Stecknitz- und Elbe-Lübeck-Kanal

Die Stecknitz

Ausschnitt Plan J. L. Hogrewe 1779 (Königliche Bibliothek, Kopenhagen)

Beim zwischen 1391 und 1398 erbauten Stecknitzkanal handelt es sich um den ältesten Scheitelstreckenkanal Nordeuropas. Schon seit 1188 hatte die Stadt Lübeck mit dem sogenannten „Barbarossa Privileg“ die Hoheit über den Verkehr auf der Stecknitz bis Mölln erworben. 1236 wird der erste Schiffverkehr urkundlich fassbar.

1655 umfasst der Kanal von Lübeck bis Lauenburg 15 Schleusen. Davon waren nur zwei Kammerschleusen (Hahneburger Schleusen). Bei den übrigen Schleusen, wie auch der Berkenthiner Schleuse, handelte es sich um sogenannte Stauschleusen (hier zur Schleuse). Diese wurden an den sogenannten Wassertagen (auch Zapftage genannt), im Berkenthiner Fall Dienstag, Donnerstag und Sonnabends, geöffnet, so dass die Stecknitzkähne dann auf einem Wasserschwall Richtung Lübeck schnellen konnten.

1662 kam es dann zu ersten Planungen zur Verbesserung des Kanals. Schweden hatte durch den 30-Jährigen Krieg einige Gebiete in Norddeutschland erhalten (Bremen, Verden, Stade u.a.) und war daran interessiert, diese auf dem schnellsten und sichersten Weg zu erreichen. Lübeck erhoffte sich durch die Verbesserung des Kanals, diesen Handel so über Lübeck leiten zu können. Aber erst sieben Jahre später, 1669, wurden dann drei niederländische Wasserbaumeister beauftragt einen Plan auszuarbeiten und einen Kostenvoranschlag zu machen. Die Baukosten wurden auf die ungeheure Summe von 1.126.000 Holländischen Gulden veranschlagt und so mangels Geldes nicht zur Umsetzung gelangte.

Langanhaltende Regenfälle Ende Dezember 1681 sorgten für einen dramatischen Anstieg des Ratzeburger Sees. Die Lange Brücke nach Ratzeburg stand unter Wasser und das Schloß selbst war von Überschwemmung bedroht. Obwohl die Hansestadt Lübeck alle Schotten an den Mühlendämmen geöffnet hatte, floß das Wasser nur unmerklich ab, so dass sich der Herzog gezwungen sah selbst für Abhilfe zu sorgen. Er beauftragte einen Graben vom Nobiskrug in Sarau bis zur Stecknitz zwischen Krummesse und Berkenthin graben zu lassen. Der Graben wurde im Klempauer Moor begonnen und nahm schnell Gestalt an und Mitte Februar floß schon das erste Wasser in die Stecknitz. Dies musste natürlich von Lübeck unmittelbar unterbunden werden, da sonst die Stecknitz zu verschlammen drohte und auch die Mühlen und Wasserkünste der Stadt bald stillstehen würden und somit die allgemeine Versorgung aufs höchste gefährdet war. So zogen am Abend des 19. Februar 1682 300 Bürger, geschützt von 200 Soldaten und 40 Reitern zum Graben und begannen diesen wieder zuzuschütten. Hierzu fertigte dann der Lübecker Baumeister Johann Ludwig Heppeler (Lübecker Baumeister von 1682-1686) eine Skizze vom Ratzeburger See nach der Stecknitz zwischen Krummesse und Berkentin, um den Sachverhalt vorm Reichskammergericht zu dokumentieren. 
Einerseits werden sicherlich von herzoglicher Seite die Bauern des Amtes, darunter dann eben auch die Berkenthiner, zur Grabung des Abflusses herangezogen worden sein. Andererseits wäre es mit der dauerhaften Fertigstellung dieses Grabens zum Ende des Schiffsverkehrs auf der Stecknitz gekommen, was auch für die Berkenthiner Linienzieher und Krüger ein herber Verlust gewesen wäre.
 

In den Jahren 1777-1789 ließ die Königliche Regierung in Hannover, zu dem Lauenburg damals gehörte, durch den Ingenieur-Hauptmann (späteren Oberst) Johann Ludewig von Hogreve (*1737; † 1814) einen Verbesserungsplan (s.o. Ausschnitt) ausarbeiten, der aber nur zu einem geringen Teil, von 1799 bis 1803, durch die Vertiefung der Scheitelstrecke zur Ausführung gelangte. Auch die von Napoleon nach der Einverleibung von Lübeck und Lauenburg in den Jahren 1811-1812 in Aussicht genommenen Canal-Projecte, welche einen Umbau des Stecknitz-Canals in großartigem Maaßstabe umfaßten, kamen nicht zur Ausführung, weil seine Herrschaft in Deutschland schon 1813 endete.


Berkenthiner Linienzieher

Ein bedeutender Nebenerwerb der lübschen und lauenburgischen Berkenthiner Kätner war das Treideln, also das Ziehen der Stecknitzkähne per Mann bzw. Frau. Diese wurden als Linienzieher (Linentöger, -trecker) bezeichnet, weil sie de Linen, Plattdeutsch für Leinen, zogen. Sie kamen überall dort zum Einsatz, wo die Strömung der Stecknitz ein Staken gegen die Strömung unmöglich machte. Die einzelnen Ortschaften an der Stecknitz hatten ihre jeweiligen Abschnitte, für die sie tätig waren. Die Treidelpflicht bzw. das Treidelprivileg war meist mit einer Hofstelle verbunden. Schon Carl Friedrich Wehrmann und Dr. Friedrich Bertheau machten darauf aufmerksam, dass die lübschen Erwerbungen im Lauenburgischen nicht nur zur Sicherung der Verkehrswege dienten, sondern dass man mit dem Erwerb von Hofstellen direkt an der Stecknitz auch Bauern zum Treideln und Wasserbau verpflichten konnte.

Leider finden sich nur wenige Dokumente zu den Berkenthiner Linienziehern. Sie waren für den Abschnitt von der Berkenthiner Schleuse bis zur Donnerschleuse (bei Kühsen) zuständig bzw. privilegiert. Von welchen Berkenthiner Hofstellen die Linienzieher kamen ist leider nicht überliefert. Aber der Logik nach muss es wie in Krummesse auch in Berkenthin 16 Linienzieherstellen gegeben haben.

Die Krummesser Linienzieher hatten sich verpflichtet mindestens 12 Stecknitzkähne wöchentlich von Lübeck bis an die Berkenthiner Schleuse zu ziehen. Doch besonders im Frühjahr zur Aussaat und im Herbst zur Ernte waren diese ihrem Verprechen nicht nachgekommen, so das Schiffe 2 Wochen und länger  in Lübeck liegen blieben und damit auch die Holzversorgung der Lübecker Bürger durch den ausbleibenden Rücktransport bedroht war. So baten 1682 die Stecknitzschiffer Hans Hinrich Koop und Johan Nicolaus Lüders im Namen aller Stecknitzschiffer das Amt in Ratzeburg, dass sie sich auch für den Abschnitt Lübeck – Berkenthin sich Berkenthiner Linienzieher bedienen düften (AHL ASA Int. 29666).

mehr zur Geschichte der Stecknitzfahrt hier

Die Stecknitzfahrt – die nasse Salzstraße

Vortrag von Dr. Claudia Tanck
für den Heimatbund und Geschichtsverein, Bezirksgruppe Lauenburg, und
das Forum Kultur und Umwelt im Projekt „Salz in der Linse“
am Dienstag, 17. Oktober 2017 im Hotel Bellevue, Lauenburg

Ausschnitt Plan Dammann/Woltmann 1822 (Königliche Bibliothek Kopenhagen)
Stecknitzfahrer Begräbnisplatz

 

Man fragt sich natürlich, weshalb die Stecknitzfahrer hier in Berkenthin überhaupt Ihren eigenen Beerdigungplatz brauchten. Kamen diese doch für gewöhnlich aus Lübeck und hatten dort ihren Lebensmittelpunkt. Aber allein für die Strecke von Krummesse nach Berkenthin brauchte man schon 2 Tage, d.h. dass die Fahrt  von Lübeck bis Lauenburg (97 km) und zurück allein Wochen in Anspruch nahm. Zudem durfte am Sonntag nicht geschifft werden und die Schleusenmeister durften natürlich auch nicht Schleusen. 

Als ordentliche Christen brauchten die Schiffer während der langen Fahrt die Möglichkeit am Sonntag auch an einem Gottestdienst teilzunehmen. So hatten Sie in allen Kirchen entlang des Kanals eigene „Stühle“ in den Kirchen, also Sitzbereiche, die nur ihnen vorbehalten waren und für die sie den jeweiligen Kirchengemeinden auch entsprechnde Abgaben zahlten.

Aber so ein Christenleben endet dann und wann auch unerwartet während der Reise, hat aber Anspruch in geweihter Erde bis zur Auferstehung zu ruhen. So genügte nicht nur das Gestühl in der Kirche sondern es musste auch ein Platz auf dem Gottesacker reserviert werden. Zudem waren die Stecknitzschiffer oft mir ihrer ganzen Familie unterwegs und so konnte manchmal eine Niederkunft und die darauf dringend benötigte Taufe des Neugeborenen nicht bis Lübeck warten.


Nachfolgend die im Berkenthiner Kirchenbuch verzeichneten Trauerfälle und eine Taufe:

1654  21. May von einem Stecknitzfahrer Kinde Glockengeld 8ß

1664  von einem Stecknitzfahrer Kinde empfangen Glockengeld 1 M 8ß

1670 Grabstein von 1670 (s. Bild)

1678  läßt der Stecknitzfahrer Balzer Christopher seine Zwillinge (Anna Chrisina und Asmus) in der Berkenthiner Kirche Taufen.

1689 den 13 Decembr. Einen Steckenfahrer, welcher zugleich ältersmann gewesen, beerdiget.

1727  wird das Kind eines Stecknitzfahreres hier begraben.

1737  wird die Tochter eines Stecknitzfahrers hier beigesetzt.

1741 den 23. Dec. Einen Stecknitz Schiffer hier begraben

1748 den 20. Ejusd. [Juny] Hinr. Havemann ein Schiffer hier begraben

1762 den 22. Juny Einen Stecknitz Schiffer hier begraben

1769  wird hier der einjährige Sohn des Stecknitzfahrers Johann Wilhem Löding begraben.

1775 Hans Hinrich Plat ein einwohner in Lubeck auf einem Steknitzschiff gestorben und am 10ten Febr. begraben 74 J.

1782:  am 29. Junii ist eine Frauensperson von den Stecknitzfahrern in einen bei der Schleuse gesunkenen Schiffe im Waßer umgekommen und beerdiget 30 – 45 Jahre alt.

1787  wird wieder ein Kind eines Stecknitzfahrers hier begraben und der Stecknitzfahrer Hans Jochim Bruns, 54J.

1796  wird die Frau des Stecknitzfahreres Hans Gerhard Fehling, Catharina Maria geb. Stüven, 55J. hier begraben.

1797  verstirbt hier die Tochter des Stecknitzfahrers Detlev Rohweder, Anna Maria im Alter von 3 Jahren.

 

 

Lübecker Anzeiger 1832

Traueranzeige der in Berkenthin verstorbenen Catharina Sophia Fehling geb. Martens.


Der Begräbnisplatz mit seinen 4 Quartierssäulen von 1862 wurde 1969 wieder hergestellt.


noch bearbeiten:

Ein anderes tragisches Ereignis wirft ein Licht auf die besonderen Rechtsverhältnisse am alten Stecknitzkanal. 1661 ertrank der sechsjährige Sohn von Hans Bielefeld im Kanal, nachdem er von einem Stecknitzkahn gefallen war. Das Kind sollte nun auf dem Berkenthiner Friedhof beerdigt werden, was allerdings auf den Widerstand der Lübecker stieß, die die Oberhoheit über den Kanal für sich reklamierten. Es wurde sogar ein Soldat in den Ort beordert, um das Begräbnis in Berkenthin zu verhindern  und eine Beisetzung auf einem lübschen Friedhof sicherzustellen. Aber Berkenthiner Bauern brachten den Leichnam in die Diele eines Bauernhauses und es erging ein Amtsbefehl von Ratzeburg aus, die Leiche des Kindes bis zur Beerdigung zu bewachen. Danach wurde das Kind tatsächlich auf dem Berkenthiner Friedhof beerdigt. Dieser Vorgang wurde sogar notariell festgehalten, weil es hier um die bedeutsame, aber strittige Frage ging, wer die Hoheit über den Stecknitzkanal zwischen Lauenburg und Lübeck hatte.

Quelle: LASH Abt. 390 Nr. 235

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