Schule

Neubau Schule (Fotoalbum H. Schwarz)

Nur der Pastor kann lesen

Die Schulbildung der Kinder oblag in früheren Jahrhunderten der Kirche, d.h. dem Pastor und u.U. dem Küster, – falls dieser selbst lesen und schreiben konnte! Auch die Schulaufsicht lag bis in das beginnende 20. Jahrhundert beim Pastor. Erst durch die in der Weimarer Verfassung im Jahre 1919 vollzogene Trennung von Kirche und Staat wurde die Schule unter die alleinige Aufsicht des Staates gestellt.  Ob aber in den ersten Jahrhunderten des Bestehens unseres Ortes Berkenthiner Kinder in irgendeiner Form systematisch unterrichtet wurden, muss wohl bezweifelt werden. Es ist davon auszugehen, dass bis in die frühe Neuzeit hinein lediglich der Pastor des Lesens und Schreibens mächtig war, vielleicht noch der Organist oder der Bauervogt.  Denn anders als z.B. in Lübeck, wo Unterricht für wohlhabende Kaufmannskinder schon  früh übermittelt ist, bestand auf dem Lande keine Notwendigkeit hierfür. Verträge und Geschäfte wurden über Jahrhunderte mündlich per Handschlag geregelt, Glaubensgrundsätze und weltliche Anordnungen wurden von der Kanzel durch den Pastor doziert. Erst nach der Reformation wurde mit der Lauenburgischen Kirchenordnung von 1585 die Schulbildung und Erziehung der Kinder explizit zur Aufgabe der Pastoren gemacht. Darin hieß es: „In den Dörfern sollen die Knäblein und Mägdelein bei den Küstern oder Pastoren und ihren Frauen zur Lehre gehalten werden, doch also, dass die Mägdelein alleine und mehr noch dergleichen die Knaben besonders gelassen werden und im Schreiben, Lesen, Rechnen, Catechismus, Beten lernen und ihresgleichen von Jugend auf gehalten werden.“ Die Pastoren sollten darüber hinaus die Leute ermahnen, „daß sie ihre Kindern nicht länger wie bisher geschehen, in unchristlicher Weise wie das unvernünftige Vieh aufwachsen lassen.“ 

Damit war ein Anfang gemacht und die Ausbildung der Jugend geriet nun in den Blick der Kirchenvisitationen. Bereits in den Protokollen der Generalvisitation von 1614 hieß es dann immerhin schon, dass auch in dem Jugendunterricht in Berkenthin  viel geschehen sei. Während in kleineren Orten Unterricht oft in den verschiedenen Häusern oder im Hirtenkaten abgehalten wurde, wurde im Kirchort Berkenthin im Hause des Küsters unterrichtet. Wann neben der vorhandenen Berkenthiner Küsterschule weitere Schulen im Aufsichtsbezirk des Pastors entstanden sind, kann mit Genauigkeit nicht gesagt werden. Aus den Kirchenbüchern und alten Kirchenrechnungen geht aber hervor, dass es um 1720 und 1730 Schulen in Göldenitz, Rondeshagen (Schneider Nora 1708) und Kählstorf ( Claßen, Joch. *1689, † 1748 Schulmeister u. Schneider Kählstorf 1717, 1722, 1724 s. Kate 2gab. Die Niendorfer Kinder gingen derzeit noch in die Göldenitzer Schule, während die Klempauer ihre Kinder lange nach Kählstorf schickten. Noch im Oktober 1741 heißt es dazu in einem Konsistorialbericht, dass die Eingesessenen zu Klempau sich erklärt hätten, sie wollten es bei dem Alten lassen und ihre Kinder wie vorher zu dem Schulmeister nach Kählstorf in die Schule geben. Die Schule dort werde von den Kindern fleißig besucht und sie würden von dem Schulmeister „von eher treulich unterrichtet“.

1754 heißt es dann zur Berkenthiner Schule: „die meisten der Kinder kommen vor Martini nicht zur Schule; jetzo (5.10.) sind annoch wenige da. Außer den Catechumenis bleiben wenige biß Ostern“

Dass die Besetzung von Lehrerstellen offensichtlich nicht nur ein aktuelles Problem darstellt, wurde deutlich, als man schließlich doch eine Schule in Klempau aufmachte. In einem Schreiben des Konsistoriums aus dem Jahre 1748 geht hervor, dass Bauern aus eben diesem Ort vorstellig geworden seien und berichtet hätten, dass der zum Schulmeister nach Klempau gestellt gewesene Christian Schuldt, „weil ihm die conditiones, in Sonderheit die Wohnung im Hirtkaten nicht anständig gewesen“, den Dienst quittiert und sich nach Lüneburg begeben habe. Deshalb werde jetzt ein „anderes Subjectum“ dazu gesucht und dem Dorfe möge ein solches vorgeschlagen werden. Kurze Zeit später um 1751 muss sich dann aber doch ein Lehrer gefunden haben und aus irgendwelchen Gründen hatte Pastor Rhodomann verfügt, dass nun umgekehrt die Kählstorfer Kinder nach Klempau  geschickt werden sollten.  Dagegen erhob sich aber der Protest der Kählstorfer, sie beharrten darauf, ihren eigenen Schulmeister Jochen Claas (*1717, † vor 1761) zu behalten. Da auch das Konsistorium nicht einzusehen vermochte, warum die Kählstorfer ihre Kinder nach Klempau schicken sollten, zumal der „Schulmeister in Kählstorf ordentlich bestellt“ sei, forderte es den Pastor zu einem klärenden Bericht auf. Wie der Streit ausgegangen ist, ist leider nicht überliefert, immerhin gibt es aber bereits 1771 keine Schule mehr in Kählstorf, so dass die Schulgeschichte dort schon vermutlich mit dem Ableben von Jochen Claas um 1760 endete. 

Die Bezahlung der Schulmeister in dieser frühen Zeit noch vor der Lauenburgischen Schulordnung von 1757 wurde überwiegend über Naturalabgaben abgedeckt, es wurde aber damals schon Geld der Kirchenkasse entnommen, welches über den Klingelbeutel gesammelt worden war, wie der Kirchenchronik zu entnehmen ist.

Untericht im Küsterhaus

Einen deutlichen Fortschritt für das Schulwesen im Herzogtum brachte dann die Lauenburgische Schulordnung aus dem Jahre 1757. Hierin wurden die Ämter und Gutsbezirke verpflichtet, eigene Schulgebäude vorzuhalten, nachdem zuvor in vielen Dörfern wie im Klempau Unterricht in der Hirtenkate abgehalten wurde. Im Kirchort Berkenthin wurde die Jugend aber weiterhin im Küsterhaus von Organist Johann Friedrich Claßen unterrichtet. Das Vorschlagsrecht für die Einstellung der Lehrpersonen blieb beim Pastor, allerdings wurden sie dann vom Superintendenten examiniert und bestätigt – oder auch nicht. Während es bis dahin sicherlich auch mit den fachlichen Anforderungen an die Lehrer nicht weit her war –  und auch mit deren Ausbildung! –  wurde nun vorgeschrieben, dass die Schulmeister „richtig buchstabieren, recht und deutlich lesen, leserlich schreiben und rechnen können“ sollten. Und sie sollten natürlich genügend Kenntnisse in der christlichen Lehre und im Katechismus besitzen. 

Züchtigungen waren erlaubt, „und zwar erhalten die Kleinen solche mit der Rute, die Großen mit einem geschmeidigen Stecken, nur die Köpfe sollen sie schonen dabei.“ Schulpflicht  bestand vom 6. Lebensjahr bis zum „gehabten Abendmahl“ nach der Konfirmation, also etwa bis zum 14. Lebensjahr. Vom 1. Mai bis zum 1. Oktober sollte „Sommerschule“ gehalten werden, da die Kinder zuhause für die Arbeit auf dem Feld gebraucht wurden. In dieser Sommerzeit wurde nur am Sonnabendvormittag unterrichtet, aber auch dann nur in aller Frühe, damit die Kinder danach noch zur Arbeit zuhause zur Verfügung standen. Tatsächlich blieben die Kinder in den Sommermonaten der Schule aber häufig ganz weg.


Verdienst wie ein Landarbeiter

Was die Besoldung der Schulmeister anbelangte, wurde festgelegt, dass er für jedes Kind jede Woche 1 Schilling zu bekommen habe. Ein Kätner bezahlte für höchstens 3 Kinder jeweils einen Schilling und die Insten nur für ein Kind, „sie mögen so viele Kinder haben, wie sie wollen.“ Daneben waren weiterhin die Naturallieferungen vorgesehen. So sollte ein Hufner von jedem Backgang ein Brot für den Schulmeister abführen, jeder Kätner dagegen für jedes Kind ein Brot jährlich und jeder Inst insgesamt nur ein Brot, egal wie viele Kinder er hatte. Daneben hatte der Lehrer ein Recht auf eine freie Wohnung und freie Feuerung, d.h. Brennholz oder Torf. Ersatzweise konnten die Kinder aber auch sogenanntes Torfgeld mitbringen, allerdings nur bei Kälte, – was häufig zu Streit führte, denn ob es kalt war oder nicht, darüber konnte man streiten. Bis zur staatlichen Besoldung und zur schulgeldfreien Volksschule 1888 war es noch ein langer Weg! 

Für seine Versorgung mit Lebensmitteln stand dem Lehrer lange Zeit nur der Kohlgarten zur Verfügung und er hatte das Recht, im Sommer eine Kuh auf der Gemeindeweide zu halten, während ihm im Winterhalbjahr die Dorfschaft das Winterfutter zu liefern hatte. Der Bauervogt hatte für die Umsetzung dieser Vorgaben zu sorgen, was auch bitter nötig war, da die eingesessenen Hufner und Kätner in der eigenen Not nur widerwillig den Verpflichtungen nachkamen. 


Lehrer Casimir erhält Land

Im Zuge der Verkoppelung nach 1774 wurden dann aber der derzeitige Berkenthiner Schulmeister und Organist Casimir (s.a. Organisten) und seine Nachfolger im Amt mit entsprechendem  Acker-, Wald  und Wiesenland in einem Umfang von 27 Morgen ausgestattet, wodurch sich seine Lebensbedingungen deutlich verbesserten. Zuvor hatte sich Casimir wiederholt bitter beim Konsistorium in Ratzeburg beklagt: Er gelte nach der Königlichen Schulordnung als Schulmeister und als solcher stehe ihm in Natura oder als Gegenwert 10 m Holz von den beiden Dörfern Groß und Klein Berkenthin als „Contribution“ zu. Aber allein von der Groß Berkenthiner Dorfschaft habe er diese Contribution nie erhalten. Deshalb ersuche er die Regierung in Ratzeburg, ihn zusätzlich  zu seinen kläglichen  Organisteneinkünften mit einem „proportionierlichen Antheil“ an der Berkentiner Feldmarkt auszustatten.“ Nachdem ihm sein Land zugebilligt worden war, dürfte ihm auf alle Fälle sein Lebensunterhalt leichter gefallen sein. Zudem hatte er im Gegensatz zu den Lehrern in den Außendörfern noch sein Kirchenamt als Organist. Trotzdem dürfte es für ihn kaum für große Sprünge gereicht haben, so lag das Durchschnittseinkommen eines Lehrers mit kirchlichem Amt im Jahr 1828 bei 128 Taler, das war nicht mehr, als ein Landarbeiter verdiente.


Drei Kreuze auf dem Papier     

In einem Visitatiosprotokoll aus dem Jahr 1772 werden die Namen der im Kirchspiel tätigen Schullehrer genannt. Demnach waren derzeit im Amte: Lehrer und Organist Johann Georg Casimir in Groß Berkenthin, Lehrer Mohr in Klempau, Lehrer Hoepner in Göldenitz, Lehrer Casten in Rondeshagen. Um die Bildung der Schullehrer zu fördern, wurden ab 1788 monatliche Schulkonferenzen im Berkenthiner Pfarrhaus angeordnet, in denen unter Leitung von Pastor Junack die Grundsätze des Schulunterrichts durchgenommen werden sollten. Zu dieser Zeit diente dann schon der Organist und Lehrer Carsten Heine (von 1779-1806). Bezeichnend aber war, dass die Lehrer aber vor allem auf die richtige Erklärung der christlichen Lehre und des Katechismus hingewiesen wurden. „Das Lesen (sei) solcherart zu üben, dass sie auf die Wörter den gehörigen Ton setzen, auch Commata, Puncta und Fragezeichen beobachten lernen.“ Dem Schreiben und Rechnen wurde offensichtlich weniger Wert beigelegt und ganz offensichtlich waren die Bemühungen um die Bildung der Jugend bis dahin nur von mäßigem Erfolg gekrönt. Denn  als am Ende der Verkoppelung 1792  ein Rezess von allen „Großen Berkenthiner Landsitzern“ unterschrieben werden musste, wurde deutlich, dass nur einer von ihnen schreiben konnte: Bauervogt Erdmann Hundt, alle anderen machten ihre drei Kreuze unter das Dokument!

Pastor Häfner schreibt französosch

Einer genauen Übersicht über die schulischen Verhältnisse zu Beginn des 19. Jahrhunderts verdanken wir dann ausgerechnet einer Aufstellung, die auf Anordnung der französischen Besatzungsmacht in der Napoleonischen Zeit von dem amtierenden Pastor Häfner verfasst wurde. In fehlerfreiem Französisch und in lateinischer Schrift berichtet er über den Schulunterricht im Jahre 1810.  Lehrer Heine war mittlerweile nach über 25 Dienstjahren 1806 verstorben und so hatte dann Johan Philipp Bernhard Wiemann das sagen. Aber dieser verstarb schon 1812 mit nur 39 Jahren.

Als „maitres d´ecole“, also als Schulmeister, wurden von ihm, zeitgemäß ebenfalls in französischer Schreibweise, aufgeführt: 

Berkenthin: Jean Matthieu Haefner und Jean Philip Bernard Wiemann;

Clempau: Jean Christian Mohr;

Niendorf: Jean Joachim Bewerin;

Goeldenitz:  Jean Daniel Reinke;

Rondeshagen: Jean Henri Kasten;

Düchelsdorf: Jean Kock (oder Koch);

Kühsen: Jean Paul Rumpf.

Dem Pastor oblag demnach die Inspektion der Schulen, er hatte in jedem Semester einen Bericht an das Konsistorium in Ratzeburg zu liefern. Er trug die Verantwortung für die Schulbildung der Kinder und war, wie wir gesehen haben,  verpflichtet, jeden Monat eine Konferenz aller Lehrer der Kirchengemeinde durchzuführen. Einige Male im Jahr sollte er an den einzelnen Schulen hospitieren, um zu sehen, ob die Lehrer ihre „Hausaufgaben“ (ses devoirs) gemacht hatten, wie sie die Schüler ausbildeten und die richtigen Methoden anwandten und welche Fortschritte die Schüler machten. Zudem hatte er den schulfreien Sonntagen die fortgeschrittenen Schüler in Fragen der Religion zu unterweisen („Sonntagschule“), während die Kinder im Alter von dreizehn oder vierzehn schon damals für ein Jahr einmal wöchentlich zum Konfirmandenunterricht mussten, der ebenfalls von Pastor abgehalten wurde. 


Abteilungslernen

Zur Organisation des eigentlichen Unterrichts an der Berkenthiner Schule schreibt er dann, dass die Kinder in  3 Klassen eingeteilt waren. Zu der ersten Klasse „sont comptés, qui lisent bien et qui ont apris la catechisme“, also die gut lesen (und schreiben) können und den Katechismus gelernt haben. Zur zweiten Klasse gehörten die, die lesen (und schreiben) können und damit beginnen, den Katechismus zu lernen. „À troisième classe ceux, qui a lire, epeller làlphabet“, zur dritten Klassen gehörten schließlich die, die erst anfangen zu lesen (und zu schreiben) und das Alphabet zu lernen.

Unterrichtet wurde dann im Sinne des Abteilungslernens. Alle Kinder, ob klein oder groß, saßen in einem Klassenzimmer und hatten die gleichen Schulzeiten. Aber während sich der Lehrer in einer Stunde mit der einen Klasse beschäftigte, waren die anderen in „Stillarbeit“ damit befasst, auswendig zu lernen oder von der Tafel abzuschreiben. Wie das genau organisiert war und was als Hausaufgabe jeweils vorzubereiten war, war in den sogenanntes „Remarques“ des Pastors genau erklärt. Voraussetzung für das Gelingen eines solchen Unterrichts, der bei allen Vorbehalten den Lehrern viel abverlangte, war eine eiserne Unterrichtsdisziplin. Störungen des Unterrichts wurden im renitenten Fällen mit dem Rohrstock geahndet. 


Religion stand im Vordergrund

Während sicherlich das Lesen und Schreiben und ein wenig „arithmetique“ gelehrt wurden, standen im Mittelpunkt der schulischen Bildung immer noch die Fragen und Antworten des christlichen Glaubens. Nur am Rande fand eine Unterweisung z.B. in naturwissenschaftlichen Themen statt, wenn etwa der Lehrer in gemeinsamen Unterricht  über die „theorèmes de la Physik“ oder die „histoire de la nature“ erzählte. Den Abschluss eines jeden Unterrichtstages bildete dann ein gemeinsames Gebet und das Singen eines kirchlichen Liedes.

Unterrichtet wurde im Winterhalbjahr vormittags von 8 bis 11 Uhr und nachmittags von 13 bis 16 Uhr, am Samstag nur vormittags. In der Zeit der „Sommerschule“, wie wir gesehen haben, nur am Sonnabendvormittag. Der Stundenplan wiederholte sich grundsätzlich jeden Tag. So sah der Plan für die Zeit von 8 bis 9 Religion für die 1. Klasse vor, während die anderen Klassen mit ihrer „Stillarbeit“ beschäftigt waren. In der Zeit von 9 bis 10 stand dann dasselbe für die 2. Klasse auf dem Plan und in der Zeit von 10 bis 11 standen dann Lese- und Schreibübungen“ für die 3. Klasse an. Am Nachmittag von 13 bis 14 Uhr (von 1 bis 2)  waren für die oberen Stufen Übungen im Lesen angesagt, von 2 bis 3 Übungen in der Arithmetik und schließlich von 3 bis 4 Übungen für die dritte Klasse, bevor dann gemeinsam gebetet und gesungen wurde. 

Schulklasse um 1900

Erziehung zum guten Untertanen

Unter preußischer Herrschaft setzte auch im Lauenburgischen ein umfassender Ausbau des Schulwesens ein. Gleichzeitig erließ der preußische Staat strenge Kriterien für die Anerkennung von Schulen und für die Ausbildung der Lehrer. Trotzdem fungierte der Pastor weiterhin als örtlicher Schulinspektor. Immer stärker übernahm derweil die  Schule Erziehungs- und Lenkungsfunktionen, um die Kinder im Sinne des Staates zu „guten“ Untertanen zu erziehen. Seit der Reichseinigung im Jahre 1871 hielten zudem preußischer Militarismus und nationales Gedankengut verstärkt Einzug in den Schulalltag. 

Die ersten systematischen Aufzeichungen über die Berkenthiner Schule stammen vom 5. Januar 1882. An diesem Tag  teilte  der Schulinspektor Pastor  Harmsen mit,  dass nach den allgemeinen Regierungsbestimmungen aus dem Jahre 1872 an jeder Schule eine Schulchronik zu führen sei. Der erste Chronist war der Lehrer Christian August  Mohr, der in Kühsen gebürtig das Präparandeum in Ratzeburg besucht hatte und einige Jahre als Hilfs- und Hauslehrer gearbeitet hatte. 1853 übernahm der die Schulstelle in Göldenitz, wechselte dann aber 1857 in die besser dotierte Schulstelle in Niendorf und kam von dort einige Jahre später als Küster, Organist und Lehrer nach Berkenthin. Er wurde der erste „preußische“ Lehrer an der Berkenthiner Schule.  Er erwähnt in der Chronik auch die Namen seiner drei Vorgänger in Berkenthin: „Heinrich Lage, (1873 genannt) geborener Holsteiner und Zögling des Seminars in Tondern, August Nebel, (hier Lehrer von 1812-1852) geborener Hannoveraner und Zögling des Seminars in Hannover, und  ein Herr [Johann Philip Bernhard] Wiemann, (hier Lehrer von 1808-1812) über dessen Persönlichkeit mir nichts bekannt ist.“ (davor s. > Kirche  Orgel und Organisten)


Lehrer Mohr – ein streitbarer Mann

Grundsätzlich scheint Lehrer Mohr ein recht streitbarer Mann gewesen zu sein, der um seine Rechte wusste. So nehmen die Aufzeichnungen über seine Kämpfe mit der Gemeinde über seine Rechten und Pflichten einen breiten Raum ein, während zumindest für die ersten Jahre kaum etwas über schulische Angelegenheiten zu erfahren ist.  


Auseinandersetzung um eine Dunggrube

Das Berkenthiner Schulhaus war seit jeher das Haus des Küsters und Organisten gegenüber der Kirche in der Kirchenstraße. In diesem Gebäude war nach dem zweiten Weltkrieg das Amt Berkenthin untergebracht, heute dient es reinen Wohnzwecken, ist aber noch als ehemaliges Schulgebäude zu erkennen. Es war 1880 erstmalig umgebaut worden, als ein alter, zweistöckiger Querbau abgerissen und durch einen neuen einstöckigen ersetzt wurde. 

Allerdings wirbelte dieser Umbau in der Gemeinde erheblichen Staub auf. Auf mehreren Seiten beschreibt Küster Mohr dann über seinen Streit mit der Gemeinde über entzogenes Gartenland für  eine Dunggrube, die die Gemeinde in seinen Garten verlegt hatte. Schließlich musste die königliche Regierung in Schleswig wirksam werden, die anordnete, dass der Lehrer Mohr für die Schmälerung des Schulgartens der Schulstelle zu Groß Berkenthin eine jährliche Entschädigung aus der Schulkasse in Höhe von 5 Reichsmark zu zahlen sei. Eine andere Anordnung betraf die Reinigung der Schulräume. Es wurde festgelegt, dass die Schulräume im Sommer wöchentlich zweimal und im Winter dreimal zu reinigen und einmal monatlich zu scheuern seien. Die Verpflichtung dazu und auch zum Heizen der Schulräume und zum Zerkleinern des Brennholzes wurde dem Schulverband übertragen, allerdings hätten die Lehrer selbst die Aufsicht darüber zu übernehmen. Jedoch sollte es nicht verboten werden, dass die größeren Schulkinder zu solchen Arbeiten herangezogen würden.

Ein anderer Streit drehte sich um die Bestellung der Herbstsaat auf dem Schulland. Und zwar weigerte sich der Schulvorstand den Roggen auszusähen und die Kartoffeln zu ernten, wenn der Küster nicht selbst den zweiten Mann zum Auf- und Abladen stelle. Wohl oder übel sah er sich gezwungen, daraufhin den Sämann als auch den Auf- und Ablader der Kartoffeln aus eigener Tasche zu bezahlen. Allerdings ließ Lehrer Mohr die Sache nicht auf sich beruhen, konnte er doch auf die Lauenburgische Landschulordnung verweisen,  in der festgelegt war, dass zur landesüblichen Bewirtschaftung des Schuldienstlandes erforderlichen Arbeiten, insbesondere auch das Aussäen des Korns, von der Gemeinde für den Lehrer unentgeltlich zu leisten seien.


Scharlach

Immer wieder musste die Schule geschlossen werden, um die Ausbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern. So konnte Lehrer Mohr 1885 nach mehrwöchiger Schließung der Schule erleichtert feststellen, dass niemand der tückischen Krankheit zum Opfer gefallen sei. Noch wenige Wochen vorher hatte er besorgt festgestellt, dass mindestens zwei Kinder in höchster Lebensgefahr schwebten.


… und immer wieder Schulfeiern 

Einen großen Raum nehmen sowohl in der Schulchronik als auch in dem damaligen Schulalltag die Schulfeiern. Gefeiert wurde aus Anlass der kirchlichen Feiertage, etwa des Reformationstages am 31. Oktober, vor allem aber aus Anlass der Gedächtnis- und Geburtstage ehemaliger oder lebender Mitglieder des preußischen Königshauses ein. Oft gab es nach der Feierstunde für die Schüler schulfrei. Beispielsweise finden sich alleine für das Jahr 1890 folgende Hinweise auf abgehaltene Schulfeiern:

Berkenthin d. 27. Januar 1890

Die Schulfeier am heutigen Geburtsfeste unseres geleibten Königs und Kaisers Wilhelm II. fand morgens von 8 bis 9 Uhr statt mit Gesang, Rede und Deklamation (kunstgerechter Vortrag einer Dichtung).

Gez. Mohr

Berkenthin d. 10. März 1890

Des gestrigen Sonntages wegen fand erst heute in der ersten Schulstunde die Gedächtnisfeier des Todestages des hochadligen Königs und Kaisers Wilhelm I. statt. Lied: Christus ist mein Leben. 

Gez. Mohr

Berkenthin d. 22. März 1890

Gedächtnisfeier des Geburtstages des hochseligen Kaisers Wilhelm I. heute in der ersten Stunde. Lied: Deutschland, Deutschland über alles.                                Gez. Mohr

Berkenthin d. 16. Juni 1890

Erinnerungsfeier des gestrigen Todestages des hochseligen Kaisers Friedrich III., gestorben am 15. Juni 1888. Rede: „Lerne zu leiden, ohne zu klagen!“ Lied: Alle Menschen müssen sterben.

Gez. Mohr

Berkenthin d. 2. September 1890

Die heutige Schulfeier (Sedantag) fand statt morgens von 8 bis 9 Uhr und bestand aus Festrede und Gesang.                                                                                     Gez. Mohr

Großberkenthin d. 25. Oktober 1890

Die heutige Moltke-Schulfeier fand statt morgens von 8 bis 9 Uhr und bestand in Festrede und Gesang. Lied 1: „Bis hierher hat mich Gott gebracht“ und  2: „Das deutsche Heer“   

gez. Mohr


Besondere Anlässe

Während sich diese Gedenkfeiern in allen Jahren wiederholten, kamen je nach Anlass noch andere Gedenktage dazu, die stets nach ähnlichem Plan abliefen: Reden, Singen kirchlicher und „Vaterländischer“ Lieder, Deklamationen von Gedichten und sonstigen Texten zur Lobpreisung. Solche einmaligen Feiern waren z.B:

„1900 Gedenkfeier zur Großjährigkeit des Kronprinzen“

„1900 Feier der Jahrhundertwende“

„1896 Feiern zum 100. Geburtstag des seligen Kaisers Wilhelm I.“

„Schillerfeier am 9: Mai 1905 mit Vortrag des Lehrers „Unser Schiller“ und Deklamationen durch die älteren Schüler / Verteilung von Büchern (Herm. Petrich „Schiller – Sein Leben und Dichten dem deutschen Volke und seiner Jugend erzählt“)

„1905 Silberhochzeitsfeier des Kaiserpaares in der I. Klasse der Schule „zu derselben waren auch die Eltern der Schüler und Freunde der Schule eigeladen. Es waren 20 Pers. Erschienen, auch der Herr Ortsschulinspektor Pastor Lüders war anwesend. Die Schule war durch Kränze, Girlanden, Fahnen pp. Ausgeschmückt. Auf einem herrlich dekorierten Tische waren die Büsten beider Majestäten aufgestellt. Die Feier dauerte v. 8 ½ bis 9 ½ Uhr ….“

altes Schulgebäude Zustand 2023 (Foto © G. Weinberger)

Beurlaubung und Schulschwänzen

Während auch der Ablauf der jeweiligen Feierlichkeiten durch entsprechende Anordnungen der Königlichen Regierung, des Königlichen Kreisschulinspektors o.a. Institutionen vorgegeben wurde, wurde die Schule schon damals mit einer wahren Verordnungsflut für alle Bereiche des schulischen Lebens eingedeckt. Beispielsweise sollte Beurlaubungen von Lehrern nur in begründeten Fällen nachgegeben werden. Bei Unterrichtsversäumnissen der Schüler, sollten sich die Lehrer vor Ort ein Bild von den häuslichen Verhältnissen machen, um weiteren Versäumnissen vorzubeugen. Da die Kinder insbesondere in der Erntezeit zuhause als Arbeitskräfte gebraucht wurden, blieb das „Schwänzen“ aber weiterhin ein Problem.  


Hitzefrei

Und auch „Hitzefei“  war schon ein Thema. So hieß es in einer Anordnung der Königlichen Regierung vom 12. Mai: „Um den schädlichen Folgen bei großer Hitze thunlichst vorzubeugen, sollte bei einer Temperatur von 27 Grad außerhalb der Sonne der Nachmittagsunterricht ausgesetzt werden.“ Der Lehrer war aber gehalten, dies umgehend in den Lehrbericht einzutragen. 


Das Laufen

In einem Leitfaden für den Sportunterricht aus dem Jahre 1894 wurde vor allem auf die Bedeutung des Laufens hingewiesen. „Durch allmählich gesteigerte Laufübungen wird die Thätigkeit der Lungen und des Herzens vermehrt…. Auch für Verhältnisses des Lebens ist die Fähigkeit, ausdauernd oder schnell laufen zu können, von großer Bedeutung… Laufübungen sollen deshalb oft vorgenommen werden. Am besten geschieht dies im Freien… Mäßige Winterkälte schadet nichts, bei rauen Ost- oder Nordwinden soll nicht gelaufen werden, auf keinen Fall gegen den Wind. … Dabei ist auf eine natürliche, gute Körperhaltung zu achten. Der Körper mäßig vorgeneigt, der Kopf aufrecht, die Schultern zurückgenommen…“ 


Disziplin

Angesichts von sich häufenden Klagen von Eltern wegen „Überschreitung des Züchtigungsrechtes“ durch Lehrer, sah sich die Königliche Regierung im August 1891  genötigt, darauf hinzuweisen, dass Schläge an den Kopf bzw. die Hände oder das Ziehen an den Ohren tunlichst zu vermeiden seien.“ Dabei unterstützte die Schulbehörde grundsätzlich den „maßvollen Gebrauch“ des Rohrstocks, „um in der Jugend das Gefühl für gute Ordnung, Zucht und Sitte schon frühzeitig zu wecken und zu mehren.“ Allerdings fürchtete man auch angesichts der sich häufenden Gerichtsverfahren, dass „nicht allein die Schulordnung und die notwendige autorative Stellung des verurteilten Lehrers in bedenklicher Weise erschüttert“ wird, sondern das Ansehen der ganzen Lehrerschaft erheblich Schaden nehme. Es solle deshalb darauf geachtet werden, dass die elterliche Zucht das Vorbild aller Schulzucht zu sein habe. Die körperliche Züchtigung von Schulkindern solle der Ausnahmefall bleiben und erst dann zur Anwendung kommen, wenn andere Strafmittel erfolglos geblieben sind. Sie sei dann so auszuführen, dass das gestrafte Schulkind keinerlei Schaden leidet, bei Mädchen sei die körperliche Züchtigung tunlichst ganz zu vermeiden.

Alle in einer Klasse

Bis zum Jahre 1902 wurden alle Groß- und Kleinberkenthiner Kinder in einer Klasse von einem Lehrer unterrichtet. Bis 1896 war dies der langjährige Küster, Lehrer und Organist Mohr, der in diesem Jahr  mit einer jährlichen Pension von ca. 1800 M auf sein Ansuchen in den Ruhestand versetzt wurde. Als Nachfolger wurde der Lehrer Ernst Brandt am 11. November 1895 vom Kreisausschuss gewählt.  Er wurde wie alle Lehrer feierlich im Rahmen eines Gottesdienstes von dem Schulinspektor Pastor Lüders in sein Amt eingeführt, indem er vor dem Altar zur „gewissenhaften und treuen Pflichterfüllung“  angehalten wurde. Lehrer und Organist Brandt prägte danach das kulturelle Leben des Dorfes über viele Jahre. 


Steigende Schülerzahlen

1893 zählte man zum Ende des Sommersemesters 66 Schüler. Diese Zahl stieg dann stetig bis zum Jahr 1895 auf 75 Kinder. Als dann aber die Eisenbahn und schließlich der Kanal gebaut wurden, stieg die Zahl durch den Zuzug vieler Bauarbeiterfamilien auf 93 zu Beginn der Winterschule  1896. Da hierdurch die Schulklasse gänzlich überfüllt war, wurde zum 1. Januar 1897 seitens der Königlichen Regierung in Schleswig „die Halbtagsschule hierselbst eingerichtet.“ Für die Mehrarbeit, die Lehrer Brandt hierdurch zu leisten hatte, erhielt er jährlich 150 M mehr an Gehalt. 


Schulerweiterung

Die Schülerzahl stieg weiter an, so dass sich  1901 Kirchengemeinde und Schulvorstand veranlasst sahen, eine zweite Klasse einzurichten. Dazu sollte ein zweiter Lehrer eingestellt werden und das Schulhaus um einen Klassenraum erweitert werden. Bis dahin hatte Lehrer Brandt die nun 110 Schüler alleine  in zwei Durchgängen am Vor- und Nachmittag unterrichtet. Bis 1905 stieg dann die Schülerzahl weiter an, als 116 Jungen und Mädchen in der kleinen Schule unterrichtet werden mussten. Im Oktober 1902 konnte endlich die  2. Lehrerstelle eingerichtet werden.  Am 16. des Monats wurde dazu der Schulaspirant Heinrich Oeding aus dem Uetersener Lehrerseminar von dem Schulinspektor Pastor Lüders feierlich in sein Amt eingeführt. Da mit dem Bau des projektierten Klassenraums noch nicht begonnen worden  war, fand der Unterricht der 2. Klasse zunächst in der „Konfirmandenstube“ des Pastorats statt.  1904 konnte dann die Einweihung des neuen Schulraums vorgenommen werden. Pastor Lüders schreibt dazu in der Kirchenchronik:  „Am 5. Januar konnte zur Freude aller Beteiligten der neuerbaute zweite Klassenraum am Organisten- und Schulhaus bezogen werden. Der Anbau war von Maurermeister Hagen aus Klein Berkenthin errichtet worden und kostete 3105,66 Mark. Zweidrittel  der Summe musste  von der Kirchengemeinde, der Rest von der Schulgemeinde aufgebracht werden.  Die Einweihung vollzog der Lokalschulinspektor Pastor Lüders, der die Einweihungsrede hielt.“

Schule mit Anbau

Die erste Lehrerin

Von nun an wurde in Berkenthin in zwei Klassen für die „Kleinen“ und für die „Fortgeschrittenen“ unterrichtet.  1906/07 wurden in der 1. Klasse 62 und in der 2. Klasse 57 Schüler beschult, bevor dann die Zahl wegen des Wegzuges der Bahn- und Kanalarbeiter langsam wieder sank und 1912/13  wieder bei 92 angekommen war. 

1908 kam mit Margarete Behrens die erste Lehrerin nach Berkenthin. Sie  übernahm die Nachfolge des 2. Lehrers Oeding, der auf eigenen Wunsch nach Altona wechselte. Am 29. September 1912  trat dann auch Lehrer und Organist Ernst Brandt  nach 17 Jahren Dienst an der Berkenthiner Schule aus „Kränklichkeit“ auf eigenen Wunsch in den Ruhestand. Er erhielt ein jährliches Ruhegehalt von 3397 Mark. Sein Nachfolger als Lehrer, Küster und Organist wurde Lehrer Voß, der seinen Dienst am 1. Dezember antrat.

ca. 1925 an der Friedhofsmauer

 


Feierlichkeiten am Vorabend des Krieges

In den Jahre 1913 und 14 wurden dann unmittelbar vor Ausbruch des großen Krieges noch einmal diverse Feierlichkeiten in der Schule abgehalten. Dabei gab es auch einen großen technischen Fortschritt  zu bestaunen. Nachdem nämlich Berkenthin an das elektrische Stromnetz angeschlossen worden war, erstrahlte am Weihnachtsabend 1913 zum ersten Male das Küster- und Schulhaus in elektrischem Licht.  Vorher war anlässlich der  100-jährigen Wiederkehr der Schlacht bei Leipzig am 18. Oktober die übliche Gedenkfeier mit dem üblichen Pathos,  Rezitationen und Gesang abgehalten worden. Im Januar stand wieder einmal „Kaisers Geburtstag“ an und am 18. April die Düppel-Gedenkfeier. Bereits nach Kriegsausbruch am 2. September 1914 fand noch einmal eine Sedan-Feier statt. In der Ansprache des Lehrers wurde dieser Tag mit den Ereignissen des Kriegsjahres 1914 in Zusammenhang gebracht. Mit dem Liede „Deutschland, Deutschland über alles“ schloss die Feier. Viele der jungen Männer, die auch in der Schule im Geist dieser Zeit erzogen wurden, sollten den folgenden Krieg nicht überleben.

Hauswirtschaftsunterricht

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RAD Lager
Unterricht im Barackenlager

Lückenhafte Quellen

Mit dem Jahr 1916 endet der 1. Teil der Berkenthiner Schulchronik. Der 2. Band ist verschwunden. Lehrer Schumacher, der sich nach dem 2. Weltkrieg um eine Fortsetzung bemühte, schreibt dazu 1957: „Seit meinem Dienstantritt vor 6 Wochen habe ich mich vergeblich bemüht, den 2. Band der hiesigen Schulchronik zu finden, leider erfolglos. Es liegen vor: a) die Berkenthiner Schulchronik für den Zeitraum von 1882 bis 1916 und b) die Schulchronik für Göldenitz, das früher eine eigene Schule besaß, jetzt aber seine Kinder nach hier schickt, für den Zeitraum von 1887 bis 1937. Vielleicht ist der 2. Band der Berkenthiner Schulchronik in der wilden Nachkriegszeit verloren gegangen, vielleicht auch mit Absicht vernichtet worden, weil der letzte Chronist der Nazizeit unangenehme Folgen für seine Eintragungen befürchtete.“ 

Schulklasse 1948/49
 

Oben: Schankin, Koop, Kost, Rippert, Meier, Gruhn, Steffen, Zickermann, ? , Schuhmann, Erdmann, Roll, Weigel, Schmidt, Speh, Kröger

Mitte: Neubacher, Ricker, Wittler, Kara (Schulleiter), Klompfaß, Kaddeletz, Bennfeld, Dresow (Klassenlehrer), ? , Berghäuser, Spengel, ? , Ewert, Dohrendorf, Dahnke, Heck, Schwarz

Unten: Henke, Ladentin, ? , Steffen, Wollmann, Schewe, Wittler, Bartels, Vorbau, Schmitt, Wulf, Suhr, Jürs, Kanitz, Berghäuser, Unger, Nehmer, Reetz 

Schulklasse A.Kara ca. 1948
Schulklasse A.Kara ca. 1948

 

Klassenfoto 1948 mit Frl. Hartz

Schwieriger schulischer Neubeginn 

Wie auch immer versuchte dann Lehrer Schumacher in den 50er Jahren die Lücke zu füllen und setzte im Rückblick mit dem Jahr 1938 an. In diesem Jahr war nach dem „Groß Hamburg Gesetz“ die Gemeinde Berkenthin gebildet worden, zu der neben Groß und Klein Berkenthin auch Gödenitz und Hollenbek gehörten. In diesem Jahr sollten nach dem Zusammenschluss ein Schulneubau unter dem damaligen Bürgermeister Hugo Rath erfolgen, zu dem des wegen des Krieges ein Jahr später aber nicht mehr kam.

Für die unmittelbare Nachkriegszeit  liegen uns dann immerhin persönliche Erinnerungen der langjährigen Berkenthiner Lehrerin Helga Dresow vor, auf die sich die folgende Darstellung stützt.  Nach der bedingungslosen Kapitulation 1945 waren Berkenthin und die umliegenden Ortschaften überfüllt mit Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Berkenthin, vor dem Krieg eine Ortschaft mit 900 Einwohnern, hatte nun zeitweise eine Einwohnerzahl von 2.300. Damit wuchs aber auch die Zahl der Schulkinder, so dass 1948 ein Höchststand von 416 Schülern erreicht wurd

Wiederbeginn

Offizieller Schulbeginn nach dem Krieg sollte der 1. Oktober 1945 sein. Allerdings konnte auch in Berkenthin wie in vielen anderen Orten dieser Termin nicht eingehalten werden. Das Schulgebäude war mit Flüchtlingen belegt, Lehrer waren im Krieg gefallen, waren in Gefangenschaft oder mussten entnazifiziert werden. In Berkenthin wurde der Unterricht im Frühjahr 1946 wieder aufgenommen, vorerst aber nur für die Kinder der Unterstufe.

Der letzte Schulleiter Gude wurde ausgetauscht, er musste auch die Wohnung im Schulhaus räumen ihm wurde eine Einzimmerwohnung in Kählstorf zugewiesen.  Für ihn kam Arno Kara aus Forst in der Lausitz an die Schule. Zweite Lehrkraft war Fräulein Jansen, Fräulein Helga Hartz, die spätere Frau Dresow, kam im Sommer 1946 als dritte Lehrkraft an die Schule. Es folgten weitere Lehrkräfte, u.a. der spätere Schulleiter Werner Dresow, so dass so langsam auch der Unterricht für die Oberstufe wieder aufgenommen werden konnte.

Der Schüler Herbert Gruhn, der im November 1946 als Flüchtling mit seiner Familie nach Berkenthin kam und bei Sattlermeister Koop in der Bahnhofstraße untergekommen war und in der Schule neben Dieter Dahnke gesetzt wurde, beschreib seine damaligen Lehrer folgendermaßen:

„Unser Schulleiter, Herr Kara, ist Musiklehrer, sehr beliebt und unterrichtet die oberen Klassen. Er organisiert Sommerfeste und Weihnachtsfeiern mit Aufführung. Dabei wird viel Wert auf Gesang gelegt. Kirchenlieder, Volkslieder und Kanons. Mein Klassenlehrer ist Herr Dresow, sehr hager, noch jung, gerade aus dem Krieg zurückgekehrt. Lehrer Schlei, etwas untersetzt, hat auch erst die Soldatenuniform abgelegt. Bei beiden Lehrern herrscht militärische Strenge. Sportunterricht ist ihre Sache: Herr Schlei treibt uns besonders beim Schlagballspiel an. Er triezt uns förmlich. Wettkämpfe werden organisiert, und wir schafften es bis zur Kreismeisterschaft. Fräulein Jansen und Fräulein Hartz sind junge Lehrerinnen. Fräulein Hartz ist sehr schlank und hat halblanges, dunkelblondes Haar, Fräulein Jansen, sportlich kompakt mit blondem Kurzhaar, ist eine gute Schwimmerin. Die Lehrerinnen sind auch streng, aber anders. Herr Suhr, ein etwas älterer Lehrer und väterlicher Typ, ist  immer sehr besorgt um uns. Sein Lieblingsfach ist Heimatkunde. Wir lesen den Schimmelreiter und Pole Poppenspäler. Er liebt auch die plattdeutschen Dichter.

Schulraumnot

Unterrichtet wurde zeitweise in 3 Schichten von 8 Lehrkräften. Neben den beiden vorhandenen Klassenräumen kamen der Konfirmandenraum im Pastorat als Klassenraum hinzu, allerdings stand dieser  an 2 Tagen jeweils nur für wenige Stunden zur Verfügung. Da das Pastorat damals noch landwirtschaftlich genutzt wurde, musste der Unterricht zudem verlegt werden, wenn auf der Diele gedroschen wurde.  Daneben wurde in einem Raum im Barackenlager, dem ehemaligen RAD-Lager in Klein Berkenthin, unterrichtet. Das Lager war zuvor als Durchgangslager genutzt worden und wurde 1951 von der Gemeinde gekauft. Außer den Klassenräumen waren keine Nebenräume vorhanden, so dass die Lehrmittel samt Sportgeräte in einer Garage untergebracht werden mussten. 

Als Konferenz-, Lehrer-, Dienst- und Aufenthaltszimmer für acht Lehrkräfte musste das Wohnzimmer der 6köpfigen Familie des Schulleiters benutzt werden. In den Pausen mussten die Schüler dann in Ermangelung eines vernünftigen Pausenhofes auf die Kirchenstraße auszuweichen, was mit Blick auf den langsam zunehmenden Straßenverkehr, insbesondere auch den landwirtschaftlichen Verkehr mit Traktoren als unhaltbar angesehen werden musste. Bei einer Verkehrszählung am 24. August 1951  wurden während der Schulzeit 516 Fußgänger,, 361 Radfahrer, 18 Motorräder, 11 LKW und 80 Traktoren und Gespanne gezählt. Diese Situation konnte für 9 Klassen nur ein Notbehelf sein und so musste daran gedacht werden, neue Klassenräume zu schaffen.


Neubau (Fotoalbum H. Schwarz)
Neubau (Fotoalbum H. Schwarz)

Der Neubau 

Die ersten Planungen zielten 1948 dann aber doch auf eine Aufstockung des alten Schulgebäudes in der Kirchenstraße. Der Plan wurde bei dem damals zuständigen Bauamt in Lübeck eingereicht und abgelehnt. Das alte Gebäude galt als vollkommen ungeeignet und wurde in diesem Zusammenhang als „vorsintflutlich“ bezeichnet. Es musste nun also an einen Schulneubau herangetreten werden. Dieser Plan aber sorgte in der Gemeinde für viel Unruhe. Die einen fürchteten die hohen Kosten und die damit verbundenen höheren Steuern, andere wollte wiederum die alte einklassige Volksschule in Göldenitz öffnen, andere erwarteten den baldigen Abzug der Flüchtlinge und eine Normalisierung der Verhältnisse. Aber viele Einwohner wollten den Neubau für ihre Kinder unbedingt durchsetzen. Vor allem der Elternbeirat unter dem Vorsitz des früheren Bürgermeisters Hugo Rath setzte sich zusammen mit dem Schulleiter, dem Hauptschullehrer Kara, unablässig dafür ein, das Projekt weiter zu verfolgen. 

Auch wenn der dann bereits 1951 eingereichte Neubauplan wegen der engen Haushaltslage nicht gleich durchgesetzt werden konnte, so waren doch die amtlichen Stellen von der unbedingten Notwendigkeit eines Neubaus überzeugt. So konnten auch der Kreisausschuss und die Landesregierung für   das Vorhabens gewonnen werden. Die Gemeinde erwarb das Grundstück in zentraler Klein Berkenthiner Lage und im Januar 1952 begannen dann die Bauarbeiten und am 10. August wurde der erste Bauabschnitt der heutigen Schule eingeweiht. Es war ein für damalige Verhältnisse moderner Bau im Pavillonstil mit vier Klassenräumen, einem Lehrerzimmer, einem Hauptlehrerzimmer und einem Lehrmittelzimmer und einer Toilettenanlage entstanden. Eine Hausmeisterwohnung war in das Schulgebäude einbezogen worden. Der Schulhof war geräumig.  Am Südrande des Schulhofes steht ein Fahrradschuppen mit einer gut getarnten Müllgrube, ein Teil des Grundstückes dient als Schul- und als Hausmeistergarten. „Leider war versäumt worden, die schönen Rasenflächen fachgemäß zu planieren“, bemerkte der Chronist Lehrer Schumacher rückblickend. Die Kosten beliefen sich auf 140.000 DM.  Auch an die Einweihung der neuen Schule erinnerte sich Helga Dresow später:

„Beim Richtfest der neuen Schule hielten Schulleiter Kara und der Bürgermeister Hugo Rath ihre Reden und der Schulchor sang vor vielen Zuschauern.“

Arno Kara hatte sein Ziel erreicht, aber die Schule war von Anfang an zu klein. Die vier Klassenräume boten nur Platz für das 3. bis 9. Schuljahr, deshalb musste gleich noch ein Anbau geschaffen werden. Bis 1956 wurden die Kleinen noch in dem alten Schulgebäude in Groß Berkenthin unterrichtet.

Neubau (Fotoalbum H. Schwarz)
Neubau (Fotoalbum H. Schwarz)
Neubau (Fotoalbum H. Schwarz)
Neubau (Fotoalbum H. Schwarz)
Neubau (Fotoalbum H. Schwarz)
Neubau (Fotoalbum H. Schwarz)
Neubau (Fotoalbum H. Schwarz)
Neubau (Fotoalbum H. Schwarz)
Neubau (Fotoalbum H. Schwarz)
Neubau (Fotoalbum H. Schwarz)
Neubau (Fotoalbum H. Schwarz)
Neubau (Fotoalbum H. Schwarz)

Die 50er Jahre

Der erste Nachkriegsschulleiter war Arno Kara. Er war am 4.2.1896 in Forst/Lausitz geboren worden und wurde nach der Flucht am 2.4.1948 Schulleiter in Berkenthin. Er bekleidete dieses Amt bis zu seinem überraschenden Tod am 6.4.1957. Ihm kommen große Verdienste um den Neubau der Schule zu, er machte sich aber auch um den Kulturbetrieb im Ort verdient. So bemühte er sich um den Aufbau der Gemeindebücherei und war  Mitbegründer einer Gemeinschaft, die sich um die Pflege der Kultur kümmerte und  leitete den Posaunenchor. Sein Nachfolger wurde Lehrer Hans Schumacher, der die Schulchronik fortsetzte. Er wurde  1911 in Altona geboren, absolvierte die  Pädagogische Akademie in Altona und war nach Kriegsdienst und Gefangenschaft ab 1948 im Schuldienst in Stormarn tätig gewesen. Er wurde  mit Wirkung vom 1. August 1957 nach Berkenthin versetzt. Zu seinem Kollegium gehörten Ende der 50er Jahre außer ihm noch:

Franz Bluhm,  der 1893 in Freienwalde / Pommern geboren wurde und nach dem   Ersten Weltkrieg in Barfußdorf / Kreis Naugard seine erste Stelle hatte. Der Krieg verschlug ihn nach Berkenthin, wo er seit dem  1. Juli als 1948 Lehrer war. Er wurde zum Ende des Schuljahres 1957/58 verabschiedet, nachdem er die Altersgrenze erreicht hatte. Für ihn kam 

Gustav Dohrendorf, der sich nach 10-jähriger Tätigkeit als Landwirt in Groß Berkenthin für den Lehrerberuf entschieden hatte. Nach einem Studium in Flensburg trat er am 11. April 1958 seinen Dienst an der Schule seines Heimatortes an.

Lehrer Werner Dresow eröffnet das Sportfest 1958

Werner Dresow, der am 30.12.1920 in Schlawe / Pommern geboren wurde und nach dem  Abitur 1939 und nach Kriegsteilnahme und Studium an den Päd. Hochschulen in Flensburg und Kiel seit dem 16.7.1947 in Berkenthin tätig war. 

Irene Stibor, geb. 9.5. 1911 in Rothfließ, Kreis Rößel (Ostpreußen). Sie absolvierte ihr Staatsexamen in Handarbeit und Hauswirtschaft, war von 1939 bis zur Flucht in Osterrode im Schuldienst. Nach ihrer Internierung in Dänemark wurde sie am  1.1.1951 in Berkenthin als Lehrerin angestellt. 

Wenige Jahre vorher waren an der Schule noch bis zu 8 Kolleginnen und Kollegen tätig gewesen, die aber nach dem stetigen Rückgang der Schülerzahlen inzwischen an andere Schulen versetzt worden waren. Bei  Dienstantritt  Schumachers  1957 besuchten noch 140 Kinder aus Berkenthin einschließlich Kählstorf und Göldenitz die neue Schule. Aber offensichtlich wurde auch damals schon gerne an Lehrerstellen gespart, denn so hieß es in einem Eintrag in der Schulchronik aus dem Jahre 1960: „Mit Schulbeginn nach den Osterferien am 22.4.1960 ist unser noch vor zehn Jahren 8 „Mann“ starkes Kollegium auf drei zusammengeschmolzen. Wir müssen jetzt bei 126 Kindern mit drei Lehrkräften auskommen. Es ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten, da die Klassenstärken nun auf 39, 41 und 46 Kinder angewachsen sind. Je drei Jahrgänge werden in einer Klasse unterrichtet.“


Der Schulwald

Insgesamt war aber nach dem Provisorium der ersten Nachkriegsjahre wieder Normalität im Schulalltag eingekehrt. So fanden neben dem eigentlichen Unterricht bereits wieder jede Menge Aktivitäten statt, die auch in die Schulchronik Eingang fanden. Ein großes Schulprojekt, das bereits Anfang der 50 Jahre in Angriff genommen wurde, war die Anlage eines Schulwaldes am Weißen Berg in Klein Berkenthin. Die Schulwaldbewegung hatte ihren Ursprung im dem großen Aufforstungsprogramm nach dem Krieg und wurde – ganz modern – mit dem pädagogischen Ansatz verbunden, das Umweltbewusstsein und Naturverständnis von Kindern durch eigenes Naturerleben zu fördern. So ging man damals daran, den Weißer Berg hinter dem heutigen Klärwerk planmäßig zu bepflanzen. Das Gelände war zunächst nur eine Binnendüne, die aus weißem Sand bestand, auf dem Ginsterbüsche wuchsen. Gegen Ende des Krieges hatten sich hier noch deutsche Soldaten verschanzt. Die spätere Lehrerin Helga Dresow erinnert sich: „Der Landwirt Haase kam mit Pflug und Schwert und zog Furchen in den Sand. Die Kinder steckten dann die Kiefernpflanzen in die Erde. … Der Lehrer Kara stimmte ein Lied an und alle verpflichteten sich, den Wald zu pflegen.“ 

Schulklasse mit Helga Dresow 1958
Schulklasse mit Helga Dresow 1958

Aktivitäten

Ansonsten kam schon damals der Verkehrskasper an die Schule, es gab Filmstunden und Bildervorträge. Und es wurden Kinderfeste in „alter Form“ mit Scheibenschießen, Wettspielen, Umzug, Kaffeetafel, Kindertanz und Laternenumzug gefeiert. Erstmalig gab es nach dem Krieg wieder ein Feuerwerk, „wie schon einmal zu früherer Zeit.“ In einem Eintrag aus dem Frühjahr 1960 heißt es außerdem zu einer Ausstellung von Schülerarbeiten: „Die ausgestellten Arbeiten erweckten bei den Besuchern uneingeschränktes Lob hinsichtlich der Fülle, der Sauberkeit und des Reichtums an Gestaltungswillen und Phantasie. – Eine restlos gelungene Veranstaltung.“ 


Die 60er Jahre 


Schulleiter Dresow

Im Sommer 1960 bewarb sich Schulleiter Schumacher erfolgreich auf die Rektorenstelle an der Volksschule in Schwarzenbek. Sein Nachfolger als Schulleiter in Berkenthin wurde Werner Dresow, hierselbst Lehrer sein 1947. Zugleich wurde Helga Dresow (1927 bis 2022) als 4. Lehrkraft eingestellt. Sie hatte die Lehrerinnenausbildungsanstalt in Ahrensbök besucht und hatte schon 1946 an der Berkenthiner Schule gearbeitet. Sie ging dann von 1956 bis 1962 nach Kühsen und kam jetzt zurück nach Berkenthin. Damit wirkten Anfang der 60er Jahre die Lehrkräfte Werner Dresow, Helga Dresow, Inge Stibor und Gustav Dohrendorf an der Schule.

In diesem Jahr 1960 kam es zur Gründung einer Schulvereins und der Gemeinderat beschloss die  Lernmittelfreiheit für alle Kinder. Die Schule unternahm eine Fahrt nach Hamburg und fuhr zu den  Karl-May-Festspielen in  Bad Segeberg. Eine Radtour führte entlang der „Zonengrenze“, man nahm an den Bundesjugendspielen teil und es wurden eine Theateraufführung im Burgtheater in Ratzeburg und das Weihnachtsmärchen im Stadttheater Lübeck besucht.

Das Jahr 1961 brache dann den lang ersehnten Ausbau der Hauptlehrerwohnung bei der Schule. An besonderen Aktivitäten vermerkt die Chronik für dieses Jahr die Durchführung eines Erste-Hilfe-Kurses und die Durchführung der Verkehrserziehung, daneben gab es Theaterfahrten und verschiedene Filmvorträge. Außerdem beteiligte sich die die Abschlussklasse vom 23. Bis zum 28. 8. 1961 an den Schulfernsehversuchen, wozu von der Fernsehindustrie Fernsehapparate leihweise aufgestellt wurden. Für die damalige Schülergeneration sicherlich eine kleine Sensation, steckte doch das Fernsehen damals noch in den Anfängen.

Im Jahr 1962 wurde die Hauptlehrerwohnung schließlich bezugsfertig und das Lehrerehepaar Dresow konnte einziehen. In diesem Jahr konnten die Schüler an den Elternabenden Ausschnitte aus der musischen Erziehung präsentieren und es wurden Hallenbadfahrten zur Lübecker Schwimmhalle unternommen. Daneben beteiligte sich die Schule an den Bezirks- und Kreisschulsportfesten.

1963 erwarb die Schule ein Tonfilmgerät und ein Melodica-Orchester wurde gegründet.

Ab Anfang Mai 1964  kamen die Hollenbeker Schüler nach Berkenthin, da die Schule in Behlendorf einklassig geworden war und die Eltern glaubten,  dass die Kinder in Berkenthin besser beschult werden könnten. Daneben wurden 5 Kinder zweier Familien aus Sierksrade nach Berkenthin eingeschult. 

Zu Beginn des Schuljahres 1965/66  wechselten zusätzlich 15 Kinder aus Rondeshagen nach Berkenthin, da die Rondehagener Schule einklassig geworden war. Infolgedessen fehlten in Berkenthin Klassenräume, es herrschte wieder Schulraumnot. Im selben Jahr unternahm die Schule eine  erste Auslandsfahrt nach Nyköbing in Dänemark.


Kurzschuljahre

In den Jahren 1966/67  wurden zur Umstellung auf den Schuljahresbeginn 1. August  in Schleswig-Holstein zwei Kurzschuljahre durchgeführt, vom 1. April bis 30. November 1966 und vom 1. Dezember 1966 bis 31. Juli 1967. Am 1. Dezember 1966 wurden neue Schulanfänger aufgenommen, die anderen Schüler wurden wie am Ende jedes normalen Schuljahres in die nächste Klasse versetzt. Unterrichtet wurde damals in fünf Klassen  und die Schule erhielt mit Frau Glantz  eine 5. Lehrerstelle. Da aber nur 4 Klassenräume vorhanden waren, musste in einigen Klassen bis 13.45 unterrichtet werden. Im Oktober wurde dann der Unterricht im neuen Schulpavillon aufgenommen, der in wenigen Tagen Mitte September als Fertigbauklasse errichtet worden war. Beheizt wurde der neue Klassenraum durch 4 Elektrospeicheröfen. 

Am 1.3.67 wurde Schulleiter Dresow zum Rektor ernannt und „mit Beginn des Schuljahres erhalten die Schulanfänger erstmalig auch in Berkenthin gelbe Pudelmützen, um sie im Straßenverkehr besonders kenntlich zu machen.“

Zu Beginn des Schuljahres 1967/68 konstatiert die Schulchronik: „Nach zwei Kurzschuljahren beginnen nun endlich wieder normale Zeiten. (…) Jetzt haben wir also Herbstschulanfang.“ Mit Hilfe der Gemeinde und des Schulvereins konnten in diesem Schuljahr einige Anschaffungen gemacht werden: 1 elektrische Nähmaschine, ein Thermokopiergerät, 1 Wandschrank im Schulleiterzimmer und der 14-bändige „Große Brockhaus“-Ausgabe.

Berkenthin als Standort

Schon 1963 begann die Diskussion um die Dörfergemeinschaftsschule Berkenthin, wobei man auf Amtsebene noch lange der  Meinung war, die Schulverhältnisse in den Gemeinden seien in Ordnung. Berkenthin war dabei von Anfang an als ein Zentrum vorgesehen. Dabei waren die Dörfer Kastorf, Düchelsdorf und Sierksrade zunächst für eine Schule in Siebenbäumen, später dann für eine Schule in Klinkrade eingeplant, bevor sie schließlich Berkenthin zugeordnet wurden. Die Diskussions- und Planungsphase zog sich hin, und erst nach vielen intensiven Verhandlungen in den Gemeindevertretungen und Elternbeiräten sowie nach langer Überzeugungsarbeit des Schulrates Jürß  wurde 1965 der Schulverband Berkenthin gegründet.  Amtsschreiber Bars bemerkte dazu in der Gründungsversammlung:„…um auch den Landkindern eine Schulausbildung zu geben, die der Ausbildung in den Städten keineswegs nachstehe.“ Bürgermeister Richard Meier wurde Verbandsvorsitzender. Nach der Einstufung Berkenthins als ländlicher Zentralort im Zug der Verwaltungsreform wurde dieser erste Schulverband später wieder aufgelöst. Aber immerhin stand 1967 die Entscheidung für die Errichtung einer Grund- und Hauptschule in Berkenthin mit den Dörfern Berkenthin, Rondeshagen, Göldenitz, Niendorf, Sierksrade und Düchelsdorf. Später traten dann auch Kastorf und Behlendorf dem Verband bei, so dass Schüler aus acht Gemeinden in Berkenthin beschult wurden. Krummesse blieb als eigener Schulstandort erhalten. Bliestorf und Klempau schlossen sich dem dortigen Schulverband an.


Stufenweiser Ausbau

Der Übergang vollzog sich fließend, da der durch die Zusammenlegung notwendig gewordene Ausbau der Schule nur in verschiedenen Bauabschnitten erfolgen konnte. Zu Beginn des Schuljahres 1968/69 bemerkte Rektor Dresow dazu: „Große Veränderungen zeichnen sich ab. Die Zahl der Kinder steigt im Laufe des Jahres auf 244, die in 7 Klassen unterrichtet werden. Da die Schule nur über 5 Klassenräume verfügt, werden der Gruppenraum in der Schule und das Sportheim auf dem Sportplatz als Behelfsklassen eingerichtet und während des ganzen Schuljahres benutzt. Mit Schuljahresbeginn besuchen 11 Niendorfer Kinder, 23 Hauptschüler aus Düchelsdorf und 6 Kinder des 9. Schuljahres aus Kastorf unsere Schule. Ab Januar 1969 kommen auch sämtliche Behlendorfer Kinder nach Berkenthin. Die Firma Rudolf aus Bliestorf übernimmt mit einem Kleinbus die Beförderung der Niendorfer und Behlendorfer Schüler, während die Kastorfer und Düchelsdorfer Schüler die fahrplanmäßigen Linienbusse benutzen.“

Ab dem 11.8.1969 konnten 4 Klassenräume des 1. Bauabschnitts bezogen werden. Nach der endgültigen Fertigstellung wurde am 26.10.1969 ein „Tag der offenen Tür“ veranstaltet, um der Bevölkerung Gelegenheit zu geben, die neuen Räume zu besichtigen. Zum Schuljahresbeginn 1969/70 wurden in 12 Klassen 345 Kinder von 12 Lehrern (darunter 2  Teilzeitkräfte) unterrichtet. Zu der Zeit gab es  noch die Außenstellen Kastorf (29), Rondeshagen (29), Düchelsdorf (26). 

Das Schuljahr 1970/71   begann mit 351 Kindern, davon besuchten noch 30 die Schule in Kastorf, 25 die in Düchelsdorf und 23 die in Rondeshagen. Ab Januar 1971 wurde das Fahrproblem mit den Schulbussen günstiger, da völlig auf die öffentlichen Verkehrsmittel verzichtet wurde und nur noch die Firma Dahmetal, Bliestorf, die Kinder beförderte. Die Schulchronik berichtet für dieses Jahr von Ausstellungen der Schülerarbeiten, von der Mitwirkung am Volkstrauertag, der Veranstaltung eines Kinderfestes und der Durchführung von Klassenfahrten.

Ab dem Schuljahr 1971/72 wurde ein unterrichtsfreier Sonnabend im Monat eingeführt. Bis dahin galt für Schüler und Lehrer ohne Ausnahme die 6-Tage-Woche.

Zu Beginn des Schuljahres 1972/73 begann der Bau weiterer 5 Klassen und damit der 2. Bauabschnitt, was mit einer massiven Störung durch den Baulärm verbunden war, wie die Chronik vermerkt. Die Planung sah weiter vor, dass der Pavillon  auf dem Schulhof  als Gymnastikraum Verwendung finden sollte, wenn die neuen Klassen erstellt sein sollten. Der ehemalige Garten sollte danach  zu einem Kleinsportplatz umgebaut werden. 


Geschafft!

In einem Eintrag zu Beginn des Schuljahres 1973/74 hieß es dann: „Endlich ist es geschafft! Der 2. Bauabschnitt der Schule ist fertiggestellt und es kann in 13 Stammklassen unterrichtet werden. Die Außenstellen in Düchelsdorf, Kastorf und  Rondeshagen werden aufgelöst. Bis in den Oktober hinein kann auch das beheizte Lehrschwimmbecken benutzt werden. In den Wintermonaten werden Fahrten ins Hallenschwimmbad nach Ratzeburg durchgeführt. Die Gemeindebüchereien Berkenthin, Rondeshagen und Kastorf werden als Schulverbandsbücherei zusammengelegt…Mit Schuljahrbeginn erfolgt auch eine Neuregelung des Fahrproblems. Ein großer Bus und ein kleiner Bus, der vom Hausmeister gefahren wird, sind jetzt dreimal morgens und dreimal mittags eingesetzt, so dass kaum noch Wartezeiten entstehen.“

Im Schuljahr 1974/75  wurde durch Zuzug von Familien aus Lübeck und Hamburg in die Neubaugebiete besonders in Rondeshagen und Berkenthin ein Anstieg der Schülerzahl auf 360 verzeichnet.

Das überragende Ereignis der Jahre 1976 und 77 war dann der Bau der großen (ersten) Turnhalle  mit einer Grundfläche von 18×33 m. Sie wurde  am 28. September 1977 eingeweiht, am 2. Oktober fand dazu ein „Tag der offenen Tür“ statt, an dem der Bevölkerung die Gelegenheit gegeben wurde, Turnhalle und Schule zu besichtigen.  Am 19.11. 1977 wurde danach erstmalig ein internes Schulfest in allen Klassen der Schule durchgeführt. Und auch der neuen technischen Entwicklung wurde Rechnung getragen, als erste „Elektrorechner“ für das  9. Schuljahr anstelle der im Lehrplan vorgesehenen Rechenstäbe angeschafft wurden

Im Schuljahr 1978/79 wurde ebenfalls erstmalig ein Betriebspraktikum durchgeführt.

 

Schulchroniken Berkenthin, Teil 1 und Teil 3 (Teil 2 fehlt). Amtsarchiv Berkenthin

Kirchenchronik Berkenthin

Hans Funk: Die neue Schulordnung von 1757, hier zitiert nach der der Rondeshagener Dorfchronik http://www.rondeshagen.com

Guido Weinberger, Ortschronik Kastorf http://www.kastorfer-geschichte.de/

Helga und Walter Koop: 750 Jahre Berkenthin, Festschrift 1980

Eckhardt Opitz: Herzogtum Lauenburg. Das Land und seine Geschichte. Neumünster 2003