Bauernvögte

Über die Stellung des Bauernvogts, ursprünglich Bauernmeister (niederdt. Buhrvagt/Burmester) gibt als erste Quelle der Sachsen­spiegel (Codierung des sächsisches Recht) von 1230 des Eike von Reptow Auskunft:

Der Bauernvogt ist Mittler zwischen Obrikgeit und Dorfgemeinschaft. Er durfte nicht „eigenmächtig für sich, namens ihrer,“ etwas unternehmen, sondern musste stets die „Eingesessenen zur Beratschlagung versammeln“ – früher Buersprok – .

  • Vertretung der Amtsgewalt auf unterster Ebene
  • Aufsicht über Hölzungen, Grenzen und Jagden
  • Aufsicht über Saat und Ernte
  • Vertretung der Amtsgewalt auf unterster Ebene
  • Anzeigen von Straftaten (z.B. Schlägereien, Hurerei, Unzucht und Einhaltung des  „Heiligen Sonntags“)
  • Übermittlung von amtlichen/gutsherrlichen Befehlen (meisst im eigenen Kruge oder auf dem Dorfplatz)
  • Einziehung der Kontribution (Steuer)
  • Bestellung der Hirten (Schweine-, Kuh- und Schafhirten)
  • Verjagung von Bettlern und losem Gesindel
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Privilegien

  • erhielt eine Hufe mit Kruggerechtigkeit (keine Braugerechtigkeit!), meisst erblich

  • Recht in der Kirche begraben zu werden

  • Befreiung von Hand- und Spanndiensten sowie Kriegsfuhren

Eine Besonderheit Berkenthins war, dass man hier der politischen Teilung entsprechend zeitweilig sogar drei Bauernvögte hatte. Einen für Groß Berkenthin (Gr. Berk. Hufe 1), der dem Herzog bzw. dem Ratzeburger Amtmann unterstand, einen für Klein Berkenthin adeligen Anteils (Kl. Berk. Hufe 1), der dem adeligen Grundherrn, erst den von Parkenthins, später dann den von Todes rechenschaftspflichtig war, und 1567 befand auch der Lübecker Bauhof, der den Lübschen Teil Klein Berkenthins verwaltete, dass man dort einen eigenen Bauernvogten (Kl. Berk. 1/2-Hufe 1) benötigte, um die Interessen der lübschen Obrigkeit dort zu vertreten.

 Wie in allen lauenburgischen Dörfern war auch in Groß und Klein Berkenthin sowie Kählstorf das Amt des Bauern­vogten nachweislich erblich (s. Höfefolge) bzw. fest mit der Hofstelle verbunden. Die Folge der Groß Berkenthiner Bauernvögte beginnt schon mit einem Blome 1434 und endet in der Preußischen Provinz 1877 mit Johann Nehls, der dann zum Gemeindevorsteher wurde. Aber auch die Klein Berkenthiner Bauernvogstelle hat eine lange Folge vorzuweisen. Hier beginnt es 1517 mit Hans Kahns; auf 13. Generationen dieser Familie folgt ab 1856 die Familie Meyer, in deren Besitz noch heute diese Hofstelle ist.

Die Geschichte der Kählstorfer Bauernvogstelle beginnt ebenfalls 1517 mit Marquard Wolters. Ab 1567 übernimmt dann die Familie Sedemund für 14 Generationen hier dieses Amt.

weiter s. Höfefolgen

Eid des Groß Berkenthiner und des Kählstorfer Bauernvogten

Ähnlich wie z.B. der Lütauer Bauervogt 1633 wird auch der Groß Berkenthiner und Kählstorfer Bauernvogt bestallt woren sein: „das er uns und unseren nachfolgenden Herzogen zu Sachsen treu und hold verbleiben und tags und nachts auf unser Erfordern mit einem tüchtigen reisigen Pferde und behörigem Gewehr untertänig aufwarten soll, unseren Nutzen befördern, Schaden und Nachteil verhüten, auf unsere Grenzen und Holzungenein wachsames Auge haben, den Umtausch von wüsten Ländereien nicht verstatten, alle straffälligen Sachen melden, und sich in allem als ein getreuer Bauermeister bezeigen soll.

Der Amtseid des Lübschen Bauernvogten, den bspw. Heinrich Willmß am 21. Juli 1669 schwören musste lautete wir folgt: „Ich Heinrich Willmß Nachdem ich von wegen eines Erbaren Hochw. Rades der Stadt Lübeck minen grotgünstigen herrn, tho einen Buhrvagede des Dorpes Klein Parkentin gestettett laue und schwere mit uthgestrecketen arme und upgerichtteten fingern, datt Ick Ehre Erb. Hochw. allersids bestes tho weten, mitt guder vpfichtt der Höltingen, Jachten und sonsten, worinnen yd syn mach, und so ick ichtwaß erfahre, dath Ehre Erb. hochw. edder deren Verwanten tho verschwiegen, sondern solches Ehren edder öhren Befehlich hebberen up dem hofe antho kündigen, und sonsten in allen gehorsamblich und flitich befuden tho werden, so wahr My Gott und syn hilliges wortt helpen schall.

Und so musste der Bauervogt des adeligen Klein Berkenthins, Claus Kahns am 30. April 1792 seinen Schwur leisten, der ihm vorgelesen wurde:

„Ihr sollet geloben daß da ihr zum Bauernvoigt im adeligen Gericht Klein Berkenthin bestellt seid (…) daß den Gerechtsamen des adeligen Gerichts keine Zwietracht geschehe, sondern dass ihr auch auf alle vorfallende Unordnung und Schlägereien, Abhüten des Landes, Auspflügen oder Auszäunungen aus der Dorfgemeinschaft  (…) verbotenes Karten Spiel und andere unerlaubte Handlungen (…)Acht haben und solche dem Gericht zur Anzeige bringen (sollt). Auch daß ihr die vom Gerichte euch zustehende Befehle gehörig vollziehen und befolgen wollet wie es einem redlichen Bauervoigt ansteht und gebühret (…).“

Das wichtigste Privileg des Bauernvogten war vermutlich die Krügerei – also die Schankerlaubnis für Bier. War damit doch ein bedeutender Nebenverdienst verbunden. Zudem mußte sich die Bauernschaft ja ohnehin zu allen möglichen Anlässen mit dem Bauernvogten treffen und beraten. Dies war seit alters her im Lauenburgischen Usus und so hatte jedes Dorf auch seinen eigenen Krug. Nicht nur das man dort mit Alkohol das harte Leben etwas vergessen konnte, war der Krug doch neben der Kirche der soziale Brennpunkt, wo Neuigkeiten ausgetauscht wurden und immer mit etwas Unterhaltung zu rechnen war.

Im Gegensatz zu seinen Groß Berkenthiner und Klein Berkenthiner (adeligen Anteils) Kollegen, war der lübsche Bauernvogt nicht berechtigt zu „krügen“, also in seinem Haus eine Gastwirtschaft zu betreiben und Bier auszuschenken. Das war gegen den üblichen Landesbrauch und so hat dies auch der lübsche Bauernvogt, Hans Gerdes, als ungerecht empfunden. Schließlich wollte man seinen Kollegen aus den anderen Dörfern ja auf Augenhöhe begegnen und Nebeneinahmen war auch immer willkommen. So eröffnete Gerdes auch in seinem Haus um 1580 einen Krug und schenkte fleißig Bier aus. Aber so ein weiterer Mitbewerber um trockene Kehlen forderte natürlich auch die missgünstige Konkurrenz heraus. Und schnell war auch der Klein Berkentiner Grundherr, Barthold von Parkentin [*1531; † 1591], in Zecher von jener Dreistigkeit unterrichtet und empörte sich darüber beim Lübecker Rat: „So gehöret mir auch die Krugstedte bin den Lübischen auch keinen Kruegs im dorff gestendigh, haben sich aues bei meinen Eltern auch meinen Zeiten keines Kruges in Lütken Barkentin unterfangen.“ Woraufhin Gerdes seine gastronomischen Aktivitäten wieder einstellen mußte. Nicht zu vergessen, dass der lübsche Klein Berkenthiner Schleusenmeister, wie alle Schleusenmeister am Stecknitzkanal, auch die Kruggerechtigkeit besaß und so auch die Klein Berkenthiner lübschen Anteils mit nichten dem Verdursten anheim gegeben waren, von den zwei Krügen in Groß Berkenthin (1640 sogar 3) und dem Krug des Klein Berkenthiner Bauernvogten, adeligen Anteils mal abgesehen.

Diese große Anzahl an Wirtshäusern mag aus heutiger Sicht für ein kleines Dorf recht übermäßig erscheinen,  doch lag Berkenthin bis 1675 direkt an der wichtigen Straßenverbindung zwischen Lübeck und Hamburg und so gab es auch viele Reisende zu versorgen. Bier war zu jener Zeit ein Grundnahrungsmittel und schon Kinder tranken es täglich. Zudem hatte jenes Bier auch nur ca. zwei Prozent Alkoholgehalt und war im Vergleich zum Trinkwasser die gesündere Alternative. Das galt zumindest für die Stadt, und die war nun mal Trentsetter in Sachen Lebenskultur, egal wie die Wasserqualität in Berkenthin auch gewesen sein mag.

Mit dem Besitzwechsel auf dieser Hofstelle um 1600 zunächst an Hans Hormann, später dann ca. 1620 an Heinrich Kop, war nach fast einem halben Jahrhundert von dieser Episode schon wieder alles vergessen. Und so sah sich Heinrich Kop ähnlich herabgesetzt und entspann den gleichen Plan wie einst Hans Gerdes. Doch Neider gibt es und gab es zu allen Zeiten und so erfuhr jetzt auch Hartwig von Parkenthin, Ratzeburger Domprobst und Erbgesessen auf Groß und Klein Zecher, Klein Berkenthin etc. [*1578; † 1642] von dieser Eigenmächtigkeit und beschwerte sich umgehend im Sommer 1630 beim Lübecker Rat. Doch muss man sich diesmal, die Akten dazu sind leider nicht erhalten, anders entschieden haben. Denn Heinrich Kop wird auch noch 1650 als Krüger von Klein Berkenthin gelistet und so konnte sich die Schankgerechtigkeit bis heute ins 21. Jahrhundert auf dieser Hofstelle erhalten und dient dem anspruchslosen Reisenden in der Gaststätte Landhaus, Oldesloer Straße 38 noch Unterkunft und Speis und Trank.