Die „gute“ alte Zeit

Der Anschluss an die Welt

Die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg wurden von vielen – zum Teil in verklärender Weise – als die „gute alte Zeit“ bezeichnet. Immerhin handelte es sich auch für die Berkenthiner um eine in ihrer langen Geschichte kaum erlebte mehr als 40jährige Friedenszeit von 1871 bis 1914, die noch dazu von innerer Stabilität und relativem Wohlstand geprägt war. Wirtschaftlich ging es bergauf, wobei es vor allem die Bauern zum Teil zu einem beträchtlichen Wohlstand brachten, nachdem sie über ihr Land und ihre Wirtschaft frei verfügen konnten. Ein Teil der heute noch stattlichen großen Bauernhäuser entstand in jenen Jahren. Aber auch Handel und Handwerk entwickelten sich nach der Einführung der Gewerbefreiheit 1869 vorteilhaft. Entscheidende Einschnitte waren der Bau des Elbe-Trave-Kanals und die Fertigstellung der Kaiserbahn von Berlin nach Kiel, die durch unseren Ort führte und mit der auch die „Neue Zeit“ in Berkenthin Einzug hielt. Nach Jahrhunderten der Abgeschiedenheit hatte Berkenthin den direkten Anschluss an die Welt gefunden. In wenigen Stunden war man mit der Eisenbahn in der pulsierenden Hauptstadt des Reiches Berlin.

Hinzu kamen andere technische Neuerungen wie Telefon und Telegraphie, welche die schnelle Kommunikation mit anderen Gegenden ermöglichte, das Fahrrad und das Automobil und viele andere mehr. Von Bedeutung war auch die  Verbreitung von Zeitungen, etwa der „Lauenburgischen Landeszeitung“, die bereits dreimal wöchentlich erschien und zusammen mit der zunehmenden Lesefähigkeit der Dorfbewohner dazu führte, das die Menschen auf dem Land erstmals über wichtige Ereignisse des Weltgeschehens informiert waren. Daneben befriedigte die Herausgabe des „Lauenburgischen Haushalts- und Familienkalenders“, der auch in vielen Berkenthiner Familien gelesen wurde, das neu entstandene Lesebedürfnis der Menschen.


Frauen dürfen nicht wählen

Das Aufgehen in das letztendlich obrigkeitsstaatliche Preußen die Einführung der damit verbundenen neuen politischen Strukturen hatte immerhin zur Entstehung der gemeindlichen Selbstverwaltung durch gewählte Vertreter gewählt. Dass das nach heutigen Maßstäben undemokratische Dreiklassenwahlrecht die wohlhabende Schicht begünstigte, die Frauen dazu gänzlich von der politischen Mitwirkung ausschloss, dürfte die meisten nicht sonderlich gestört haben, war doch das Neue weit mehr als das, was man über Jahrhunderte   an Bevormundung ertragen hatte. Überhaupt war die Politisierung der Dorfbevölkerung eher gering, was vor allem durch eine geringe Wahlbeteiligung auch bei den Reichstagswahlen zum Ausdruck kam. Die in anderen Regionen aufkommende Sozialdemokratie spielte in  unserer ländlichen Region lange Zeit keine Rolle.


Begeisterung für das Militär

Der Dienst in der preußischen Armee, die Gründung eines Kriegervereins mit seiner vaterländischen Grundausrichtung aber vor allem auch die autoritäre Erziehung in der Schule machte aus den Berkentiner in wenigen Jahrzehnten kaisertreue Untertanen. Die Verbundenheit mit Vaterland und Kaiserhaus wurde zudem durch eine Vielzahl von nationalen Feier- und Gedenktage zum Ausdruck gebracht wie dem Reichsgründungstag (18. Januar), Kaisers Geburtstag (27. Januar) und vor allem dem Sedantag (2. September), an dem des Sieges über Frankreich 1870 gedacht wurde.  Ganz groß gefeiert wurde dieser Tag vor allem in Ratzeburg mit ganztägigen Umzügen, Konzerten, Ansprachen, aber auch in Schule und Gottesdiensten in Berkenthin und allen anderen Dörfern. Da eine Trennung von Kirche und Staat noch nicht vollzogen war, nahm der Staat durch Vorgaben selbst auf die kirchliche Lehre und die Themen der sonn- und festtäglichen Predigten Einfluss.


s.a. Album AK Berkenthin

Sieht man auf den Alltag dieser Jahre vorm ersten Weltkrieg, dann wird deutlich, dass die Berkenthiner auch damals ihre Nöte und Sorgen hatten. Von Grund zur Nostalgie kann keine Rede sein.  Was die Menschen in unserem Ort jenseits der großen Politik wirklich bewegte, zeigt eine Aneinanderreihung von Meldungen aus der Lauenburgischen Landeszeitung, der von Pastor Lüders akribisch  geführten Kirchenchronik und der Schulchronik.


1889

Lauenburgische Zeitung, 13. Juli 1889

Großfeuer in Berkenthin: Ein Teil des historischen Ortskerns der Gemeinde Berkenthin wird vernichtet.

„Klein Berkenthin, 8. Juni. In der vergangenen Nacht gegen 12 Uhr kam im Wohnhause des ½ Hufners W. Wulf hierselbst ein Feuer auf, das auch für die anliegenden Gebäude des Hufners J. Meyer und Interimswirts Goden verhängnisvoll werden sollte. Denn nach unglaublich kurzer Zeit, noch ehe die schnell alarmierte Ortsfeuerwehr aus Groß Berkenthin eingetroffen war, standen die gesamten Gebäude in Flammen und mussten als verloren aufgegeben werden. Der weithin sichtbare Feuerschein rief zwar die Löschmannschaften mit ihren Spritzen aus der Nachbardörfern zur Hilfe herbei, doch konnten diese dem Feuer nicht mehr Einhalt bieten, sondern mussten auf die Rettung der Nachbargrundstücke bedacht nehmen.. Eingeäschert wurden die Wohnhäuser, Katen und Ställe der Hufner Wulf und Meyer, sowie das Wohnhaus und der Schweinestall des Hauswirts Goden. Vom Mobiliar wurde vieles gerettet, ebenso fast sämtliches Vieh, nur drei Schweine und 6 Hühner kamen in den Flammen um. Über die Entstehungsursache des Feuers verlautet nichts Bestimmtes doch wird allgemein böswillige Brandstiftung angenommen. Den Brandschaden haben die Vaterländisch-Feuerversicherung-Aktiengesellschaft in Elberfeld und die Feuer Assecuranz-Sozietät in Ratzeburg zu tragen.“

Lauenburgische Zeitung, Donnerstag, 10. Oktober 1889

Feuer. In Klein Berkenthin brannte in der Nacht auf Sonnabend das Wohnhaus des Anbauers Prüßmann bis auf die Grundmauern nieder. Dem Prüßmann wurde durch ein anonymes Schreiben bereits vor acht Tagen mitgeteilt, dass sein Haus demnächst abbrennen wird. Und man fahndet jetzt nach dem Schreiber, in welchem man mit Recht den bösartigen Brandstifter vermutet.“


1896

Neuer Lehrer und Organist: Am 1. Januar 1896 wurde der langjährige Küster, Lehrer und Organist Mohr mit einer jährlichen Pension von ca. 1.800 M auf sein Ansuchen in den Ruhestand versetzt […] Als Nachfolger wurde der Lehrer J.J.E. Brandt am 11. November 1895 […] vom Kreisausschuss […] gewählt.  Er wurde wie alle Lehrer feierlich im Rahmen eines Gottesdienstes vom Schulinspektor Pastor Lüders in sein Amt eingeführt, indem er vor dem Altar zur „gewissenhaften und treuen Pflichterfüllung“  angehalten wurde. Lehrer und Organist Brandt prägte danach das kulturelle Leben des Dorfes über viele Jahre.

Feuersbrünste: Zu den Amtspflichten des Küsters gehörte damals auch das Ziehen der Sturmglocke. In dieser Funktion wurde Brandt wenig später gefordert, als  am 6. Februar das Haus des Schleusenwärters Klörs in Klein Berkenthin abbrannte. Noch während die Spritzenleute mit dem Löschen beschäftigt waren, stand auch der Hof von August Dohrendorf in Groß Berkenthin plötzlich in Flammen und brannte bis auf die Grundmauern nieder. Die Ursachen beider Brände blieben ungeklärt.

Petition: Am 20. März wurde eine von vielen Berkenthinern unterschriebene Petition an den Reichstagsabgeordneten des Kreises, den Grafen Andreas von Bernstorff zu Stintenburg eingereicht.  In dieser wurde angeregt, dass die Eheschließung eventuell auch wieder ausschließlich durch die Kirche möglich sein sollte. Die Petition blieb allerdings ohne Erfolg.

Pech! Am 29. April  drangen Diebe in die Kirche ein und brachen einen Opferstock auf und erbeuteten 6 Mark. Der Opferstock am Eingang, der 27 Mark enthielt, wurde von ihnen übersehen und blieb folglich verschont!

Besondere Gedenkfeier: Neben den sich jährlich wiederholenden o.a. Feierstunden zum Reichsgründungstag (18. Januar), zu Kaisers Geburtstag (27. Januar) und vor allem zum Sedantag (2. September) wurde am 15. Juni in der Schule eine Gedenkfeier zum 8. Todestag von  Kaiser Friedrich III. durchgeführt.

Kriegerverein: Am 27. Oktober 1895 haben sich 30 Personen in Klein Berkenthin zur Gründung eines Kriegervereins für das Kirchspiel Berkenthin zusammengeschlossen. Zur Ausarbeitung der Statuten wurden folgende Herrschaften ausgewählt: von Krogh – Groß Weeden, Dohrendorf, Weiß, Sedemund – Groß Berkentin; Lühr – Düchelsdorf; Benthin – Sierksrade (Lauenburgische Zeitung, 28.10.1895)


1897

Schule:  Durch Zuzug vieler Bahnarbeiter stieg die Schülerzahl bei Beginn der Winterschule 1896 auf 93. Da hierdurch die Schulklasse gänzlich überfüllt war, so wurde zum 1. Januar 1897 seitens der Königlichen Regierung in Schleswig die Halbtagsschule eingerichtet. Für die Mehrarbeit des Lehrers erhielt derselbe jährlich 150 M.

Bildung: Anfang 1897 wird Geld zur Anschaffung einer Schülerbibliothek bereitgestellt. 35 Bände konnten angeschafft werden.

Selbstmord:  Am 27. Januar wurde der ¾ Hufner Hans Jochim H.  in seinem Haus tot aufgefunden. Er galt als schwermütig und hatte sich das Leben genommen. Er wurde ohne kirchliche Beteiligung beerdigt.

Besondere Gedenkfeier: Am 22.März fand in der Kirche unter Glockengeläut und anschließend  in der Schule eine Gedenkfeier zum 100-jährigen Geburtstag von Kaiser Wilhelm I. statt.

 

Eröffnung: Am 15. August wurde die Eisenbahnstrecke von Hagenow nach Bad Oldesloe feierlich eröffnet. Pastor Lüders lobte beim Festgottesdienst in der Kirche dieses Werk mit überschwänglichen Worten: „In dieser neuen Bahn erkennen wir eine gute Gabe von oben herab von dem Vater der Liebe, ein unermesslich segenreiches  Geschenk des so freundlichen Gottes.“ In seiner weiteren Predigt erkannte er auch für die hiesige Kirchengemeinde Vorteile durch die Bahn, da doch nun die lübschen Dörfer Sierksrade und Düchelsdorf und das Gut Groß Weeden über den Bahnhof in Sierksrade näher an die Kirche heranrückten. Aber er sah auch die Gefahr, dass die „Heiligung des Sonntags und die Sonntagshuldigung“ durch ein solches Bauwerk gestört werden könnte. Entsprechend schloss er mit den Worten: „Es ist des Satans Lust, das Seine zu tun, dass das von Gott zum Segen Geschenkte den Menschen zum Fluch werde.“

Blitzeinschlag: Am 4. September um 2 Minuten nach 6 Uhr wurde der Kirchturm von einem „kalten Schlag“ getroffen. Der Küster hatte gerade den Turm besteigen wollen, um die Betglocke zu läuten,  war aber durch das Gewitter zunächst davon abgehalten worden, so dass er ohne Schaden davonkam. Als der Pastor durch den Ruf „Der Turm brennt!“ vor die Tür des Pastorats trat, sah er schon einen Feuerbogen über dem Turm. Der Turmhelm brannte bis auf die Mauern nieder, jedoch blieben die Kirche selbst und auch die umliegenden Häuser verschont. Allerdings zersprangen durch die Hitze und den Druck die wertvollen Turmfenster und die Turmuhr. Auch wurde die schon lange reparaturbedürftige Orgel in Mitleidenschaft gezogen. Noch am selben Tag wurde der Kirchenraum von dem heruntergefallenen Schutt befreit, so dass noch am darauffolgenden Tag, einem Sonntag, wieder Gottesdienst gehalten werden konnte.  Nachdem die Versicherung zunächst 1.700 Mark für den Wiederaufbau des Turms bewilligt hatte, beschloss der Kirchenvorstand, wenig später auch den kompletten Neubau der stark beschädigten Orgel in Auftrag zu geben. Hiermit wurde, die Orgelbaufirma Furtwängler & Hammer aus Hannover beauftrag. Zugleich sollte bei dieser Gelegenheit die schon länger geplante Sanierung der ganzen Kirche in Angriff genommen. Für die Planung und Durchführung wurde der Königliche Regierungsbaumeister Dethlefsen, später dann der Architekt Voß gewonnen. Allerdings sollte  sich der Beginn der Bauarbeiten wegen der noch zu sichernden Finanzierung noch einige Zeit hinziehen.


1898

Schule:  Zu Beginn des Schuljahres besuchten 100 Schüler die noch einklassige Schule in Groß Berkenthin,  bis Mai stieg die Zahl auf 106.

Besondere Gedenkfeier: Am 15. Juni fand eine Schulfeier zum 10. Todestag Kaiser Friedrichs III. statt.  

Historische Wandmalereien: Da hinter der weißen Tünche alte Wandmalereien vermutet wurden, wurden im Sommer die Innenwände der Kirche darauf hin untersucht.  Der Hamburger Historienmalers Saffer aus Hamburg konnte schließlich sowohl über dem Mittelbogen als  an den beiden Seitenwände wertvolle Malereien aus der Zeit des Kirchenbaus im frühen 13. Jahrhundert freilegen, wobei er vom Klein Berkenthiner Maurergesellen Heinrich Schwarz unterstützt wurde. Da noch keine Baugerüste aufgestellt waren, mussten sich beide in dem hohen Kirchenraum mit langen Leitern behelfen. Am 17. Oktober reiste der preußische Landeskonservator Geheimrat Persins aus Berlin an, um die Malereien zu begutachten. Er unterstütze schließlich die Gemeinde in ihrem Entschluss, diese zu erhalten bzw. wiederherzustellen.

Gottesdienste für Kanalarbeiter: Am 26. Juni sowie am 3. und 24. Juli hielt Pastor Lüders Gottesdiente in der Kantine der Arbeiterunterkünfte vor Göldenitz ab. Allerdings war die Teilnahme recht gering, da die meisten Arbeiter katholisch waren, so dass die Gottesdienste nicht wiederholt wurden.

Hitzefrei:  Am 16. August und 17. August wurde allen Schulkindern aufgrund anhaltend hoher Temperaturen Hitzefrei gewährt.


1899

Umbettung: An der Nordseite der Kirchenwand befand sich bis dahin die Gewölbegruft der Familie von Toden aus Rondeshagen, in der sich 14 Särge mit teils historischen Inschriften befanden. Da das Gewölbe dem geplanten Neubau einer Sakristei weichen musste, wurden die Särge nach Ansprache des Pastors im Beisein der Kirchengemeinde am 5. April in ein unmittelbar daneben ausgehobenes Gemeinschaftsgrab umgebettet.

Baubeginn: Nach Sicherung der Finanzierung, wozu auch diverse Einzelspenden und Spendenveranstaltungen beitrugen,  begann dann am 14. April der Wiederaufbau bzw. die Restaurierung der Berkentiner Kirche. Im Zuge dieser Arbeiten wurde auch die ehemals flache Holzdecke durch das heutige Kirchengewölbe ersetzt. Aus unbekannten Gründen war dieses schon früher geplante Kreuzrippengewölbe nie zur Ausführung gekommen. Mit den Maurerarbeiten wurde der hiesige Maurermeister Heinrich Hagen beauftrag. Die Wiederherstellung und Ergänzung der Wandmalereien wurde von dem  Kunstmaler August Wilckens aus Ladegaard bei Haldersleben übernommen.

Gottesdienste in der Friedhofskapelle: Während der Bauzeit fanden die Gottesdienste in der Friedhofskapelle in Klein Berkenthin statt. Für die musikalische Begleitung stellte Lehrer und Organist Brandt sein wertvolles Harmonium zur Verfügung, das ansonsten in der Schule Verwendung fand.

Großbrand: Am 11. Juni wurde das Inspektorenhaus sowie mehrere Scheunen des Gutes Groß Weeden durch ein Großfeuer eingeäschert.

Spendenkonzerte: Zur weiteren Sicherung der Finanzierung der Restaurierungsarbeiten fanden am 25 Juni und am 8. Oktober im Saal des Wirtes Meier in Klein Berkenthin Spendenkonzerte statt. Mitwirkende waren u.a. der Domorganist Ehlers aus Ratzeburg, Dr. Reuter am Violincello und die Sängerin Marta Lüders aus Hannover, der Tochter des hiesigen Pastors. Die Konzerte waren mit 220 bzw. 240 Personen sehr gut besucht.


1900

Jahrhundertwende: Das neue Jahr wurde entsprechend einer kaiserlichen Anordnung, den Beginn entsprechend festlich zu gestalten, mit einem einstündigen Kirchengeläute von 12 bis 1 Uhr in der Nacht begrüßt. In den Jahren zuvor war erst jeweils zwischen 4 und 5 Uhr am Morgen geläutet worden. Am Neujahrstag folgte dann ein besonders Festgottesdienst in der voll besetzten Kirche.

Masernepidemie:  Gleich bei Wiederbeginn des Unterrichts nach den Weihnachtsferien fehlten 50, nach weiteren 8 Tagen 70 Schüler krankheitsbedingt in der Schule, so dass der Unterricht nicht in geregelter Weise fortgesetzt werden konnte.

Besondere Gedenkfeier:  Am 6. Mai fand in der Schule eine  Gedenkfeier zur Großjährigkeit des Kronprinzen Wilhelm von Preußen statt, der 1882 geboren wurde.

Erwachsenenbildung: Am 15. Januar nahm die ländliche Fortbildungsschule ihre Arbeit auf, deren Angebot sich ausschließlich an die männliche Jugend richtete.  Unterrichtet wurde jeweils montags- und donnerstagsabends zwischen 19.30 und 21 Uhr, wobei Pastor Lüders Religion und Lehrer Brand die Fächer Deutsch und Rechnen unterrichtete. Während im ersten Winterhalbjahr, das bis zum 15. März dauerte, die Teilnahme mit 27 Personen noch recht erfreulich war, kamen zum zweiten Durchgang ab November schon bedeutend weniger. Vor allem die Dienstknechte blieben fort, während sich die Söhne der Grundbesitzer und Handwerker recht fleißig beteiligten.

Carl Hagens Gasthof

Schlüsselübergabe:  Nach nicht einmal einjähriger Bauzeit fand am 25. Februar die feierliche Wiedereröffnung der restaurieren Kirche im Beisein vieler Honoratioren statt. Zugegen waren unter anderen Landrat Finck von Finckenstein, Provinzialkonservator Professor Dr. Haupt, Architekt Voß, Kunstmaler Wilckens, Amtsvorsteher Dorendorf aus Krummesse, der gesamte Kirchenvorstand und der Vertreter der Gemeinden.  Die Schlüsselübergabe an den Pastor erfolgte bei beinahe frühlingshaften Temperaturen vor der Westtür der Kirche, wo sich auch ein Großteil der Gemeinde versammelt hatte.  Nach dem Gottesdienst, an dem auch der Frauengesangverein mitgewirkt hatte, traf sich die Festgesellschaft zu einem feierlichen Mahl im Gasthof von Carl Hagen in Klein Berkenthin, an dem auch viele Gemeindemitglieder teilnahmen. Am Nachmittag konnten dann auch die Berkenthiner die restaurierte Kirche in Augenschein nehmen und einem Orgelkonzert des hiesigen Organisten Brandt, dessen Sohn Ernst Brandt und des namhaften Dr. Theodor Harmsen aus Altona beiwohnen.

Kreismissionsfest:  Am 7. Juni wurde in Berkenthin das Kreismissionsfest veranstaltet. Am Vormittag des Tages wurde in der Kirche ein Festgottesdienst  abgehalten, während sich am Nachmittag die über 800 Teilnehmer im Tannengehölz des Hufners Christian Meier in Göldenitz zu weiteren Gesangsvorträgen und Ansprachen trafen.

Kanaleröffnung: Am 16. Juni wurde der Elbe-Trave-Kanal eröffnet.

Kanalschleuse 1903

Hoher Besuch: Mitglieder des Kreistages besichtigten die restaurierte Kirche, nachdem diese per Schiff von Mölln auf dem neu eröffneten Kanal angereist waren. Unter ihnen  befanden sich der Landrat Finck von Finckenstein und der Sohn des ehemaligen Reichskanzlers  Fürst Herbert von Bismarck.


1901

Schulerweiterung: Nachdem die Zahl der Schüler immer mehr zugenommen hatte, es wurden in der Schule mittlerweile 110 Schüler unterrichtet, beschlossen Kirchengemeinde und Schulvorstand die Einrichtung einer zweiten Klasse. Dazu sollte ein zweiter Lehrer eingestellt und das Schulhaus um einen Klassenraum erweitert werden. Zuvor waren die Schüler in zwei Durchgängen am Vor- und Nachmittag von Lehrer Brandt alleine unterrichtet worden.

Besondere Gedenkfeiern:  Auch in diesem Jahr wurde in der Schule wieder der verstorbenen Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III. in schulischen Feierstunden gedacht. Zum Geburtstag des amtierenden Kaisers und Königs Wilhelm II. am 27. Januar gab es schulfrei.

Scharlach-Epidemie: Im Ort grassierte eine Keuchhusten- und Scharlach-Epidemie, in deren Verlauf eine 8-jährige Schülerin starb.


1902

Spendenkonzert: Am 5. Januar wurde wieder ein Kirchenkonzert, wieder unter Teilnahme der Sängerin Martha Lüders aus Hannover, in der Kirche durchgeführt. Dieses Mal kam ein Erlös von 89,60 Mark der Wiederherstellung der Kirche zugute.

Schleusenmeister gestorben: Am 25. April starb im Alter von 83,5 Jahren der langjährige Schleusenmeister Johann Carl Heinrich Kloers aus Klein Berkenthin. Bereits vor ihm hatten sein Vater und auch sein Großvater das Amt an der Berkenthiner Schleuse bekleidet.

Neuer Lehrer:  Im Oktober konnte endlich die  2. Lehrerstelle eingerichtet werden.  Am 16. Des Monats wurde dazu der Schulaspirant Heinrich Oeding aus dem Uetersener Lehrerseminar von dem Schulinspektor Pastor Lüders feierlich in sein Amt eingeführt. Da mit dem Bau des projektierten Klassenraums noch nicht begonnen worden  war, fand der Unterricht der 2. Klasse zunächst in der „Konfirmandenstube“ des Pastorats statt.


1904

Einweihung des neuen Schulraums:  Am 5. Januar konnte zur Freude aller Beteiligten die neuerbaute zweite Klassenraum am Organisten- und Schulhaus bezogen werden. Der Anbau war von Maurermeister Hagen aus Klein Berkenthin errichtet worden und kostete 3105,66 Mark. Zweidrittel der Summe musste von der Kirchengemeinde, der Rest von der Schulgemeinde aufgebracht werden.  Die Einweihung vollzog der Lokalschulinspektor Pastor Lüders, der die Einweihungsrede hielt.

Feuersbrünste: Am 27. Juli brannte das Haus des Kätners Gräper, das unmittelbar neben dem Pastorat lag, bis auf die Grundmauern ab. Das Pastorat, das damals noch mit Reet gedeckt war, geriet in große Gefahr, blieb aber dann doch verschont, weil kein Wind herrschte. Bereits wenige Tage später am 1. August brannte die von der Bahnarbeiterfamilie Carl Frank bewohnte Kate gegenüber der Stelle des Gastwirtes Carl Hack. Entzündet worden war das alte Gebäude durch das Herdfeuer. Aufgrund der längeren Dürre breitete sich das Feuer so schnell aus, dass sich die Frau mit ihren Kindern erst in letzter Minute retten konnte. Der Mann war beruflich unterwegs.


1905

Lichtbildvortrag: Am 22. Januar kam zur allgemeinen Erbauung im Saal des Wirtes Meier ein Lichtbildvortrag über das Leben Jesu zur Aufführung. Die erste Vortrag um 17 Uhr wurde von 140 Schulkindern besucht, während am abends um 19.30 Uhr noch einmal 130 Erwachsene der Aufführung beiwohnten.


1906

Besondere Gedenkfeiern:  Eine besondere Feierstunde wurde anlässlich der Silberhochzeit des Kaiserpaares  am 27. Februar in der I. klasse der Schule abgehalten. „Zu derselben waren auch die Eltern der Schüler und Freunde der Schule eigeladen. Es waren 20 Personen erschienen, auch der Herr Ortsschulinspektor Pastor Lüders war anwesend. Die Schule war durch Kränze, Girlanden, Fahnen pp. Ausgeschmückt. Auf einem herrlich dekorierten Tische waren die Büsten beider Majestäten aufgestellt. Die Feier dauerte v. 8 ½ bis 9 ½ Uhr.“ Bereits am Sonntag davor war das Kaiserpaar in der Predigt besonders gewürdigt worden.

Schillerfeier: Im Kaiserreich erfuhren die deutschen Geistesgrößen Goethe und Schiller besondere Verehrung. Aus diesem Grund wurde am 9. Mai in der Schule ein Schillertag durchgeführt, in dessen Mittelpunkt ein Vortrag des Lehrers Brandt „Unser Schiller“ und die Deklamation von Schülertexten durch ältere Schüler stand. Zum Schluss wurden das Buch „Schiller – Sein Leben und Dichten dem deutschen Volke und seiner Jugend erzählt“ von Hermann Petrich an die Schüler verteilt.

Einbruch: Diebe drangen am 14. Juni durch ein Kellerfenster in den Weinkeller des Pastorats ein und entwendeten einige Flaschen Wein, wobei sie außerdem noch erheblichen Schaden anrichteten.

Feuersbrunst: Um 3 Uhr desselben Tages  in der Früh wurden die Bewohner erneut durch die Sturmglocke geweckt. Das Haus des Anbauern Stamer in Klein Berkenthin brannte vollständig ab. Das Vieh konnte gerettet werden.

Lichtbildvortrag: Am 5. Dezember wurde ein Lichtbildvortrag zur Innere Mission wiederum im Saal des Gasthofs Meier abgehalten, zu dem sich 140 Kinder und 70 Erwachsene einfanden.


1907

Frauenverein: Frau Pastorin Lüders gründete den Berkenthiner Distrikt Frauenverein, dem  sofort 27 Frauen beitraten. Dieser Verein, der zunächst dem Ratzeburger Vaterländischen Frauenverein angegliedert war, setzte sich das Ziel der Fürsorge für alle in Not geratenen Gemeindemitglieder. In Kriegszeiten wollte man sich hingegen der Pflege der Verwundeten widmen. Erste Vorsitzende des Vereins wurde Frau Lüders.


1908

Erste Lehrerin: Im April übernahm Margarete Behrens die Nachfolge des 2. Lehrers Oeding, der nach Altona wechselte.

Gemeindeschwester: Der Frauenverein veranstaltete am 22. Oktober eine öffentliche Geburtstagsfeier. Noch im selben Jahr wurde über denselben Verein eine Gemeindeschwester eingestellt.  


1910

Kreismissionsfest: Auch in diesem Jahr fand das Kreismissionsfest wieder in Berkenthin statt. Auf den Gottesdienst am Vormittag folgte die Fortsetzung der Feierlichkeiten im Tannengehölz in Göldenitz.

Besonderer Gedenktag: In Schule und Kirchen  wurde am 19. Juli anlässlich ihres 100. Todestages der preußischen Königin Luise gedacht.


1911

Siechenhaus: Anlässlich des 25-jährigen Ortsjubiläums des Pastors wurden ihm am 17. Januar von der Rondeshagener Gutsbesitzerin Frau Louise von Schrader 5.590 Mark als Grundstock für den Bau eines Siechenhauses in Berkenthin übergeben. Weitere Mittel wurden darüber hinaus in Aussicht gestellt, Frau von Schrader äußerte aber den Wunsch, mit dem Bau möge bald begonnen werden. Dem wurde Folge geleistet, denn nachdem ein Grundstück von der Dorfschaft Klein Berkenthin erworben worden war, fand bereits am 30. Juni die Grundsteinlegung statt. Die Zeichnungen für das Gebäude hatte der Zimmermeister Friedrich Koop aus Klein Berkenthin angefertigt, während der  Maurermeister Heinrich Hagen mit Ausführung betraut wurde. Bereits am 10. August konnte Richtfest gefeiert und am 26. November konnte das Gebäude eingeweiht werden. Die ersten Hauseltern des Stifts wurde das Ehepaar Fröhlich aus Hamburg, während die Witwe Stadtländer aus Klein Berkenthin die erste Insassin wurde.

Familienabend: Der Frauenabend veranstaltete am 30. September einen Familienabend in Meiers Saal aus Anlass des 100. Geburtstages der Kaiserin Augusta, wobei die Schulkinder Volkslieder sangen.

Konzert: Am selben Ort gab die Sängerin Martha Lüders am 29. Oktober ein weiteres Konzert zugunsten des Frauenvereins. Begleitet wurde sie von dem Domorganisten Ehlers aus Ratzeburg am Harmonium.


1912

Besondere Gedenkfeier: Zu Kaisers Geburtstag am 27. Januar wurde in diesem Jahr zugleich des 200. Geburtstages Friedrich des Großen gedacht. In der Schule wurden dazu Lieder gesungen und Geschichten des großen Königs erzählt, am 28. Januar folgte dann anlässlich dieses doppelten Geburtstags ein besonderer Festgottesdienst in der Kirche.

Eben-Ezer: Inzwischen lebten drei Bewohner im Eben-Ezer-Stift.

Feuersbrunst: Nach einem Blitzabschlag brannte am Abend des 7. Juni um 21.30 Uhr das Haus des Kätners Karl Kahmels in Klein Berkenthin ab.

Ruhestand: Der langjährige Lehrer und Organist Ernst Brandt trat am 29. September aus „Kränklichkeit“ auf eigenen Wunsch in den Ruhestand. Er erhielt ein jährliches Ruhegehalt von 3.397 Mark. Sein Nachfolger als Lehrer und Organist wurde Lehrer Voß, der seinen Dienst am 1. Dezember antrat.

Kaiserin-Geburtstag: Nun schon zum wiederholten Male veranstaltete der Frauenverein am 22. Oktober in Meiers Saal eine Feier mit Gesang und Vorträgen zum Geburtstag der Kaiserin Auguste Viktoria. Der Erlös der Veranstaltung kam wie immer wohltätigen Zwecken zugute.


1913

Gedenkfeiern: Auch dieses Jahr stand wieder im Zeichen große Ereignisse und  Jubiläen, die neben den üblichen Jahrestagen in Schule und Kirche besonders gefeiert wurden. Am 24. Mai wurde die Vermählung der Kaisertochter Viktoria von Preußen in der Schule mit einer Feierstunde begangen, bevor dann das 25jährige Amtsjubiläum des Kaisers am 15. Juni feierlich gewürdigt wurde. Besonders aber stand die 100-järhige Wiederkehr der Völkerschlacht von Leipzig als von oben verordnetes nationales Großereignis im Mittelpunkt ganzer Festtage. So erschallte m Mittag des 18. Oktober Glockengeläut vom Kirchturm, während abends vom Turm von Musikern aus der Kirchengemeinde Choräle geblasen wurden: „Nun danket alle Gott“, „Ein feste Burg sei unser Gott“ und andere. Am folgenden Tag wurde dann ein Festgottesdienst unter Mitwirkung der Bläser und der Chorkinder der Schule abgehalten.

Stifterin gestorben: Am 4. Februar starb die Stifterin des neu erbauten Siechenhauses Frau Louise von Schrader. Noch heute erinnert eine Gedenktafel an der Nordwand der Kirche an sie. An ihre Stelle trat die Frau des Amtsvorstehers Sedemund aus Kählstorf als Vorsitzende der Stiftung.

Altenteilervilla Sedemund

 

Frau Pastorin Lüders gestorben: Am 15.Mai starb die Gründerin und Vorsitzende des Frauenvereins Frau Pastorin Lüders. Ihr Grab findet sich noch heute neben dem ihres Mannes auf dem alten Friedhof an der Kirche. An ihrer Stelle übernahm Frau Emma von Krogh aus Groß Weeden den Vorsitz des Vereins.

Einbrüche: Erneut stiegen am 5. August Diebe über ein Fenster an der Nordseite in die Kirche ein, fanden in dem von ihnen dann aufgebrochenen Opferstock aber nichts vor außer 4 Knöpfen und 1 Pfennig. Denn gerade am Tag vorher war eine Anordnung des Konsistoriums in Kraft getreten, nach der alle Opferbehältnisse  nach jedem Gottesdienst geleert werden mussten. Dies war auch am 3. August erstmals geschehen. Spürhunde konnten die Spuren noch in Richtung Kählstorf verfolgen, wo sie sich aber verloren. Bereits am 14. Dezember drangen dann schon wieder Einbrecher in das Gotteshaus ein, fanden aber in den Opferstöcken wiederum nichts vor und musste auch dieses Mal unverrichteter Dinge von dannen ziehen.

Elektrisches Licht:  In diesem Jahr wurde Berkenthin elektrifizierte und „am Weihnachtsabend 1913 erstrahlte zum ersten Male das Küsterhaus in elektrischem Lichte“, weiß die Schulchronik zu berichten.