Unterm Dannebrog

Nach der endgültigen Niederlage bei Waterloo trafen sich die Vertreter der europäischen Großmächte auf dem Wiener Kongress, um Europa neu zu ordnen. Das wieder errichtete Königreich Hannover überließ am 29. Mai 1815 das Herzogtum Lauenburg „rechts der Elbe“ Preußen.  Schon am 4. Juni tauschte Preußen seine Erwerbung gegen das erst 1814 dänisch gewordene Schwedisch-Vorpommern. Somit wurde Lauenburg in Personalunion mit dem Königreich Dänemark verbunden, d.h. König Friedrich VI. war zugleich der Herzog von Lauenburg. 

Friedrich VI.

Damit wurden die  Berkenthiner nun Untertanen des dänischen Königs und natürlich waren sie wieder nicht gefragt worden. Das Herzogtum unterstand jetzt der dänischen Krone, gehörte allerdings weiterhin zum Gebiet des Deutschen Bundes. Überhaupt dürften die Eingesessenen kaum Unterschiede gespürt haben. Die Wirtschaft ging wie bisher, und das Amt war immer noch in Ratzeburg, oder besser: auf dem St. Georgsberg. 

Überhaupt ging die Dänenzeit nicht als Episode einer Fremdherrschaft, wie die Franzosenzeit, in die lauenburgische Geschichte ein, weil die Einwohner lange Zeit mit ihrem Los zufrieden waren. Die Schleswig-Holstein-Lauenburgische Kanzlei in Kopenhagen hatte den deutschen Beamten die Verwaltung überlassen und nicht versucht zu danisieren.  Im Jahre 1817 besuchte der neue Landesherr mit der Königin, zwei Prinzessinnen und einem respektablen Gefolge das neuerworbene Herzogtum. Den Höhepunkt der Reise bildete der Besuch in Ratzeburg mit Blumen, Transparenten, Ehrenpforte, Spalier der Schützengilde, Illumination, Bootsfahrt und Festball. Friedrich VI. hat bis zu seinem Tode (1839) viermal Lauenburg besucht. Manch ein Berkenthiner, vielleicht sogar unser Hans Hinrich Hack dürfte der königlichen Familie bei ihrem Zug durch die Stadt zugejubelt haben. Insgesamt blieb die dänische Zeit für das gesamte Herzogtum eine Epoche ruhiger und gedeihlicher Entwicklung.

Dabei stand ganz am Anfang der dänischen Zeit ein ganz anderes Ereignis, das die Berkenthiner viel mehr berührt haben dürfte. Am 25. Juni 1816 schlug der Blitz in den Kirchturm und der ganze Turmhelm brannte bis auf das mächtige Mauerwerk nieder. Dadurch wurden zugleich die Orgel, die Turmuhr und die drei Glocken zerstört. Die Berkenthiner hatten weitgehend hilflos zusehen müssen, wie der Turm niederbrannte, da das Feuerlöschwesen noch in den Anfängen steckte. Pastor Häfner sorgte dafür, dass die beiden größeren Glocken bereits 1817 aus den eingeschmolzenen Resten der zerstörten Glocken von der Firma Landré aus Lübeck neu gegossen wurden. Dazu muss man wissen, dass die  kleinste der drei zerstörten Glocken zuvor als Feuer- und Sturmglocke gedient hatte, so dass nun keinerlei Alarm mehr gegeben werden konnte. 

Am 13. April 1817 schrieb daraufhin Pastor Häfner an das Königliche Amt in Ratzeburg: „ Den Mangel an Glocken haben wir sehr fühlsam vermisst, da bei einem in Göldenitz entstandenen Feuer kein warnendes Signal gegeben werden konnte.“ (W. und H. Koop nach LASH Abt. 232) Diesem wird es dann wohl zu verdanken sein, dass bereits  im Jahr nach dem Brand in einem provisorisch hergerichteten und abgedichteten Turm die beiden neuen Glocken aufgehängt werden konnten. Auf der kleineren, heute noch erhaltenden Glocke haben sich die damaligen Verantwortlichen ein Denkmal gesetzt. Auf ihr ist zu lesen: „Diese wie die große Glocke, die am 25. Juli 1816 durch das von einem Gewitter entstandene Feuer zerstört worden ist,  ist auf Anordnung des Pastors Herrn Joh. Math. Haefner und der Kirchenjurathen Asm. Saedemund von Kählstorff, Joh. Dohrendorff von Göldenitz, Joh. Friedr. Höppner von Gr. Berkenthien, Hans Friedr. Kaths von Düchelsdorf, 1817 durch Herr Joh. Georg Wilh. Landre zu Lübeck umgegossen worden“. 

Der Turm selbst wurde in den Jahren von 1822 bis 25 wieder aufgebaut. Er erhielt nun eine steinerne Spitze mit vier Giebeln, aus deren Mitte sich ein kleiner hölzerner Turm erhob. Diese Konstruktion gefährdete aber wegen ihres großen Gewichtes den Unterbau des Turms, so dass 1867 ein Umbau des Turmes erfolgte, der ihm seine heutige Gestalt verlieh. Während der gesamten dänischen Zeit prägte somit der Turm mit den vier Giebeln das Bild der Kirche und auch des Dorfes. Zufällig fast zeitlich mit dem Ende der Dänenzeit erhielt dann der Turm seine heutige Gestalt. Vergleiche dazu das Kapitel über die Kirche!

Und schon wieder Feuer

1828 kommt es in Klein Berkenthin erneut zu einem Großbrand. Eingeäschert wird der Hof des Klein Berkenthiner Hufner Hans Jürgen Koop. Schnell kommt der Verdacht auf, dass es sich hierbei um Brandstiftung gehandelt haben muss. Bei den Ermittlungen stellt sich dann heraus, dass ein Tischlergeselle namens Bruhns aus Göldenitz die Tat begangen haben muss.

Spruchakte1833 (Uni-Greifswald)

Die große Feuersbrunst in Klein Berkenthin vernommener Zeugen nur ganz allgemein den Verdacht geäußert, daß diese beabsichtlich angestiftet sein möge; und müßte dies nach 10 1/2 Uhr geschehen sein, da der Nachtwächter um diese Zeit noch nichts Verdächtiges bemerkt habe.

Auch  haben zwei Mädchen, welche von Gr. Berkenthin über den Klein Berkenthiner Kirchensteig nach Göldenitz also ganz nahe am Koopschen Hause vorbei gegangen sind, nur wahrgenommen wie  auf der Mitte des Kirchenstiegs ein Mensch, den sie aber in der Dunkelheit nicht erkennen konnten, aus dem Knick heraus sprang und über die Koppel an der Stecknitz zulief, und daß der Feuer Lärm in Klein Berkenthin losbrach als sie um 11 Uhr alwo nach Göldenitz zukommen waren. 

Bruhns gegen den auch hier keine Anzeige vorliegen, machte sich erst dadurch verdächtig, daß er am 10. Januar 1829 vor dem Amte Ratzeburg behauptete er wisse ganz gewiß, daß er den Abend und die Nacht vor diesem Brande, der ja merkwürdig wäre, zu Hause bei seinem Meister Böttcher [Christoph Peter Böttcher, Tischlermeister in Göldenitz] gewesen sei, dieser aussagte, daß er den Bruhns Morgens 8 Uhr erlaubt habe, zu seiner Mutter nach Rothenhausen zu gehn, und daß er ihm Abends gut eine halbe Stunde nach dem ihm seine Nachbaren Meyer u. Karsten um 10 oder 11 Uhr verlassen hatten unden sogleich zu Bette gegangen aber noch nicht eingeschlafen gewesen, haben nach Hause kommen hören. Andern Tages habe Bruhns hier lenger ausbleiben damit entschuldigt, daß er eine ganze zeitlang auf der Straße in Göldenitz mit einigen jungen Leuten sich unterhalten hätte. Des Böttchers Frau deponirte gleichfalls, Bruhns sei Morgens zu seiner Mutter gegangen und abends habe ihn ihr Mann bei guter Zeit nach Haus kommen hören.  Ferner gab Böttcher an: das er schon, wie lange wisse er nicht im Schlafe gelegen habe, sei er nun dem Arbeitsmann Meyer gewesen der schnell aufgestanden, haben sich angegangen u. die Thür zur Werkstätte  … im Alkoven geschlafen öffnend, Johanes gewesen: da sey dieser auch schon dem Bette entgegengesprungen und nachdem er sich schnell angezogen zum Feuer   … geeilt. V Act. 37 S 309 Im Verhör vom 21ten Nov. 1829 wollte sich Bruhns erst gar nicht erinnern, wo er an jenem Tage und Abend gewesen. Als man ihm seine Aussage vom 10. Jan. 1829 vorhielt, behauptete er wieder, zu Hause gewesen zu sein, und blieb dabei auch, als  ihn mit der Böttcherschen Eheleute Aussage bekannt machten. Erst als ihm diese vorgelesen worden, fiel ihm ein, daß er, unter dieser Trepperthürn gewesen, nur einmal so spät nach Hause gekommen, aber nicht von Rothenhausen; sondern Morgens nachdem er auf dem s.g. Blocksberge eine Lade zuerst gemacht und Nachmittags mit Erlaubniß seines Meisters wieder erwendte in Weeden besucht von diesem Orte, und mier Abends in der Dunkelheit mit einem Knechte Heinrich Schmidt der in Sieksrade mit einigen ihm unbekannten Knechten zusprechen, nach Göldenitz zurück gegangen, wo sie den Bauer Fick, des Bauern Koop Tochter Engel Jochen (Benthien) Dahmkes Knecht auf der Straße zulauffen u. sich mit ihm nach eine ganze zeitlang (Ende S. 20)

 


Koop, Hans Jürg. *(1787), † 1869

aus Niendorf

Kl. Bk. Hufner 1810-

LASH Abt. 355 RZ Nr. 78

Linsen 1864, Untersuchung eines Brandes im Backhaus 1818 GA Kl. Berk. Nr. 20

1. oo Berk. 1810 Dohrendorf, Mar. Elis. Wwe. Benthien

2. oo ? Siemers, Cath. Marg. Elis. Wwe. Bohnsack aus Kühsen † 1836

3. oo 1837 Röhrs, Anne Cath. Maria aus Lankau

K.: kinderlos

Tatsächlich sind uns aus der dänischen Zeit keine weiteren nennenswerten Ereignisse aus unserem Ort überliefert. Nach den Trübsalen der napoleonischen Ära dürfte man auch in Berkenthin mit Dankbarkeit die Segnungen des Friedens erlebt haben. Der Bedarf an Aufregung war gedeckt, man hatte mit der Bewältigung des Alltags genug zu tun.  Peter Godzik schreibt dazu passend,  die geruhsame, unpolitische und treuherzige Grundhaltung der Biedermeierzeit (1815-1848) entsprach dem damaligen Wesen lauenburgischer Prägung, das ganz auf „gnädiges und untertäniges Vertrauen“ ausgerichtet war. Die Biederkeit des neuen dänischen Landesherrn stimmte zu den biederen, einfachen Sitten seiner neuen Landeskinder. Es ist bezeichnend für den ruhigen Gang der lauenburgischen Entwicklung, dass die Gesetzgebung während der ganzen dänischen Zeit nicht umfänglicher war als die Gesetzessammlung eines einzigen Jahres in anderen Ländern. Dieses Stagnieren stand in großem Gegensatz zu der hannoverschen Zeit, in der „unzählige allgemeine Landesverordnungen publiziert“ wurden. Es waren ruhige Jahrzehnte, die die Berkenthiner durchleben durften. Selbst als sich in den „Bruderstaaten“ Schleswig und Holstein   Forderungen nach freiheitlicher Verfassung und nationaler Einheit breitmachten, blieb das Herzogtum davon unberührt. Kein Berkenthiner beteiligte sich an der kriegerischen schleswig-holsteinischen Erhebung 1848 bis 51. Man war zufrieden! (Peter Godzik: Die dänische Zeit in  Lauenburg)

Ein Lebensbild: Hans Hinrich Hack IV.  (s.a. Hof RZ 6)

Schwierige Hofübergabe

Wir haben verfolgt, dass Hans Hinrich Hack III. noch Untertan des dänischen Königs gestorben war. Als er 1825 starb führte seine Witwe den Hof zunächst noch bis 1828 weiter. Dann sollte der erstgeborene Sohn Hans Hinrich, der vierte seines Namens den Hof übernehmen. Er wurde am 17.1.1799 geboren, war somit 29 Jahre alt und der älteste Sohn und somit der rechtmäßige Erbe. Somit begab sich seine Mutter Catharina Elisabeth Hack, geborene Rickern zusammen mit ihrem Sohn, den Vormündern und anderen zum Amt in St. Georgsberg, um die Übergabe auszuhandeln. Das erwies sich als langwieriger als gedacht. Es begann damit, dass die beiden Vormünder dem Anerben nicht erzählten, was da auf ihn zukommen sollte. Das würde er schon noch zu wissen bekommen, wenn sie auf dem Amt wären. Bis dahin habe es Zeit. Dann ließen sie die Katze aus dem Sack: Der Onkel, von dem wir bereits in dem letzten Lebensbild gehört haben, sollte seinen halben Altenteil behalten, der kränkliche Bruder sollte später auch ein halbes Altenteil bekommen, die Mutter forderte gar ein ganzes Altenteil für sich, und die Geschwister sollten 1.000 Rthlr. zur Abfindung erhalten. Hans Hinrich Hack fürchtete, dass er bei solchen Forderungen ,,kein Wirth bleiben, vielmehr in einigen Jahren zu Grunde gehen müsse.“ Er bat das Amt, die Vormünder umzustimmen und darauf Rücksicht zu nehmen, dass das Haus an Türen und Fenstern äußerst baufällig sei. Auch sei die Balkenlage des Hauses so schwach, dass sie gestützt werden müsse und bald große Ausgaben erfordern dürfte. Die Mutter stellte genaue Gegenforderungen wegen ihres Altenteils auf. Die Vormünder gaben dann ihre Vorstellungen zu Protokoll. Schließlich setzte das Amt fest, was für Mutter und Geschwister zu geben sei.

Nach diesen anfänglichen Schwierigkeiten scheint sich die Wirtschaft aber doch ganz gut angelassen zu haben. Schon 1829 heiratete er Catharina Elisabeth Pantelmann, eine Halbhufnerstochter aus Kählstorf, die 1.000 Mark, 4 Kühe, 4 Schweine, 4 Schafe, einen Koffer und Lade usw. in die Ehe brachte. Sieben Kinder wurden dem Paar geboren, von denen sechs am Leben blieben – für die damalige Zeit mit ihrer hohen Kindersterblichkeit war das ziemlich ungewöhnlich. Alle drei Söhne lebten später als Hufner in Groß Berkenthin.


Hans Hinrich Hack wurde Bauervogt

Hans Hinrich Hack wurde 1855 sogar zum Bauervogt seines Dorfes ernannt. Und das ist schon bemerkenswert, denn das Amt des Bauervogts  (oder Buhrmester, wie es ursprünglich plattdeutsch hieß s. Bauernvögte) war in allen Dörfern im Lauenburgischen für gewöhnlich mit der Hofstelle verbunden. In Groß Berkenthin war dies die Stelle des Hufners Hundt. Schon 1841 hatte das Amt Ratzeburg den Bauervogt Hundt indes abgesetzt – wegen seiner ökonomischen und moralischen Zerrüttung, wie es in den Akten heißt. Stattdessen war der Altenteiler Langhans zum lnterims-Bauervogt ernannt worden. Langhans hatte einst die Bauervogtstelle gepachtet; zugleich war ihm das Amt des Bauervogts übertragen worden. Ein Amt, das er offenbar mit Erfolg verwaltet hatte, denn nun, als Altenteiler, wurde er in dieser Funktion reaktiviert. Aber mit zunehmendem Alter schwanden seine Kräfte. Als er schließlich schwer erkrankt war, nahm das Amt Ratzeburg ihm die Bürde ab und setzte stattdessen am 14. Dezember 1855 den Hufner bzw. Dreiviertelhufner Hans Hinrich Hack als neuen lnterims-Bauervogt ein. Man darf annehmen, dass Hack als verantwortungsvoller Mann gegolten hat, denn in Groß Berkenthin waren dreizehn Bauern vorhanden, aus denen der Kandidat bestimmt werden konnte. Ein volles Jahrzehnt stand Hack der Dorfschaft vor, schließlich bat er das Amt darum, ihm die Geschäfte abzunehmen. Der abgesetzte Bauervogt Hundt war inzwischen nicht mehr am Leben, seine Witwe hatte sich neu verheiratet. Und so wurde ihr zweiter Mann Johann Heinrich Friedrich Nehls am 9. Februar 1866 zum neuen Bauervogt in Groß Berkenthin ernannt.  Zwei Jahre später, am 3. Jahren. Seine Frau war bereits 1865, 63 Jahre alt, an Brustwassersucht gestorben. (Peter Jürs: Chronik der Familie Hack)

weiter preußische Zeit: Ein Lebensbild

Peter Jürs: Chronik der Familie Hack

Walter und Helga Koop: 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Berkenthin 1909-2009

Peter Godzik: Die dänische Zeit in Lauenburg. www.pkgodzik.de/fileadmin/user_upload/Geschichte_und_Politik/Die_daenische_Zeit_in_Lauenburg.pdf