten. Zudem hatte Herding Stake 1435 auch noch Ansprüche auf das lauenburgische Steinhorst.

Derartige Privatkriege zwischen mächtigen Ritterfamilien waren in jener Zeit durchaus an der Tagesordnung und wurden wie in  diesem Fall meist auf Kosten der Dörfler ausgetragen. Die Adligen selbst, so auch die Parketins oder wie die Herren von Crummesse in unmittelbarer Nachbarschaft residierten derweil mit ihrem Gefolge sicher auf ihren „Burgen“ und wussten sich so vor Übergriffen der feindlichen Nachbarn zu schützen, während die Bauern meist solchen Raubzügen schutzlos ausgeliefert waren.

Womöglich hängt dann auch die Ermordung  der Brüder Marquard und Jacob Jagedwele auf der Berkenthiner Schleuse durch den Rondeshagener Vogt Johannes und seinem Bruder Peter Delmenhost hiermit zusammen, von dem wir im Februar 1434 erfahren (UBStL Bd. 7 Nr. 563). Denn ein Jagedwele (Jawolde) aus Berkenthin ist ja auch schon oben mit als Betroffener aufgeführt. Näheres darüber ist aber nicht mehr zu erfahren.


Herzog Erich V. für Hinrik Wedel und Hinrik Heyleken aus Berkenthin, [1411-1435] 
AHL 
ASA Externa, Deutsche Territorien : 2650


1464 Hauptmann Curd Meyborg zu Mölln an Lübeck: Mitteilung der Enthebung des Heyne Tzuber der Vogtei Ratzeburg durch den Herzog und der Erhebung der Rente in Berkenthin durch den Geistlichen Andreas Wagendriver († 1487, 1466 Sekretär, Vicar am Lübecker Dom; Kanzler Herzogs Johann IV.; dieser nimmt sich widerrechtlich seines Erbes an s. Kobbe S. 202) (AHL ASA Externa, Deutsche Territorien 1934)


Lübeck an Bürgermeister Hinrick Mürmester (* um 1435 ; † 1481) von Hamburg: 

Bitte um Sendung eines in seinen Diensten befindlichen Jungen als Zeuge eines Raubüberfalls bei Berkenthin 1477; AHL ASA Externa, Deutsche Territorien : 2708″

Berkenthin wird dann wie andere Dörfer in den folgenden Jahrhunderten immer wieder zur „Verschiebemasse“ der Herzöge. Wiederholt wechselten die Besitzer, ohne dass die Eingesessenen gefragt worden wären. Als Herzöge des Reiches waren die Sachsen-Lauenburgischen Herzöge gezwungen eine standesgemäße Hofhaltung zu führen, nur diese stand im eklatanten Missverhälnis zu den Einnahmen aus ihrem sehr kleinen Herzogtum. Daher litten sie stets unter Geldnot. Die zuächst bequemste Art der Kompensation war dann Ländereien oder ganze Dörfer zu verkaufen oder zu verpfänden. Verpfändete man den Besitz, bot dies immerhin die Möglichkeit der späteren Rückerwerbung. Genauso verfuhren auch die mächtigen adligen Familien mit ihrem Besitz. Als segensreich für die finanziell stets „klammen“ Lauenburger erwies sich dabei die Nachbarschaft zu dem aufstrebenden und solventen Lübeck, das spätestens mit dem Bau des Stecknitzkanals an Landerwerb entlang des Kanals interessiert war. 

So erfahren wir, dass 1323  Herzog Erich I. das höchste Gericht, Bede und Schweineschnitt an Heinrich und Detlev von Parkenthin verpfändete. Damit erwarb dieser das Anrecht auf die Abgaben, die eigentlich dem Landesherrn zustanden und zusätzlich auf das von den Bauern abzuliefernde Schlachtschwein. 

70 Jahre später, am  1. September 1394 überließ dann  Eggert von Parkenthin als Erbe Detlevs von Parkenthin seine Rechte an den Dörfern Behlendorf, Berkenthin und Giesendorf wieder Herzog Erich III. (SHRU VI/2, 1126; vgl. Oldekop IV, 35). Am 21. September kamen dann noch die Dörfer Siebenbäumen und Rondeshagen hinzu.


Berkenthin als Altersversorgung der Herzogin

Unter dem 8. September 1444 erfahren wir dann wieder von einem Vertrag, in dem die Verpfändung der Dörfer Lütau, Witzeeze, Groß Sarau, Krummesse, Berkenthin und eines Teils von Niemark durch die Herzöge Bernhard II. und Magnus, Bischof von Hildesheim an die Lübecker Ratsherren Johann Gerwer und Johann Lüneburg dokumentiert ist. Ob damit der ganze Ort gemeint war und wie lange der Vertrag gehalten hat, ist nicht überliefert (vgl. UBStL VIII, Nr. 250; Q 24, Beilage H). Denn schon wenige Jahre später, 1450, überlässt dann Herzog Bernhard II. von Sachsen-Lauenburg seiner Gemahlin Adelheid von Pommern-Stargard halb Berkenthin zur Leibzucht, d.h. zu ihrer Altersversorgung.


Lübeck, Mühlentor 1552 (Ausschnitt Lübeck Stadtansicht Elias Diebel)

Dann muss Berkenthin in den Besitz des Ratzeburger Domkapitel gekommen sein. Denn 1525 verbietet Herzog Magnus den Berkenthinern weiter den Zehnten an das Domkapitel zu zahlen und verlangte diesen selbst.


Berkenthin wird Lübsch

Ab 1546 war dann Groß Berkenthin ca. 50 Jahre durchgängig verpfändet. Wir erfahren davon, dass der Herzog Franz I. von Sachsen-Lauenburg, wie üblich in Geldnot, die Dörfer Niemark, Krummesse, Klein Sarau, Poggensee, Holstendorf, Göldenitz, Groß Sarau, Kählstorf und Berkenthin  für 1.500 Mark an Lübeck verpfändete. Verzeichnisse der Pachteinahmen aus dem Archiv Lübeck belegen dies.


Das bedeutete auch, dass nun die Stadt Lübeck oberster Rechtsherr war, die hier durch den Möllner Stadthauptmann, Nikolaus Bardewik (auch Clawes Bardewyck; * 1506; † 1560) vertreten wurde.  Bardewik war von 1537 – 1543 Möllner Stadthauptmann und ab 1544 Lübecker Bürgermeister.

So kam es 1541 zu einer Verhandlung gegen den Berkenthiner Hufner Marquard Boddin und seinen Bruder Jacob:

tho vorwenn, dat am jar na Christ geborth,
vofteynhundert eyn und vertig mandages
na viti Sewdo am Gmansende
vor Trinitatis gen tuckehode durch Mar-
kwart bodden to parkentin sines broderß
er Jacob boddins, dassulvest wanaftig
myt namen bartelt sine perde unnd
wagen awergefaren, unnd alß to a-olns
unneborger, vor Mester Jacob Swarten dem
arstenn gehoren dar he deme das awer vor
storwen, und sodaurs schaden haben wann
levende to dem dode gebracht, war up deme
de beroer Jacob myt sinen broder mar
kwarch
dewde de corpus vor der sake afdragk

meht tho der ende gestadet werdenn nnhto,
vor dem Erbarnn Hernn Clawes barde-
wyks, rathmanne to lubeck hovetmanns
to Molne und Ritzerow, erschenen, unnd
alda de Ersamen Hans thews und borchert
aderborg, borger to Molne, to borgenn gestellet
welker gelawet unnd gnehgestecht dat dem up
gedachtenn Hern Clawess de berarte Mar-
kwart to wehr, wor he ene forderen word
erschenenn schulde unnd wes aldar tho recht
erkannt worde, wolden de berorten borger
vor guth  unnd borgenn sin, darwegenn
heft markwart boddin, dem vorgefornen
Hans tews und borchert aderborgs, alsts sins
borgen, dar myt to des gelofers Halven scha-
delos blefen, –t der wers gesettet, al sin
gude bewechlich und unbewechlich kwick und
forende hawe und wes sinst yn siner were
weres, der gestalt, dat se des geloffers halwenen
temgenn schadenn nemern oder se nicht be
nemernn worde, so schollen, se den selingt
en synen bwerthne gude wedder sokenn,
sofollen darbenennt ock mast hebben,
tho wedderleggenge des schaden, ins ineyns ehe
like Harbargs, intholeggenn, boch to wedder
steeckinge, des sulvgen, oder ens myt wagen
perde, und sines sulves lyut arresteren und
anholden, becj se wes schaden gantz und gar
weneget sin, Enge her to sin gewesenen,

de Ersame Mester Jacop Swarte, und Henrick
ladehof, geschehen am jar und tage we
buwenn X : X

AHL Kämmerei Nr. 496 Landgerichtsbuch Ritzerau 1541


Berkenthiner Hufen und Geldpacht

Aus den Jahren 1517, 1532, 1546 und 1547 liegen uns Aufstellungen der Berkenthiner Bauern vor ( zu den Aufstellungen von 1517 und 1532 s. Aufsatz Schrader). 1546 müssen die 17 Hufner und Kätner zusammen 112 Mark und 12 Schilling an Abgaben an den Klempauer Hof, zu dem Berkenthin damals verwaltungstechnisch gehörte, leisten. Darin sind enthalten Bedehühner, Ochsengeld, Ablager, Krugheuer u.a. (AHL Kämmerei Nr. 2710).

Ablager: Wenn der Herzog mit seinem Hof reiste oder bspw. mit Gesellschaft auf Jagd war, hatte er das Recht in seinen Dörfern auf Verköstigung und Übernachtung. Das Dorf Groß Berkenthin war verpflichtet den Herzog pro Jahr zwei Nächte kostenlos unterzubringen. Wenn der Herzog davon keinen Gebrauch machte, waren die Berkenthiner verpflichtet ihm diese 2 „Nächte Ablager“ mit 20 Mark zu vergüten.

Bedehühner: auch Rauchhühner genannt, waren eine Naturalienabgabe pro Feuerstelle (Rauchabzug), die hier im 16. Jahrhundert schon in Getreide (meist Roggen) geleistet werden musste. Also bei einer Abgabe von 8 Scheffel Bedehühner handelt es sich in Wahrheit um 8 Scheffel Roggen im Wert von acht Hühnern. Bede = Steuer

Schon die Überschrift macht deutlich, dass die Hufner, also die Bauern die im Besitz einer Hufe Landes waren, nicht Eigentümer sondern nur Pächter (= Meier) waren. An den Geldbeträgen kann man ermessen, dass die Besitzverhältnisse recht unterschiedlich waren: Bei Marquard Blome handelt es sich höchstwahrscheinlich um den Bauernvogten, denn er hat mit 80 Schilling Geldpacht vermutlich die größte Hofstelle und wie es für einen Bauernvogten üblich ist auch einen Krug. Ihm folgt der Hufner Paul Weber mit 56 Schilling, bei ihm handelt es sich um den Klein Berkenthiner Schleusenmeister. Sechs Bauern zahlen 48 Schillling. Diesen folgen dann die übrigen neun Bauern mit 40, 36, 28, 24, 20, 3x 16 und 8 Schilling, wobei Coon Kanis nach Klein Berkenthin gehört. Von den 17 Hofstellen müssen aber nur neun Bauern Bedehühner abgeben. 3 Höfe betreiben hiernach einen Krug in Berkenthin, hinzu kommt noch der Krug des Schleusenmeisters und der des Klein Berkenthiner Bauernvogten. Somit gab es damals 5 Krüge in Berkenthin.

s. später Verkoppelung (Egalisierung)

Parkentiner Hoven unde gelt pacht

Aßmus Wiße gelde pachten 3 Mark, krog hure is 1 Mark 8 Schilling, vur datt Molen Erve 2 Mark, 8 Scepel bede Höner

Pawl Wenden Up der sluße 3 Mark 8 Schilling

Hans Kruse gelt pachten 1 Mark 4 Schilling

Hinrick Snower Erve bowa ver Joachim Olrickes gelt pacht 3 Mark krog hure 1 Mark 8 Schilling, 8 Scepel bede Höner

Marquarde blome gelt pach 5 Mark, krog hure 1 Mark 8 Schilling, Woldt geldt 1 Mark, 8 Scepel bede Höner

Marquarde Stratte gelt pacht 3 Mark, 8 Scepel bede Höner

Clawes Vollers gelt pacht 2 Mark 8 Schilling, Noch vür 1 Erve 4 Mark, , 8 Scepel bede Höner

Marquarde Buddin gelt p: 2 Mark 4 Schilling, 4 Scep bede höner

Borchert Geverdes gelt pacht 1 Mark 12 Schilling

Lütke koep gelt pacht 1 Mark 8 Schilling

Hans swarte gelt pacht 8 Schilling

Hans Willemes gelt pacht 1 Mark 

Parseval gelde pachten 3 Mark, 4 Scepel bede höner

Hans Brant gelt pacht 1 mark

Petter Soltow gelt pacht 3 Mark, Wolde geld 1 Mark, 8 Scepel bede höner

Clawes geverdes gelt pacht 3 Mark, 8 Scepel bede höner

Coons Kanis to Lütke parketins 1 Mark, Holde geld 4 Schilling

Summa de deggen ossen gescrevenn parkentiner gelt pachten 52 Mark wo wol Er in f.g. -ergestau 3 Mark hege- gesteller is vür doch porpe Holt Er is aber nimens de Sülkens don vür gerne mit Bedehöner is 5 drompt 4 scep de scepel 2 Schilling – 8 Mark

Wer geffe de gantze burscop 4 dromet cleger hovenen tho 2  Schilling – 6 Mark

nine den burmester 9 Scope osse Smde 

Swine to 12 Schilling – 5 Mark 12 Schilling

Ossen gelde jorlike – 20 Mark

vur 2 Nacht afflorger 20 Mark

Summarum aller boringa des dorpes Parkentin – 112 Mark 12 Schilling

 

 


1552  folgt eine Liste der Lübecker über säumige Berkenthiner Eingesessene. Namentlich wird darin ein Parsval aus Berkenthin genannt, der 2 Jahre zu Ostern die Pacht schuldig geblieben ist und nun 6 Mark zahlen soll. Auch fehlen die Abgaben der drei Krughäuser und weitere Abgaben von Berkenthiner Einwohnern.

parsval tho parkentin ist schuldig 2 Jar do pasche an gelde 6 Mark und vur ande Jawrenn vur 2 Jar schuldig 1 Mark

Der Klempauer Hof, auch Vogtei oder später Amt genannt, war 1552 für 6.000 Mark an die Stadt Lübeck verpfändet worden und konnte erst 1583 von Hans Buchwald wieder eingelöst werden, obwohl schon 1574 Herzog Adolf von Schleswig-Holstein Herzog Franz II. 8.000 Mark zur Einlösung von Klempau überlassen hatte. Besitzer des Hofes waren während dieser Zeit: Friedrich Nursau (? Nussen), Bosshoff Bockholt, Heinrich Lathausen, Hans Blome (-1570) und Hans Buchwald (1570-1583).

aus: Besitzverhältnisse und Verwaltung des Guts Klempau
u.a.: Verzeichnis der Pachteinnahmen aus Krummesse, Klempau, Klein Sarau, Holstendorf, Göldenitz, Groß Sarau, Kolstorf, Parkentin;


Die heillose Geldnot Herzogs Franz I. zeigte ferner eine Schuldverschreibung für die sächsischen Herzöge 1552 und Zession dieser Verschreibung 1556 durch den Herzog August an Christoph von Ponickau und Christoph von Ragewitz. Da man aber wie immer knapp bei Kasse war,  entbrannte 1556 ein Streit um die Rückzahlung das Darlehens bzw. um Einweisung in den Besitz der für das Darlehen verpfändeten Höfe und Dörfer Klempau, Groß Sarau, Klein Sarau, Berkenthin, Holstendorf, Pogeez und Kählstorf und in den Zoll zu Lauenburg. Der Streit endet mit einem Vergleich. 

Kläger: Christoph von Ponickau und Christoph von Ragewitz, kursächsische Räte zu Dresden, Rechtsnachfolger des August von Sachsen, Beklagter: Herzog Franz I. von Sachsen-Lauenburg, Prozessvertreter: Dr. Amandus Wolff, Dr. Jacob Friedrich Meurer, Dr. Leopold Dickh, Dr. David Capito, Streitgegenstand: Streit um die Rückzahlung eines Darlehens der Herzöge Moritz und August von Sachsen für Herzog Franz I., bzw. um Einweisung in den Besitz der für das Darlehen verpfändeten Höfe und Dörfer Klempau, Groß Sarau, Klein Sarau, Berkenthin, Holstendorf, Pogeez und Kählstorf und in den Zoll zu Lauenburg, 1556-1567

RKG 1556-1567; Schuldverschreibung des Herzogs Franz I. für die sächsischen Herzöge 1552 und Zession dieser Verschreibung 1556 durch den Herzog August an Christoph von Ponickau und Christoph von Ragewitz (Q 5, 7); Vergleich zwischen den Parteien 1562 (Q 21); Prozesskostenaufstellung 1556-1566 (Q 14, 26) (LASH Abt. 390 Nr. 324)


Wenige Jahre später, 1567, erfahren wir von der Überlassung der Vogtei Anker mit Groß und Klein Berkenthin, Göldenitz, Bergrade usw. seitens des Herzogs Franz I. an Claus Rantzau (1567), an Joachim von Platen bzw. Hans Blome (1569-1586) für 10.000 Rhtl., rückzahlbar in sechs Jahren (LASH Abt. 210 Nr. 3453; Urk.-Abt. 210 Nr. 798).

Das bedeutet aber nicht, dass diese Herrschaften dann auch auf dem Hof Anker wohnten. Hans Blome (*1538; † 1599) bspw. war Gutsbesitzer von Seedorf bei Segeberg und Amtmann in Sonderborg, lebte also weit entfernt. Der Hof Anker wurde von einem Vogten verwaltet. Auf dem Hof lebten 1579 insgesamt 10 Personen, die Amtmann Blome bezahlen musste: 1 Vogt, 1 Bauknecht, 1 Fischer, 1 Müller, 1 Brauer, 1 Kuhhirte, 1 Schweinehirte, 1 Meiersche und 2 Mägde. Der Vogt war Elwes Mohr, danach ein Michel, dem nun auch die Berkenthiner Rechenschaft schuldig waren. Vermutlich hat hier dann und wann  Blomes Bruder, der Steinhorster Amtmann Heinrich Blome (*1545; † 1597), nach dem Rechten gesehen. Blomes Präsents wird auch durch einen in Göldenitz gefundenen Wappenstein belegt (s. Die Burg der Ritter).


Dies änderete sich 1586 als das Gut Anker mit Groß und Klein Berkenthin, Bergrade usw. seitens des Herzogs Franz II. an einen gewissen Joachim Moller zu Heiligenthal erneut verpfändet wurde (LASH Abt. 210 Nr. 3455). Moller war ein Sohn des gleichnamigen herzoglichen Braunschweig-Lüneburgischen Kanzlers, dem das ehemalige Kloster Heiligenthal bei Lüneburg wegen seiner Verdienste als Gut geschenkt wurde. Die Familie nannte sich seither Moller zu Heiligenthal. Moller lebte im Gegensatz zu den Vorbesitzern auf dem Vorwerk Anker, dies bezeugen einige Schreiben, wie auch das nachfolgende, die er dort verfasste.

Mit der Pachtung der Vogtei Anker war Joachim Moller aber auch Vertreter seiner Untergebenen (Untersassen) „mit aller Hoheit und Herrlichkeit in Hals und Hand“. Nachfolgend eine Bitte Jochim Mollers für seinen Untersassen Heinrich Hoffmeister in Grossen Perkenthijn an den Möllner Stadtrat 1588 in Sachen Alimente:

Meinen freundlichen Gruß in der Zeit zuvor, Erbar weise undt vorsichtige besondere gute freunde undt Nachtbarn, Ich magk euch freundlich nicht vorhalten, wie von meinen undersassen einen in Grossen Perkentijn Namhafft Heinrich Hoffmeister, vor mir heute dato erschienen undt mir klagende vormeldet, wie seine geliebte Hausfrawe, Jochim Giesen seligen hinderlassene Wittibe, ein Kind, dessen Vater Clauß Karndeß, weilandt uff dem Hoffe Ritzerow Vogt gewesen, selicher in Gott verstorben, undt deß vaterlosen Kindes Vormünder sein, die Erbarn Ehrnvhesten undt Manhafften Hans Lüneburgk itzo in Hohrnbeke wonhafft undt Hans Oldelandt Ambtmann uff Ritzerow , Weendt disse nicht vormelden Vormünder berürten Meines und fossens frawen vor daßselbe Kindt, auff zu erzihen in de Jhor 15 Mark Lübsch vorheissen, zwey Jhor, langk bey sich gehabtt: Nun Er aber ahn deme, daß der Edle undt Ehrenvheste Heinrich Karberch, hundt Mark lübsch, von des selben kindes Vatern selig, uff Rente, undt berürter mein undersasse viel mahl umb fellich gelt, wegen des kindes des daß sin zwei jhor langk aufferzogen, wolete sein 30 Mark lübsch, bei dem Vormunden ansuchung gethan, undt vor einem Jare zum ande, ohne zalungk auffgehaltten worden undt under allem Ich berichtet, daß genanter Heinrich Karberch uff itzige osterliche freye tage, die haupt summa sambt der 100 Mark lübsch außzugeben schuldigk, So gelanget denne wegen ihn Erh mein freundliche bitten, Ihr wollet, die selbst Rentte, arrestiren undt anhalten lassen, darmitt Obbmelder Mein undersasse, wegen deß auffer zögeneß Kindes der zweyer Jhor, kommen möchte, Bin Ich sonder zweiffel, Ihr werdett mir in deme, gleich Ihr von mir wiederumb wollet gehatt haben, wilfarten, dasselbe in ende sonsten wiederumb zuvordinen bin Ich in der zeit willigk, Datum Ancker den 2. Aprill ao 88

Jochim Moller mein Handt

 

Wenn man dem Bericht bei Kobbe über Jochen Möller glauben schenken darf, war dieser vermutlich nicht sonderlich beliebt bei den Bauern. So drohte er beispielsweise dem Berkenthiner Schleusenmeister Hans Rike, dem auch eine Hofstelle in Groß Berkenthin gehörte, ihm sein Land zu nehmen, wenn er nicht sein Bier vom Hof Anker beziehen würde.


1572 Urfehde des aus Greifenberg in Pommern gebürtigen Urban Sastrouw; die Freilassung erfolgte durch Fürbitte des Rates zu Greiffenberg. Der Aussteller verpflichtet sich, das Berkentiner Gebiet nicht wieder zu betreten und sich mit seinem Ohme Hanß Ramelouw sofort nach Greifenberg zu begeben (AHL Urfehden 0763)

Herzog Franz II. von Sachsen-Lauenburg

1593 ließ Herzog Franz II. Wilhelm Moller, den Bruder des voran genannten Jochim Moller, vom Gut Anker vertreiben, weil mittlerweile Gegenforderungen der Herzogs erwachsen waren, die der damaligen Pfandsumme von 10.000 Rthl. entsprachen (genauere Aufstellung s.v. Kobbe, Anker, S. 258 ff), worüber noch bis 1619 ein Prozeß geführt wurde. 

Das bedeutete für die Groß Berkenthiner, das nun wieder der Herzog Eigentümer war und dessen Beamten in Anker die Obrigkeit repräsentierten.


Das Ratzeburger Schloß um 1630

Dreister Diebstahl

Folgende kleine Begebenheit ereignete sich dann bereits wieder zur Zeit herzoglichen Oberhoheit über den Ort. Hier begegnen uns denn auch wieder einige Berkenthiner namentlich. 

Im November 1614 muss sich der Ratzeburger Amtmann Hans Steinkeller beim Lübecker Rat beschweren, da seine Beschwerde, die zunächst an den Möllner Hauptmann gerichtet war, nicht beantwortet wurde. Hatten doch mehrfach die Stecknitzschiffer Claus Korf und Catharina Korfs Sohn Gänse der Groß Berkenthiner Bauern Asmus SoltauJürgen Meyer und Hans Reimersen erschlagen und mit sich geführt. Steinkeller läßt diesen ausrichten, wenn sie zukünftig nicht auf ihren Schiffen blieben, werde es ihnen wie den Gänsen ergehen und bittet um Bestrafung der Diebe. Der Möllner Hauptmann Hans Spangenberg (amtierte 1607–1616) antwortet prompt noch im selben Monat und stellt klar, das die Beschwerde an seinen Amtschreiber gegangen war und er zwischenzeitlich auch die Diebe zur Rede gestellt hatte. Er hatte diese angewiesen für jede gestohlene Gans den Bauern 8 Schilling zubezahlen. (AHL ASA Ext. Dt. Terr. 3052)

Ansicht von Mölln 1657

Krüge

Der Krug war nach der Kirche der wichtigste soziale Brennpunkt des Dorfes. Da Berkenthin ja an mehreren wichtigen Verkehrswegen lag und so auch Reisende versorgt werden mußten, hatte man gleich mehrere davon. Eigentlich war dieses Privileg, also zu krügen, nur dem Bauernvogt im Dorf vorbehalten. Diesem war diese zusätzliche Einnahmequelle als Entschädigung für seine Dienste für die Obrigkeit vergönnt, deshalb auch steuerfrei! Die übrigen mussten für dieses Privileg Abgaben entrichten. 1552 gab es in Groß Berkenthin 3 Krughäuser, die verpflichtet waren je einen Gulden jährlich hierfür zu entrichten.

1552 to parkentin seint angeschlagen 3 krochhuse des jars jeder für 1 gulden tho gevende

Um 1600 wurden dann diese Krüger auch namentlich gelistet: Casper der Schneider, Hinrich Schnower, Peemoller und Heinrich Wulff, wobei es sich bei Schnower um den Bauernvogten und bei Peemoller um den Schmied handelte.

1609 waren es dann nur drei Krüge (2 pflichtig, 1 frei). Um die neu eingefühte Biersteuer zu sichern, mußten die beiden Berkenthiner Krüger Wulff und Soltau in Ratzeburg dem Herzog schwören den Kerbstock beim Bierausschank anzuwenden.

Ich N.N. Loebe und Schwere zu Gott einen Eydt in meine Sehle das ich vom Dato am die Karbstocken wegen deß Bihres so in des Burmesters hausse angekrüget wirt, richtigk mit dem selben ufschneiden will damit meinen gnedigen Fürsten und Herrn wegen der newen Acciso zulage nichten entwendet werden soll, so wahr mir got helffe, und sein heilligs Wortt
prastiret sm 23. July Anno 1609

Barkentin: Heinrich Wulff undt Asmus Soltows

Amus Soltau wird uns später wieder begegnen ( s. Hinterhältiger Mord an einem Mahlergesellen ). Das Bier mußte vom Ankerschen Hof bezogen werden, wo auch gebraut wurde. Bei besonderen Anlässen wurde aber das Ratzeburger Rummeldeus bevorzugt. Darauf deutet wohl auch die Flurbezeichnung „Bierwegs Sohl“ an der Straße nach Ratzeburg zur Grenze nach Kulpin.